CRYSTAL ANTLERS am 16.02.2009 im Magnet Club


Die verrückte Teeparty ohne Alice im Wunderland, dafür aber mit durchgeknallten Schornsteinfegern.



CRYSTAL ANTLERS aus Long Beach machten vergangenen Montag auf ihrer Europatour erstmals Halt in Berlin. Was man bisher über die kalifornischen Newcomer, von denen drei übrigens immer noch nebenher als Schornsteinfeger arbeiten, gehört hatte, weckte einige Erwartungen: ausverkaufte Häuser in London, spektakuläre Live-Auftritte und Ikey Owens (The Mars Volta) als Produzent ihrer Debüt-EP.

Eine für einen Montagabend und eine Newcomerband recht anständige Menge hatte sich im Magnet versammelt. Zumindest die ersten Reihen schienen treue Anhänger der Band zu sein, was sich später bestätigen sollte, als die Lyrics Wort für Wort mitgesungen wurden. Was dann geschah, lässt sich nur schwer in Worte fassen. Versuchen wir es dennoch: Die vier Jungs um Frontsänger Johnny Bell betraten die Bühne ohne großes Tamtam und begrüßten die Konzertbesucher wortlos mit einem anschwellenden Instrumental, das schon mal auf das, was noch folgen sollte, einstimmte. Wohl dem, der Oropax dabeihatte, denn die „noisy soul music“, wie die Band ihren Sound betitelt, ist laut. Sehr laut. Die Energie der Band ist enorm und manchmal fast schon ein bisschen zu mächtig. Kein Wunder, dass sich Drummer Kevin Stuart noch vor dem ersten Trommelschlag sein „Black Flag“-T-Shirt vom Körper riss – es sollte nicht nur ihm heiß werden an jenem Abend.

Jedes Bandmitglied ging körperlich fast bis an seine Grenzen, schüttelte den Kopf, die Hüften und die Arme. Führend in Sachen körperlicher Fitness war erwartungsgemäß Percussionist Damian Edwards, besser bekannt als „Sexual Chocolate“, übrigens der einzige, der wirklich den Kontakt mit dem Publikum suchte und auf fast schon beängstigende Weise dauergrinsend in die Menge blickte. Ob Johnny Bells reduzierte Kommunikation Einstellungssache oder Malheur war, ließ sich nicht endgültig klären; allerdings litt er an Stimm- und Halsproblemen, wie er, brav am Pappbecher mit Beuteltee nippend, verlauten ließ.

CRYSTAL ANTLERS spielten knackige vierzig Minuten ihre Punk-Noise-Garage-Soul-Songs mit einer gehörigen Portion Hammondorgel von der Debüt-EP EP und einige neue Stücke aus dem in Bälde folgenden Longplayer Tentacles. Dass die Lieder Schlag auf Schlag folgten und sich größtenteils in Länge und Charakter ähneln, ist nicht schlimm, im Gegenteil, können einige Songs doch ganz besonders hervorstechen, wie ‚Until The Sun Dies, Part 2‘ oder ‚A Thousand Eyes‘, das fast so etwas wie eine Offenbarung ist. Ein Extra-Blues-Schmankerl dieses Auftritts: das Bob-Dylan-Cover ‚It’s All Over Now, Baby Blue‘ („Them“, einpacken!).

So schnell wie es begonnen hatte, war es auch schon wieder vorbei. „Niemals gehe ich dort wieder hin, sagte Alice, das war die dümmste Tee Party, auf der ich jemals war!“ Wir sollten es nicht mit dem kleinen Mädchen aus dem Wunderland halten. CRYSTAL ANTLERS haben sicherlich nur 50% ihres Könnens an jenem Montagabend gezeigt, und allein das macht eigentlich schon Lust auf mehr. Drummer Kevin Stuart und Gitarrist Andrew King waren ebenfalls zufrieden „It was great. This is our crowd!“ Die Zeiten als Schornsteinfeger dürften also endgültig gezählt sein.

www.myspace.com/crystalantlers

Foto: © Darren Lee
Autor: [EMAIL=sandra.wickert@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Sandra Wickert[/EMAIL]

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