AUF DER MAUR + LIVING THINGS am 20.04.2004 im SO36

Eigentlich waren alle Zutaten vorhanden für ein Bombenkonzert: coole Location, fetter Sound, abgefahrene Vorband und Hauptband mit Augenweide.

Doch es kam, wie es kommen musste: als Intro wurde das Kinderlied eingespielt. Jeder deutsche Journalist hat sich das Wortspiel verkniffen und dann wurde mit einem Schlag alles zunichte gemacht. Teile des Publikums waren sich noch nicht mal zu schade, mitzusingen: „…sitzt ne kleine Wa-…“

Und dann dies: „Rockers of the World, unite!“ Zack – Gänsehaut. Sprach da wirklich Melissa Auf der Maur? Gene Simmons oder Ozzy Osbourne hätte man solch abgedroschene Rockphrasen ja verziehen, aber ihr? Doch das war noch nicht alles. „You Germans were so much into this electronic and arty stuff. I’m glad to see the real rockers back“. Wie bitte?

Und so ging es munter weiter: Nach der überflüssigen Information „My favourite beast is the horse!“, schüttelt Frau Auf der Maur wild die eigene Mähne und das alberne Gewieher von ‚Skin Receiver‘, dieser unsäglichen Mischung aus HEART’s ‚Barracuda‘ und VERUCA SALT’s ‚Seether‘, setzt ein. Uaaaah! Das ist dann schon fast zum Weglaufen.

An weglaufen war jedoch nicht zu denken an diesem Abend im SO. Zu voll. Aber vielleicht sollte ich von vorne anfangen.

Die Vorband zum Beispiel, die LIVING THINGS, waren super. Und auch sehr hübsch anzusehen. Die Band aus St. Louis besteht aus den drei Brüdern Berlin Lilian, Eve und Bosh (ja, ja, diese Hippie-Eltern….), sowie Cony Becker, der erst vor kurzem zur ‚Familie‘ stieß. Sie nahmen ihre EP Turn In Your Friends & Neighbors und das neue Album, Black Skies in Broad Daylight (VÖ 01.06.2004), mit Oberchecker Steve Albini in Chicago auf. Auf der Bandwebsite kann man sich die Videos zu ‚I owe‘ und ‚Bombs below‘ ansehen. „We break the rules, but we’ll be alright. We salute you! Where do all the deadboys go? No solutions, just bombs below“ heißt es da. Die LIVING THINGS sind eine politische Punkrock Band.

Wenn man öfter mal auf Indie/Punk/Rock-Konzerten von US-amerikanischen Bands unterwegs ist, gewinnt man schnell den Eindruck, dass mindestens fünfzig Prozent der Amis ihren Präsidenten hassen müssen. Und fragt sich, warum er eigentlich noch an der Macht ist. „Impeach Bush“ und ähnliches steht auf den T-Shirts der Backliner, die in der ewig andauernden Pause umbauen.

Die LIVING THINGS setzen während ihres Gigs ein Bush-Bild in Brand, mit einem Feuerzeug, das die Form einer großen Handfeuerwaffe hat. „I apologize for my country. I apologize for my country’s politicians. It seems that you still have values in Germany and in France.“

AUF DER MAUR fahren mehr die unpolitische Rockschiene (s. o.), die kanadische Namensgeberin stellt die Band denn auch mit den Worten „We’re AUF DER MAUR from Canada“ vor. Zwei kommen zwar aus Kalifornien, doch vergessen scheinen die langen Jahre bei HOLE und den SMASHING PUMPKINS, USA. So kann man das natürlich auch umgehen. Naja, muss ja nicht. Aber sie ist sonst die ganze Zeit so bemüht, alles richtig zu machen. „Hey, ihr da hinten am Tresen – ihr solltet mal denen hier vorne Bier bringen!“ Und kürt kurzerhand das Berliner Publikum zum offiziell am meisten tanzenden während der Tour bisher.

Das hören die united rockers, wiedergekehrt von der arty electronic music, natürlich gerne. Melissa Auf der Maur versteht es, ihre optischen und akustischen Reize einzusetzen. Und es gibt ja durchaus reizende Momente auf dem Album. Der Opener ‚Lightning is my Girl‘ eröffnet auch das Konzert und ‚I need I want I will‘ ist ein absolutes Highlight. Und natürlich die Single ‚Followed the Waves‘, das sich die Band jedoch für den Schluss aufhebt. Der Sound ist gut, die Band professionell, Melissa’s Stimme rein oder rauchig, wie sie gerade will. Da sitzt jeder Ton. Selbst ‚Overpower thee‘, das auf dem Album etwas deplaziert wirkt, passt im Live-Set gut hinein und kommt glasklar.

Aber dazwischen kommt doch, wie auf dem Album, etwas Langeweile auf. Zu rein, zu sehr um Perfektion bemüht und zu unentschlossen, wie die Band denn nun klingen soll. Kaum zu glauben, dass dies das Ergebnis aus Frau Auf der Maurs Vergangenheit ist.

Aber sagte ich schon, wie gut diese Frau aussieht? Und welch sinnliche Mimik! Diese Augenringe im fertigen Gesicht! Perfekt. Ich meine, zu Robbie Williams geht man ja auch nur, weil der Typ so gut aussieht – scheiss auf die Mucke. Alles in allem also ein netter Abend.

http://www.aufdermaur.com

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