DELBO – Berliner Act des Monats Juni 2006


„Letztendlich ist diese Band nicht dazu da, so vielen Leuten wie möglich zu gefallen.“ DELBO im Interview.



BiB: Erstmal zwei „komische“ Fragen zu Beginn… Das erste betrifft die Vergangenheit, die zweite ist eine alberne Spekulation unseres Redakteurs Ecke, der mir diese Frage mit auf den Weg gegeben hat. Zunächst: Könnt Ihr mir eigentlich das Leistenbruch-Tape „Blumen im Blühen“ noch irgendwie beschaffen? Ihr würdet mich sehr glücklich machen…

Daniel: Ich weiß nicht, ob wir die nötigen Rohbestandteile für das Tape noch irgendwo rumzuliegen haben, da müsste ich mal nachschauen. Aber wenn es auch eine CD-R tut, wäre es ein leichtes.

BiB: In ‚Saldo‘ heißt es: „Sie fragt mich nach Farben und ich antworte in Zahlen.“ Und vielleicht liegt unser Redakteur Ecke mit seiner Spekulation zu Eurem Bandnamen daher gar nicht so falsch mit seiner mathematischen Spitzfindigkeit.
Also: er stellt eine Verbindung zwischen den beiden Bandnamen DELBO und ELBOW her. Das „ELBO“ haben beide im Namen, wobei Euer erster Buchstabe der vierte Buchstabe des Alphabets von vorn ist, bei ELBOW hingegen der letzte Buchstabe der viertletzte Buchstabe des Alphabets ist. Komische Theorie? Hat er gar recht oder was hat es mit Eurem Bandnamen tatsächlich auf sich?

Daniel: Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Fetzt aber! Es steht jedoch keine Mathematik dahinter. Aber vielleicht sollte ich Elbow mal schreiben. Immerhin haben wir unsere ersten zwei Alben ungefähr zeitgleich mit Alben von Elbow veröffentlicht. Diesmal waren wir leider etwas zu langsam.

BiB: Nun aber erst mal Gratulation zum hervorragenden neue Album! Was glaubt Ihr, wie viele Menschen haben den Bleistift genommen, um den Text auf der Coverrückseite sichtbar zu machen? Letztendlich ist auch dort (wie schon bei „innen / außen“) nichts – abgesehen von den Songtiteln und den Mitwirkenden – außer einem „Danke“ zu lesen. Eure Texte sind so wunderbar. Warum druckt Ihr sie nicht ab?

Daniel: Ersteinmal vielen Dank. Ich glaube nicht, dass viele sich mit einem Bleistift an die Arbeit machen. Nach meiner Erfahrung ist die Hemmschwelle irgendwie zu groß, auf CD-Covern rumzukritzeln (andererseits werden wir oft gebeten, Autogramme mit dicken Eddings auf die Cover zu schreiben. Das tut schon weh…). Es macht allerdings Spaß, bei Konzerten zu beobachten, wie das Cover so aufgenommen wird. Vom ersten Eindruck, eine s/w-kopiertes Hülle abbekommen zu haben bis zu dem Punkt, an dem es dann klar wird. Manche Leute gucken sich auch erstmal ihre Finger an, wenn sie das Cover in der Hand hatten. Es steckt zum Glück etwas mehr hinter der scheinbaren Langweiligkeit. Die Texte drucken wir nicht extra ab, weil sie in unseren Augen ein Teil der Musik sind. Ich, als derjenige, der sie schreibt, habe auch das Gefühl, dass sie ohne die Musik gar nicht richtig funktionieren oder zum Punkt kommen können.

BiB: Die Reaktionen auf Euer neues Album reichen von Unverständnis bis hin zur Euphorie. Womit habt Ihr gerechnet und wie geht Ihr mit Kritiken wie z.B. „Mir fehlen bei DELBOs drittem Album genau drei Dinge: die Mitteilung, das Gefühl und vor allem die Dringlichkeit.“ (www.bloom.de) um?



Daniel: Wir haben eigentlich mit allem gerechnet. Auf der einen Seite waren und sind wir sehr begeistert von der Musik. Auf der anderen Seite haben uns einige unserer besten Freunde ihre Entäuschung zum Ausdruck gebracht. Allerdings kam dann fast immer nach zwei oder drei Wochen ein Anruf oder so: O.K. jetzt hab ich’s. Wir wissen, dass das Album ein bisschen Zeit und Auseinandersetzung benötigt. Und die hat man als Rezensent leider nicht immer. Deswegen haben wir mit viel mehr negativen Reaktionen gerechnet. Aber man schätzt Leute eben immer wieder zu leicht als oberflächlich ein. Dass das offensichtlich auch anders geht, ist eine schöne Erfahrung. Ansonsten ist es natürlich ärgerlich, über etwas, in dem so viel Herzblut steckt, zu lesen, es fehlten Mitteilung, Gefühl und Dringlichkeit. Die genannte Rezension trifft auch ziemlich gut das, was wir an negativer Kritik, sofern man das sagen kann, erwartet haben. Der beleidigte Teil in mir sagt: Die Pfeife hat es nicht richtig gehört. Der besonnene Teil sagt: Musik ist eben Geschmackssache. Letztendlich ist diese Band nicht dazu da, so vielen Leuten wie möglich zu gefallen.

BiB: Was fandet Ihr das Schönste, was bis jetzt über Euch geschrieben wurde bzw. wo fühlt Ihr Euch tatsächlich verstanden?

