DEAR READER – Replace Why With Funny


Johannesburg, Südafrika ist das neue Portland, Oregon.



„We live in fear all the time“, so Sängerin Cherilyn MacNeil vom südafrikanischen Trio DEAR READER. Kein Wunder, gilt deren Homebase Johannesburg als eine der gefährlichsten Städte der Welt. Bald zwei Jahrzehnte nach dem Ende der Apartheid sind Raubüberfälle, Carjacking und Mord an der Tagesordnung. Die weiße Minderheit verbarrikadiert sich in ihren „Gated Communities“, während in den Townships der tägliche Kampf ums Überleben tobt. Doch DEAR READER lieben ihre Heimat genauso, wie sie sich manchmal von ihr wegwünschen. Diese Ambivalenz spiegelt sich in den zehn Liedern ihres ersten Albums unter diesem Bandnamen, zumindest, wenn man sich die Mühe macht, genau hinzuhören.

Auf den ersten Blick, oder besser, beim ersten oberflächlichen Anhören, kommt Replace Why With Funny als zuckersüßer, orchestraler Folkpop daher, dessen Herkunft man eher in Richtung Nordamerika als im tiefen Süden Afrikas verorten würde. Die klare, bezaubernd schöne Stimme MacNeils, die einfachen Melodien, das harmonische Klavierspiel und die Überdosis an Gefühl erwärmen das Herz und laufen fast Gefahr, zur kitschigen Mädchenmusik zu verkommen. Zum Glück aber eben nur fast, denn statt einer Betriebsblindheit weiß die Band, die neben der Sängerin und Klavierspielerin noch aus ihrem Freund und Keyboarder/Gitarrist/Soundmixer Darryl Torr und dem Drummer Michael Wright besteht, um diesen Umstand und spielt geradezu damit. „Naiv“ nennen sie ihre Musik und „von der Sonne beeinflusst“.

Im Gegensatz zu den leichten, warmen Melodien sind die Songtexte oft von einer düsteren Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit geprägt, die zwar aus einem persönlichen Gefühl erwachsen sind (Cherilyn trennte sich während dieser Zeit von ihrem damaligen Freund), aber durchaus auch auf die aktuelle Situation in Südafrika passen – auch wenn die Band Wert darauf legt, dass ihre Lieder nicht aus einem politischen Verständnis heraus entstehen. „I’m so afraid/can’t find a way out/and it’s making me ill./My heart is black, my heart is dark and full of doubt“ aus dem Song ‚Out Out Out‘: Liebeskummer oder Manifestation einer Zerrissenheit zwischen Entfremdung und Heimatverbundenheit? Deutlicher wird es da schon bei ‚The Same‘: „Land, land of my birth/are you my mother/or am I an orphan?“

Replace Why With Funny, produziert von Brent Knopf, Frontmann von Menomena und Mitverantwortlicher für den typischen Portland-Folkpopsound, wurde in kaum mehr als zwei Wochen eingespielt – und das in einem ganz besonderen Ambiente. Den Texten, nicht der Melodie, hört man an, dass sie eben nicht unter der Sonne Afrikas entstanden sind. Das Rundfunkhaus der South African Broadcasting Company, ein ummauerter Studiokomplex im Herzen Johannesburgs, einem Hochsicherheitstrakt nicht unähnlich, diente als Rückzugsort, in dem angstfrei kreatives Schaffen entstehen konnte. In John Boormans Film „Country Of My Skull“, der sich mit dem Neubeginn Südafrikas nach der Abschaffung der Apartheid beschäftigt, zieht Juliette Binoches Charakter Anna Malan am Ende das Fazit: „Because of you, this land no longer lies between us but within. In the cradle of my skull it sings, it ignites my tongue. Five thousand stories are scorched on your skin“.

DEAR READER sind eine südafrikanische Band, ohne dass sie dafür auf traditionelle musikalische Elemente zurückgreifen müssen. Ihre Heimat inspiriert sie zu wunderschönen Melodien, melodramatischen Texten und ausladenden Arrangements. Es geht um die kleinen, großen Gefühle, um die Verletzlichkeit der Sängerin und die Verwundbarkeit eines Landes, das ihnen zugleich vertraut und fremd ist. Cherilyn MacNeil leiht diesem Widerspruch ihre elysische Stimme und hat hoffentlich noch weitaus mehr als fünftausend Geschichten für uns in petto.

Ein besonderes Geschenk von DEAR READER:

Das gesamte Album kann unter folgendem Link angehört werden:
http://www.cityslang.com/ecards/dearreader/dearreader_de/swf

DEAR READER
Replace Why With Funny
(City Slang/ Universal)
VÖ: 20.02.2009

www.dearreadermusic.com
www.myspace.com/dearreadermusic
www.cityslang.com

Autor: [EMAIL=sandra.wickert@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Sandra Wickert[/EMAIL]

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