Irritationen vorprogrammiert: Die einstigen niederländischen Indierocker öffnen sich verstärkt luftigem Pop, servieren aber auch wieder einige musikalische Asse.
Der seltsamen Namensgebung zum Trotz (der Bandname bezieht sich auf die niederländische Wimbledon-Finalistin Bettie Stove) standen BETTIE SERVEERT vor allem mit ihren ersten beiden vorzüglichen Alben Palomine und Lamprey Mitte der 90er für leidenschaftlichen, bittersüßen Indierock mit einem ungemein coolen Gitarrensound, der durchaus berechtigte Vergleiche zu Bands wie Dinosaur Jr., Throwing Muses oder Velvet Underground aufkommen ließ und die Band einige Zeit an die Spitze einer ambitionierten Indieszene katapultierte.
Nach dem 97er Album Dust Bunnies und dem Livealbum Bettie Serveert Plays Venus In Furs mit Velvet Underground-Coverversionen setzte mit ihrem 2000er, von John Parish produzierten Album Private Suit schon ansatzweise eine Entwicklung ein, die sich insbesondere auf dem Nachfolger Log 22 (2003) in einer recht opulenten und facettenreicheren Songwriter-Instrumentierung äußerte und auf dem neuen Album nun ihren vorläufigen Höhepunkt findet, zumindest was die konsequente Weiterentwicklung und Variation der musikalischen Umsetzung betrifft.
Denn wo Log 22 doch immer wieder auch Reminiszenzen an die eigene Indierock-Vergangenheit heraufbeschwor und gelegentlich mit vielseitig instrumentierten Sound-Ungetümen von bedrohlicher Intensität aufwartete, begegnet einem auf Attagirl gleich mit den ersten beiden Songs eine für BETTIE SERVEERT ungewöhnlich seichte, auf Samples und Beats setzende Eingängigkeit, die für sich genommen – nicht zuletzt natürlich auch dank der wie immer ausdrucksstarken Stimme von CAROL VAN DYK – durch zwar poppige, aber auf jeden Fall catchy Hooklines und einprägsame Refrains bestechen.
Die Band um den Nukleus CAROL VAN DYK und PETER VISSER bekennt sich auf ihrem neuen Album also offen zum stärkeren Experimentieren mit Samples, Beats und Keyboards (tatsächlich ist gar der von Gitarrist PETER VISSER angestellte Vergleich zu Destiny’s Child im Titelsong nicht völlig von der Hand zu weisen), und hier und da lassen sich in dieser Hinsicht recht ansprechende Ideen ausmachen, auch wenn die teilweise recht dominant integrierten neuen Elemente zunächst schon wie irritierende Fremdkörper im Kontext des bisherigen, relativ homogenen Gesamtwerks der Band wirken.
Hat man sich gerade auf diesen für BETTIE SERVEERT ziemlich gewöhnungsbedürftigen Sound zu Beginn des Albums eingestellt, lassen sich im Folgenden glücklicherweise auch schnell wieder genügend Songs mit weniger Politur ausmachen, die wie bei den schwungvollen ‚Don’t Touch That Dial!‘ und ‚Hands Off‘, dem akustischen ‚You’ve Changed‘ oder dem grandiosen abschließenden Bright Eyes-Cover ‚Lover I Don’t Have To Love‘ vergangene Zeiten aus der eigenen Bandhistorie gekonnt zitieren und zwischenzeitliche Fehltritte wie den allzu penetranten Keyboard-Einsatz in einigen Stücken oder die AOR-Gitarren Marke Journey oder Toto in ‚Versace‘ wieder einigermaßen vergessen machen.
Gefallen findet man an Attagirl meistens dann, wenn sich BETTIE SERVEERT ihrer altbekannten, im alternativen Songwriterpop bzw. ambitionierten Indie(pop)rock beheimateten Stärken besinnen, auch wenn die seichteren und elektronischer ausgerichteten Sounds sicher von einer gewissen Experimentierfreudigkeit zeugen und gelegentlich gar für spannende und schöne Facetten sorgen.
BETTIE SERVEERT
Attagirl
(Palomine/ Pias)
VÖ: 20.06.2005
BETTIE SERVEERT kommen im Herbst 2005 auf Tour.
www.bettieserveert.com
www.piasrecordings.de
Autor: [EMAIL=thomas.stern@b-i-b.de?Subject=Kontakt von der Website]Thomas Stern[/EMAIL]