Bosse is back! Nach einem stressigen Jahr 2013 (Gold für Kraniche, unzählige Preise, noch mehr Konzerte) wurde es still um den Mann mit der Gitarre. Nun legt der Hamburger sein sechstes Album Engtanz vor – und klingt darauf gelöster denn je. Auf elf Indiepop-Nummern stellt sich der Singer/Songwriter seiner Vergangenheit und räumt kräftig im Jetzt auf. Ein ganz persönlicher Engtanz mit dem Leben, sozusagen. Nebenbei sprudelt ein gewaltiges Orchester aus Kontrabässen, Hornbläsern und Pianisten und findet mal Begleitung vom Berliner Kneipenchor, mal von CASPER. Doch woher kommt all die neue Energie? Mit Popmonitor sprach AKI BOSSE über Verarbeitung, Ruhemomente und Neinsagen…
Zwischen Kraniche und Engtanz hast du eine längere Pause eingelegt. Wovon brauchtest du Abstand?
Ja, ich habe versucht, eine Pause von allem zu machen. Das funktioniert aber nicht. Ich war einfach müde, weil ich eigentlich zwei Leben führe: Familie und Tochter und dann noch ständig herumfahren. Für mich war es wichtig, über längere Zeit in Hamburg zu bleiben und mal ein stinknormales Leben zu führen. Man hat so viel erlebt, so viele Konzerte gespielt. Das war toll, aber dazu gehört auch viel Druck. Die ziehen alle ganz schön an mir. Irgendwo bin ich aber auch noch Familienvater. Es war an der Zeit, das zu genießen. Dann hatte ich aber doch auch wieder Bock auf Neues.
Engtanz mit dem Leben – was genau stellst du dir darunter vor?
Nun ja, ich beginne mit meiner Suche nach einem Albumtitel immer wie ein Philosophiestudent im ersten Semester. Für die ersten Vorschläge werde ich immer ausgelacht und kriege Schläge von meiner Band. Ich hatte Bock auf Gitarren und Tanzen. Da war dieses Bild in meinem Kopf, dass man jemanden, den man mag, beim Tanzen gern nah bei sich hat und sich ihm öffnet. Beim „Engtanz mit dem Leben“ geht es also um Verarbeitung und darum, ehrlich zu sich selbst zu sein. Engtanz ist außerdem ein Wort, das man nicht so oft sagt.
Rastlosigkeit spielt auf deinen neuen Songs immer wieder eine Rolle. Hast du inzwischen deine innere Ruhe gefunden?
Ja, darum geht es auf dem Album häufig – speziell auf „Steine“. Ich bin früh Vater geworden und habe das Gefühl, dass vor drei, vier Jahren eine andere Zeit für mich begonnen hat. Es geht jetzt definitiv um andere Dinge. Darüber wollte ich schreiben. Davon, dass man sich mit seinen alten Dämonen beschäftigt. Von der Kindheit bis zum Heute gibt es bei mir auf jeden Fall ein paar Sachen, bei denen ich denke: Krass, denen sollte ich mich stellen!
Zum Beispiel?
Ich hatte eine Zeit, in der ich gemerkt habe, dass ich zwischen den Stühlen stand und ein komisches Gefühl hatte, solange Sachen unausgesprochen waren. Am Ende ist Kommunikation wichtig. Ich muss darüber sprechen, sonst kann ich nicht glücklich sein. Aber man will es ja doch immer allen Recht machen. Davon handelt „Nachttischlampe“. Dass man sich mit diesen Gedanken im Bett wälzt. Aber ich habe jetzt gelernt, nein zu sagen und es anzusprechen, wenn ich etwas uncool finde. Das macht mir das Leben einfacher. Vielleicht hört man das.
Die Songs klingen auf jeden Fall wuchtiger, irgendwie ausgelassener…
Es ist einfach so: In dem Moment, in dem man wieder anfängt zu schreiben, ist man wieder bei Null. Wenn ich ein weißes Papier, eine Gitarre und ein Klavier vor mir habe, muss ich einfach schauen, was rauskommt. Definitiv sind dieses Mal aber ein paar lustigere Tracks dabei. Gut, vielleicht nicht so lustig wie Olli Schulz oder Helge Schneider, aber so ein Track wie „Krumme Symphonie“ verbreitet schon gute Laune.
Auf dem Track ist auch CASPER zu hören. Wie kam es dazu?
Wir kennen uns schon ziemlich lang und wollten schon immer etwas zusammen machen. Es war nur noch nicht klar, ob es auf seinem oder meinem Album passieren wird. Acht Songs hatte ich fertig, und Casper suchte sich diesen aus. „Da droppe ich dir jetzt was zu“, meinte er. Das war interessant, weil er natürlich ganz anders arbeitet. Die Strophen waren fertig, der Refrain auch, und er hat einfach hinzugerappt!
Du hast eingangs von Druck gesprochen. Wie stehts es darum zur Veröffentlichung von Engtanz?
Meine eigenen Erwartungen sind immer sehr hoch. Wenn ich dann noch an andere Leute denke und den Druck annehme, mich zum Beispiel frage, ob alles noch mal so wird, ob man dazu auch gut genug tanzen, heulen oder Babys machen kann, dann beschneide ich mich. Dann kommt Angst auf und ich blockiere. Ich hoffe also einfach, dass die Leute überhaupt irgendetwas mitnehmen. Und dass sie es im besten Fall natürlich auch noch gut finden. Das wäre schön.
BOSSE
Engtanz
(Vertigo Berlin / Universal Music)
VÖ: 12.02.2016