Ein Traum.
Teen Dream ist heiterer, beschwingter als wir es bisher vom Dreampop-Duo BEACH HOUSE gewohnt waren. Der Bruch mit ihrem spinnenwebhaften und kargen Sound der ersten zwei Alben erlaubt es ihnen nunmehr weit weniger, sich in Nischen und Spalten zu verstecken. Zwar ist eine gewisse Art von Nostalgie auch auf ihrer dritten Platte vorhanden, aber waren die Vorgänger wie vernebelt, wird auf Teen Dream ein authentisches und greifbares Bild von Jugend und junger Liebe gemalt. Eine vage lyrische Chiffre aus Tagebucheintragungen, die niemand zu entziffern vermag außer VICTORIA LEGRAND selbst, wird von den klanglichen Oberflächenstrukturen zurück zu den liebeskranken Landschaften in LEGRANDs Herz getragen, welches jeden Moment gewaltig aus ihrer Brust zu bersten droht. Kann man an Liebestollheit sterben?
ALEX SCALLY, die andere Hälfte der Band, erklärte kürzlich, dass man versuchte, ein Album zu schreiben, das der Süße und der Zermürbung gewidmet sei. Die vergangenen zwei Veröffentlichungen vermittelten schon ein hohes Maß an Intimität. Sie waren aber eher auf eine kratzige Art schön. Ab den ersten Tönen von ‚Zebra‘ ist bereits klar, dass Teen Dream ein ungleich anderes Unterfangen darstellt – man ist immer noch zaghaft und sich ungewiss, aber eine neuartige Entschlossenheit ist hinzugekommen. Hatte man vorher hier und da wie zufällig mit dürren Rasselklängen eingewirkt, meint man nun einen Hauch von Bestimmtheit herauszuhören, wenn SCALLYs Gitarre mit LEGRANDs „A-a-ahs“ Walzer tanzt. Entschlossen wirkt auch der Klang, wenn er sich wölbt und ausschlägt, als ob er die Konturen eines Körpers mit langsamer, aber fiebriger Dringlichkeit erforscht, bevor er mit scheppernden Becken von dannen galoppiert.
VICTORIAs Stimme ist meilenweit von vermeintlicher Erotika entfernt, sie hat eine neue Kraft dazu gewonnen. Sie stellt ihre klassische Ausbildung auf die Probe, kontrolliert ihre Stimme exakt bis zum Ende jeder Zeile, um dann wie ein Streichholz strahlend von neuem zu entflammen. In ‚Norway‘ zieht sie die Wörter so weit auseinander, dass sie sie nicht wirklich beendet und lässt uns in einer Unzahl von Silben überwintern. Sie glimmen matt und wie Verdichtungen der Moleküle. Obschon die Wörter bei weitem nicht immer zu erfassen sind – denn die Intonation hat hier oft einen höheren Stellenwert als die Verständlichkeit – dringt die Nachricht zu uns durch. ‚Zebra‘ mit dem beruhigendem „you don’t gotta worry now“ zusammen mit ‚Take Care‘ rahmen das Album mit Versprechungen an ihr jüngeres Selbst und an den Hörer ein: „I’ll take care of you“ singt sie einer Nachtigall gleich.
BEACH HOUSE haben belegtes Gurren und harmonisches Hauchen zu einer Kunstform erhoben, die sie mittlerweile soweit verfeinert haben, dass sicherlich eine größere Aufmerksamkeit folgen muss. Abgesehen davon, dass das Duo sich nach upstate New York begeben hat, um seine Songs in einer Kirche aufzunehmen, hat man sich nicht zu anderen Ausschweifungen hinreißen lassen und die Stücke nicht mit hochtrabenden Arrangements verhängt, welche im Gegenteil in ihrem eigenen bestimmbaren Raum atmen. Wo sie durchaus grandiose Orgeln hätten einsetzen können, blieb man bei VICTORIAs ramponierter Tasteninstrumentsammlung, mit denen sie die Songs verankert, bevor sie in den Äther davon zu gleiten mahnen.
Man kann wohl von einem makellosen Album sprechen – von allen Bands, die ihr Ohr an die Brust legen und den Schmerz des Herzens kanalisieren, überzieht ihn keine wie BEACH HOUSE mit Gold und schönen Steinen. Sie sind eine Band, die eher mit ihrer Filigranität und Feinheit als durch Innovation überzeugen und machen Teen Dream zu einem traumhaften Hörgenuss. Was die Faszination noch ein wenig steigert, sind die wirklich wenigen Momente, in denen nicht alles komplett ausbalanciert zu sein scheint, also noch Raum zum Wachsen und Ausdifferenzieren vorhanden ist. BEACH HOUSE haben eine magische Platte gemacht; die Klüfte der ersten und zweiten wurden, von der See umspült, zu dem lieblichen Edelstein, der Teen Dream ist.
BEACH HOUSE
Teen Dream
(Bella Union / Cooperative / Universal)
VÖ: 26.02.2010
www.beachhousebaltimore.com
www.myspace.com/beachhousemusic
www.bellaunion.com
www.cooperativemusic.de
Autor: [EMAIL=alexamdra.wolf@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Alexandra Wolf[/EMAIL]