BEATPLANET – Berliner Act des Monats Mai 2006

Keiner beatet mehr!



Wir hatten ja nun schon verschiedenste Acts des Monats, von straighten Alternative-Helden, über düstere Elektro-Popper, bis hin zu obskuren Möbeltrommlern. BEATPLANET setzen sich wohltuend von all dem ab, verstehen sie sich doch als visionär-progressive Tanzkapelle, als MANFRED KRUG-Tribute-Band, als die „ostdeutsche Antwort auf die Beatlemania“. Und das Schönste daran: es funktioniert! Das Erstlingswerk Wer beatet mehr? – Musik für junge Leute kann auf jeder Party die Tanzfläche füllen, die Melodien trägt man wochenlang im Ohr, und der Zitatenschatz hält das Gesamtkunstwerk BEATPLANET auch noch dann interessant, wenn der Reiz des Neuen schon längst verpufft scheint.

Zum Interview treffen wir uns in den schummrigen Kellergewölben eines Cafés unmittelbar am Senefelder Platz. Und wenn man jetzt ganz investigativ wirken wollte, müsste man feststellen, dass eben jenes Café gewisse Ähnlichkeiten mit dem Bandnamen aufweist, unter dem der harte Kern von BEATPLANET einst die deutschen Charts kaperte. Aber lassen wir die jüngere Vergangenheit ruhen. Begeben wir uns lieber zurück in die Jugendzeit unserer Eltern, denn die hat es Sven Rathke, Martin „Gotti“ Gottschild, Jan Kertscher und ihren vier Mitstreitern besonders angetan.

BiB: Wie kommt man denn darauf, 60er-Jahre-DDR-Beat zu spielen?

Sven: MANFRED KRUG und Amiga A Go-Go-Sampler hören – ab da war alles zu spät. NANCY SINATRA und LEE HAZLEWOOD waren auch noch ausschlaggebend, die BEATLES natürlich, DUSTY SPRINGFIELD…

Jan: Die THEO SCHUMANN COMBO, TEAM 4… alles was halt auf diesen Amiga A Go-Go Samplern drauf ist.

Gotti: Gerade die THEO SCHUMANN COMBO, die sind wirklich verrückt … Tiere sind das gewesen…

Jan: …und dabei sahen sie so lieb aus.

BiB: Euer Plattencover zitiert ja ganz deutlich MANFRED KRUGs Das war nur ein Moment-LP…

Gotti: Es ist wirklich schwierig, mit dieser Ästhetik etwas ganz eigenes zu machen. Und wir wollten MANFRED KRUG auch Tribut zollen. Vielleicht kann man so ja noch ein paar jüngere Hörer dazu verleiten, KRUG-CDs zu kaufen. Das kann ja nicht schlecht sein… Wir wollten ja gerne mit ihm ein Duett singen, haben ihn auch angeschrieben, aber er meinte, er will halt nichts neues mehr aufnehmen.

Jan: Aber immerhin bekamen wir einen sehr freundlichen, persönlichen Brief von ihm. Und wir schicken ihm auf jeden Fall ein Album und laden ihn zur Record Release Party ein.

BiB: Inhaltlich kommen Ost-Helden wie der Hund Laika oder auch typische Begriffe wie „Kosmonauten“ oder „agitieren“ vor… Wie tief fühlt ihr euch denn in der DDR-Kultur verwurzelt?

Gotti: Also ich war ja nun 13 als alles vorbei war, und bis dahin war das für mich als Kind sehr angenehm. Für mich war immer Sonnenschein, alle waren gut gelaunt und haben die ganze Zeit Kuchen gebacken.

Sven: Solange kein Pioniernachmittag war, fand ich das auch alles gut.

Gotti: Ich fand selbst Pioniernachmittage gut. Obwohl alle anderen die komplette Ausrüstung hatten, während ich nie ein Käppi besaß. Ansonsten: Warum soll man nicht „Kosmonaut“ statt „Astronaut“ sagen. Ist halt eine andere Möglichkeit, etwas auszudrücken. Das sind einfach schöne alte Worte.

Sven: Das ist natürlich nur ein Spiel mit den Worten und der Nostalgie, aber ich bin heilfroh, dass diese DDR-Sache vorbei ist. Ich hätte sonst vermutlich nicht so unbeschwert Musik machen können. Ich kann ja nicht mal Noten lesen…

Gotti: Das hättest du dann aber gekonnt, Sven!



BiB: Und wenn man euch nun Ostalgie vorwirft?

Gotti: Das hat alles weniger mit Ostalgie zu tun als mit der Unbedarftheit der damaligen Texte. Die mussten sich ja früher immer sehr zusammenreißen, während es im West-Schlager immer sehr zur Sache ging, mit „Ramba-Zamba, auf die Mütze, heute sieben Fässer Schnaps…“. Und dadurch, dass das im Osten ja auch sehr sehr gute Musiker waren, kam eine interessante Mischung raus.

Jan: Den Leuten in der DDR wurde zwar Beatmusik gegeben, aber mit Texten, die keinem weh tun, und dadurch ist es was ganz eigenes geworden. Während es in der anderen Hälfte Deutschlands ja fast keine deutschsprachige Beatmusik gab, sondern Beat auf englisch oder halt Schlager. Man muss auf diese Musik gar nicht unbedingt groß „Osten“ draufschreiben, weil es einfach nur eine ganz spezielle Musik ist, die es jetzt nochmal zu entdecken gilt.

