CAMOUFLAGE – Relocated


Balsam für die Synthiepop-Seele.



Als 1987 die Single ‚The Great Commandment‘ erschien, ging ich ebenso wie deren Urheber MARCUS MEYN, HEIKO MAILE und OLIVER KREYSSIG noch zur Schule – ich im sächsischen Riesa, sie in Bietigheim-Bissingen in Schwaben – und egal, ob in Ost- oder Westdeutschland – nach dem ersten Hören besagten Liedes ging man davon aus, es müsse sich um die neue Single der Herren Gore, Gahan et al. handeln. War melodischer, atmosphärischer Sythiepop mit einer warmen Gesangsstimme doch in erster Linie Markenzeichen von Depeche Mode. ‚The Great Commandment‘ wurden ein echter Evergreen, ebenso das wunderbare ‚Love Is A Shield‘ vom Nachfolger- und wohl stärksten Album der Band CAMOUFLAGE Methods of Silence.

Nach relativ erfolgloser Durststrecke in den 90ern kehrten MEYN, MAILE und KREYSSIG mit dem Langzeitprojekt Sensor 2003 wieder auf die Bildfläche zurück. Wiederum reichlich drei Jahre gingen ins Land; und nach erneutem Labelwechsel erschien just das neue Album mit dem fast programmatischen Titel Relocated, das einmal mehr zeigt, dass die Deutschen zu Unrecht wenig Bewunderung im Gegensatz zu ihren britischen Heroen erfuhren. Und vielleicht ist es eine Art Ironie des Schicksals, dass CAMOUFLAGE mit Andauern ihrer mittlerweile über zwanzigjährigen Bandgeschichte der Musik von Depeche Mode immer näher kommen. Relocated jedenfalls ist ein Album, wie es Gore & Co. besser nicht hätten machen können.

So eröffnet dann ‚We Are Lovers‘ den Reigen eleganter Popstücke der übrigens mittlerweile in Berlin beheimateten Band und zeigt, dass Synthiepop anno 2006 zwar genauso aber eben aus kommerzieller Sicht nicht genauso gut funktioniert wie vor ca. 20 Jahren. ‚Motif Sky‘, die erste Single, hätte dann auch zu jener Zeit mindestens das Zeug zum Chartbreaker gehabt. Heute haftet dieser Musik ein wenig Hausstaub an, was der ganzen Sache aber nicht den Charme nimmt. Erst Recht nicht, wenn man mit dem Synthiepop der 80er und frühen 90er groß geworden ist.

Die musikalische Zeitreise (durch das Depeche Mode-Gesamtwerk) findet ihre Fortsetzung in ‚Passing By‘, das stellenweise verdammt nach ‚It’s No Good‘ klingt oder in ‚Confusion‘, bei dem man Gahan höchstpersönlich hinter dem Mikrofon vermutet. Die zu Beginn ertönenden Melodiebögen von ‚The Pleasure Remains‘ hätten auch vom DM-Hit ‚Precious‘ stammen können. ‚Bitter Taste‘ ist Martin Gore in Rein- und Bestform. Die Liste ließe sich fortsetzen…

Dennoch: CAMOUFLAGE schaffen den Spagat. Dass sie mehrheitlich wie eine deutsche Ausgabe von Depeche Mode klingen, muss man MEYN, MAILE und KREYSSIG wohl nicht mehr sagen. Es hängt ihnen vermutlich auch zum Hals raus. Allerdings gibt es auf Relocated auch Tracks, die die Eigenständigkeit des Trios – trotz der vielen Parallelen mit DM – ausmachen. Dazu gehören das kraftvolle und erhabene ‚There’s Something Wrong‘ oder das fast epische, opulent instrumentierte ‚How Do You Feel?‘.

Seit jeher gibt es unzählige Bands, die so klingen wollen wie Depeche Mode. Das geht mehrheitlich komplett in die Hose. Und es gibt CAMOUFLAGE. Die machen es so gut, dass sich Relocated problemlos in der grandiosen Discografie von DM wiederfinden könnte.

CAMOUFLAGE
Relocated
(Synthetic / SPV)
VÖ: 25.08.2006

www.camouflage-music.com

CAMOUFLAGE spielen live am 01.10.2006 im Postbahnhof.

Autor: [EMAIL=jana.schuricht@b-i-b.de?Subject=Kontakt von der Website]Jana Schuricht[/EMAIL]

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