Von wegen grober Unfug!
Joshua Tree, Kalifornien ist der Bauchnabel der Desert-Rock-Szene und JOSH HOMME der Fussel in ihm. Der Frontmann der QUEENS OF THE STONE AGE und Mastermind hinter EAGLES OF DEATH METAL treibt in den lokalen „Rancho de la Luna“-Studios sein Unwesen und versammelt in regelmäßigen Abständen das Who Is Who des Wüstenrock zu seinen „Desert Sessions“.
Während einer dieser Zusammenkünfte wurde anlässlich der jüngsten EODM-Platte Anfang des Jahres ein Interview mit einem deutschen Musikmagazin geführt, als auch der Name einer aus Yorkshire stammenden Band fiel: ARCTIC MONKEYS. Die Lads, die scheinbar in einem vollkommen anderen Universum heimisch sind, hielten sich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in HOMMEs Hitschmiede auf, um sich vom Meister einige Songs ihres dritten Albums Humbug veredeln zu lassen, welches dieser Tage erschienen ist. Zu dieser auf den ersten Blick nicht ganz nachvollziehbaren Verbindung kam es, nachdem die jungen Engländer HOMMEs Band 2007 supporteten und man sich gegenseitigen Respekt aussprach. Als sich die ARCTIC MONKEYS im Schreibprozess zu Humbug befanden wurde ihnen schnell klar, dass sie sich immer weiter von der Leichtigkeit der Songs ihrer Anfangstage entfernten und nur JOSH HOMME als Produzent in Frage kam.
Mit diesem Hintergrundwissen ist es dann weniger überraschend, dass das Ergebnis der Aufnahme-Sessions in Kalifornien eine Band zeigt, die verschlagener, raffinierter und undurchsichtiger wirkt, als sie es bisher getan hat. Humbug wird wohl jenen Teil der Fanschar verwirren, der sich wünscht, die Band würde auf ewig in fröhlicher BLUR-Manier das britische Adoleszenten-Dasein aufzeichnen. Aber das wird wohl auch einer der Gründe gewesen sein, sich für einige Zeit in die Staaten zurückgezogen zu haben.
Einfallsreich und verspielt waren die ARCTIC MONKEYS von jeher, auf Humbug werden diese Eigenschaften auf ein neues Level gehoben. ‚Potion Approaching‘ und ‚Pretty Visitors‘ sind Demonstrationen MATT HELDERS’ nahezu furchteinflösenden Drummings, die beide vor Wildheit nur so prickeln! Die Tempo-Wechsel in den Songs zerren an den Nerven und erzeugen Spannung, und ALEX TURNERs scharfe Beobachtungen sind zu dunkleren, bissigeren Lyrics geworden. Es wäre falsch, die finstere Bedrohlichkeit in Gänze JOSH HOMEE zuzuschreiben, da sich diese Entwicklung schon auf dem letzten Album andeutete, allerdings hatte HOMME wohl das richtige Händchen, diese andere Facette noch deutlicher herauszukitzeln. Außerdem ließ er es sich nicht nehmen, manche Songs durch Backing Vocals mit mehrdeutigen Anspielungen zu durchziehen (man höre ‚My Propeller‘). Nicht, dass die Verschlossenheit vollkommen abgestreift wurde, aber Zeilen wie „Let’s make a mess, lioness“ wären auf den Vorgänger-Alben undenkbar.
‚Crying Lightning‘ schifft durch mehr oder weniger gewohntes Territorium – die Süße des Lebens kombiniert mit dem schwarzen Rauch der Fabriken. ‚The Jeweller’s Hand‘ birgt eine Karneval-Poetik und gipfelt in einem gespenstischen Instrumenten-Brei. Und mit ‚Dance Little Liar‘ zeigt die Band ihr Talent für filmische Narration.
All das hinterlässt einen tiefen Eindruck, aber die Geschichte der Entstehung von Humbug hat noch ein weiteres Kapitel. Um Eintönigkeit vorzubeugen oder um sich abzusichern, wurde für eine zweite Session JAMES FORD gebucht, welcher schon Favourite Worst Nightmare produzierte. Aber falls Humbug durch fehlende Konsequenz etwas verloren haben könnte, so gewinnt es an Form durch eines der besten Stücke, die TURNER bisher veröffentlicht hat. Es ist nicht nur deutlich hörbar, dass ‚Cornerstone‘ später entstanden ist als das andere Material, es trägt auch eine völlig andere Stimmung – MORRISSEY lässt grüßen. Die Vokale werden schwingend gezogen und treffen wie eine Faust im Samthandschuh, TURNER gleitet hier mit derselben majestätischen Allwissenheit elegant zwischen den Noten entlang.
‚The Secret Doctor‘, welches einen vergleichbaren Ton anschlägt, handelt einerseits von TURNERs Abneigung gegenüber dem Starrummel, andererseits von seiner Bewunderung für das Vermögen seiner Partnerin, dem Trubel standzuhalten. Er singt die Zeilen so lieblich, und was ein zähes Wiederkäuen über die Nachteile des Ruhms hätte werden können, stellt sich als ein berückendes Liebeslied heraus.
Diese beiden Songs bilden den anderen Pol auf Humbug. ARCTIC MONKEYS laufen hier Gefahr, den Teil ihres Charakters, der einen elektrisierenden Krawall provoziert, von jenem Teil, der die großartigen Melodien hervorbringt, zu trennen. Es ist schwer vorstellbar, dass die neuen Songs die Reißer der anstehenden Tour sein werden. Indes könnte genau das die Erleichterung bedeuten, war es den ARCTIC MONKEYS doch nie genehm, als die „Stimme einer Generation“ abgestempelt zu werden. Humbug schüttelt das ungewollte Label unmerklich ab, um im selben Moment eine vielversprechendere musikalische Zukunft anzudeuten.
ARCTIC MONKEYS
Humbug
(Domino/ Indigo)
VÖ: 21.08.2009
www.myspace.com/arcticmonkeys
www.arcticmonkeys.com
www.dominorecordco.com
Autor: [EMAIL=alexandra.wolf@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Alexandra Wolf[/EMAIL]