BiB: Habt ihr nicht Angst, nur als Kuriosität wahrgenommen zu werden?

Sven: Natürlich ist das auch kurios, oder zumindest schräg. Und die Leute werden uns auch nicht wegen unserer intelligenten, hochtrabenden Texte wahrnehmen…

Gotti: …ich finde es halt gut, dass es so offensichtlich ist. Viele tarnen sich ja als Indie-Rock und schreiben am Ende doch ganz schlimme Texte…

Sven: … Schlager im Verzerrte-Gitarren-Gewand.

Jan: Es ist nicht wie ein Witz, den man drei Mal erzählt. Dafür steckt bei uns zu viel Liebe zur Musik selbst drin, auch wenn man natürlich ein gewisse Distanz wahren muss. Dadurch wird es nicht langweilig. Und dann bringen wir auch neue Aspekte ein, wie das Gedicht in ‚Sie ist kein leichtes Mädchen‘. Wir schöpfen quasi aus dem Fundus der Ideen, die damals nicht ausgeführt worden sind aber hätten ausgeführt werden sollen. Wir machen die Platte, die damals gefehlt hat.

BiB: Ihr seid immerhin sieben Leute in der Band. Wie kriegt man die unter einen Hut?

Alle: Gar nicht!

Gotti: Das ist ja das Problem. Die anderen vier lassen sich ihre Berufe auch nicht ausreden…

Jan: …das ist dieser verdammte Wille zum Überleben, dieser Hunger…

Gotti: Aber oftmals machen wir erst mal zu dritt das Grundgerüst eines Songs und irgendwann später kommen dann die anderen dazu.

(Sängerin Anne „Uschi“ Müller trifft ein.)

BiB: Wie lange habt ihr denn insgesamt an Wer beatet mehr? gearbeitet?

Sven: Von der Idee bis zum Erscheinen sind es zweieinhalb Jahre. Seit August 2005 ist die Platte im Prinzip fertig. Dann haben wir sie rumgeschickt, und dann gab es zwei oder drei Labels, die Interesse bekundet hatten.

Jan: Mai ist jetzt auch ein super Zeitpunkt zur Veröffentlichung.

Anne: Das ist schon auch eine Frühlingsplatte, mit guter Laune.



BiB: Und welche Erwartungen hat das Label an euch und den Erfolg der Platte?

Gotti: Da sind sie sehr realistisch, machen ihre Promotion sehr gezielt, halten den Ball flach und sind froher Hoffnung.

Sven: Klar ist, dass die Platte nicht in der ersten Woche in die Top Ten gehen wird…

Jan: So viele Platten sind auch gar nicht vorhanden!

Sven: Ich weiss auch nicht, ob sie jemals die Top 100 streifen wird, aber das ist auch nicht der Anspruch. Schön wäre einfach, wenn sich der eine oder andere Radiosender erbarmt, das zu spielen, und damit einen gewissen Fankreis zu gewinnen.

BiB: Wie passt ihr denn in den Hype, den deutschsprachige Bands gerade erfahren?

Jan: Wir machen seit zehn Jahren deutsche Musik und seit fünf oder sechs Jahren wird uns diese Frage nach dem Hype schon gestellt, obwohl der Hype zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich auch schon fünf oder sechs Jahre alt war.

Gotti: Insofern verstehe ich nicht, warum die Leute erst jetzt auf diesen Trichter mit deutscher Musik kommen.

Anne: Aber wir haben ja auch nichts gemeinsam mit der Musik, die etwa MotorFM versucht zu promoten.

BiB: Was glaubt ihr, wie lange haltet ihr den Beat noch durch?

Sven: Das zweite Album ist schon so gut wie fertig geschrieben, aber ich glaube, danach müssen wir uns dann schon etwas Neues überlegen. Vielleicht machen wir als nächstes ein 70er-Album, dann kommen wir in die 80er…

Gotti: …oder wir bewegen uns immer weiter zurück, bis wir dann am Ende die Band SKLAVENSCHIFF haben, wo Jan nur noch Pauke spielt und die restlichen Bandmitglieder rudern.

BiB: Was erwartet uns vom nächsten Album?

Sven: Wir haben uns vorgenommen, es noch mal um einiges tanzbarer zu machen, vielleicht ein bisschen souliger.

Jan: Die JACKSON FIVE sind noch dazugekommen. Es gibt auf jeden Fall viel fetzige Musik, die noch darauf wartet, ausgeschlachtet zu werden.

BiB: Und dann kommt die große Dekonstruktion des Gebildes BEATPLANET?

Sven: Wir haben schon eine vage Idee, die wird auf jeden Fall sehr schockierend für eine gewisse Szene in diesem Land. (Anne lacht wissend.)

BiB empfiehlt: Die BEATPLANET-Record-Release-Party am Mittwoch, den 03.05.2006, 21 Uhr im Frannz! Außerdem spielen BEATPLANET auch am 19.05.06 beim „10 Jahre Soulpistols @ Kaffee Burger“.

Das Album:

BEATPLANET
Wer beatet mehr? – Musik für junge Leute
(Brigade Mondaine/ Indigo)
VÖ: 05.05.2006

www.beatpla.net
www.brigademondaine.de

Fotos: © BEATPLANET
Autor: [EMAIL=sebastian.frindte@b-i-b.de?Subject=Kontakt von der Website]Sebastian Frindte [/EMAIL]

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