Daniel: Mich haben die beiden Texte von Sebastian Cleemann (Kate Mosh, Anm. d. Red.) und Erik Langner (Kettcar, Anm. der Red.) sehr berührt. Zumal sie trotz des Auftrags, ein Info zu schreiben, mehr als das geworden sind. Sebastian von Sometree hat mir eine Nachricht geschickt: „Ich ziehe den Hut in Bewunderung. – und jetzt ist gut mit Arschkriecherei, pupsendes Deutschemopack. – love you“. Was ließe sich sonst noch sagen?

BiB: Wie würdet Ihr rückblickend Eure ersten beiden Alben beurteilen? Welche „alten“ Stücke mögt Ihr besonders? Und was unterscheidet DELBO 2006 von DELBO im Jahr 2001?

Daniel: Am Anfang war das Stückeschreiben einfacher, weil wir einfach losgelegten und auch noch keine so klare Vorstellung davon hatten, wie die Musik sein sollte. Außerdem waren Musik und Texte wesentlich mehr unbeschwert. Ich denke, dass wir ab „Innen/Außen“ den Weg gefunden haben. Sehr gerne von den ganz alten Dingern spielen wir noch „Werkzeugin“ und „Sniffty“. Die haben sich gut gehalten und für uns nichts an Faszination eingebüßt. Auf „Innen/Außen“ gibt es noch kaum etwas, das schon runtergefallen ist, zumindest nicht in der kollektiven Wahrnehmung.

BiB: Wie funktioniert bei DELBO das Songwriting und die Studioarbeit? Gibt es beispielsweise den Moment, wo alle das Gefühl haben, dass dieser Rhythmus, diese Melodie oder dieser Übergang einfach perfekt ist? Seid Ihr Perfektionisten?

Daniel: Wir spielen immer zusammen drauf los, bis zu dem Punkt, an dem uns allen die Haare hoch gehen. Es gibt immer so einen Moment, an dem alle „AH“ sagen und beseelt vor sich hin grienen. Bis dahin ist das alles sehr intuitiv. Dann kommt der Kleinkram, der kann schon sehr lange dauern und zermürben. Aber auch da hat man irgendwann den Knoten zerschlagen und es wird noch besser. Wir reden schon sehr viel über die Musik, aber als Perfektionisten würde ich uns nicht bezeichnen. Eher als Enthusiasten.

BiB: Ihr steht in den Startlöchern für Eure Tour, ca. 20 Konzerte und das fast täglich. Tobias – wie bereitest Du Dich auf eine Tour mit zwei Bands (DELBO, Klez.e) vor? Wie viele Stunden hat Dein Tag eigentlich oder wie ist das Geheimnis Deines Zeitmanagements, wenn man bedenkt, dass Du neben Deiner Tätigkeit als Musiker auch als Produzent sehr beschäftigt bist?

Tobias: Eine Vorbereitung dazu gab’s nicht. Ich weiß auch nicht, wie das alles zeitmäßig funktioniert. Gerade in der ersten Hälfte des Jahres, hat sich durch den Studioumzug und dem damit verbundenen Studiobau, einiges angesammelt. Ich habe bis direkt an den Tourabfahrtstag gearbeitet, um alles zu schaffen. Demnach hat mein Tag oft gefühlte 30 Stunden. Aber das macht so viel Spaß und wenn dann jetzt gleich so 6 neue Platten veröffentlicht werden, die alle im Radio Buellebrueck aufgenommen wurden, dann gibts für die viele Arbeit ein tolles Gefühl zurück.

BiB: Man könnte Stunden damit verbringen, das Sinnbus&Co.-Netzwerk „aufzudröseln“. DELBO, Klez.e, Torchous, Kate Mosh, Seidenmatt… um nur einen Bruchteil der Bands zu nennen. Wo ist eigentlich die „Urzelle“ dieses großartigen Musikernetzwerks zu verorten?



Daniel: Eigentlich in Karlshorst und dem dortigen Freundeskreis. Oder noch früher, auf den Konzerten von Evelyns Pörk, um mal ganz unverblümt zu prahlen. Aber das betrifft nur die Leute, die sich damals so kennengelernt haben, und auch das ist natürlich viel zu ungenau. Richtig los ging es ja viel später erst und an anderer Stelle.

BiB: Könnt Ihr Bands nennen, die Euch in der Vergangenheit und heute nachhaltig beeindruck(t)en und damit die Musik von DELBO beeinfluss(t)en? Wer sind Eurer Meinung nach wichtige (deutschsprachige) Bands? Und — Bands aus dem Sinnbus- und Garage Pankow-Umfeld mal ausgenommen — gibt es gute Berliner Bands, die wir kennenlernen sollten?

Daniel: Beeinflusst haben uns ohne Frage The Cure, Fugazi, ältere Blumfeld, Notwist, Karate. In jüngerer Zeit Blonde Redhead oder so ein paar ältere französiche Sachen. Ein bisschen haben wir uns auch bei den Bands bedient, bei denen wir in der letzten Zeit so mitgemacht oder ausgeholfen haben: Torchous, Kate Mosh, Klez.e, Gaston. An deutschsprachigen Bands möchten wir unbedingt die ganzen Braunschweiger erwähnen: Raketenhund, Grätenkinder, Tchi (die ja jetzt auch gerade ein neues Album veröffentlichen), Kippen. Sehr hingezogen fühlen wir uns weiterhin zu Sometree oder Hidalgo. Und natürlich zu all den Bands, die wir aufgrund der Fragestellung nicht nennen dürfen… Aus Berlin finde ich persönlich sehr gut: Ter Haar. Auch Condre SCR. Oder Semuin, auch wenn das keine Band ist.

BiB: Themenwechsel. Werdet Ihr die Fußball-WM verfolgen? Wer wird Weltmeister und wie findet Ihr den offziellen WM-Song von Herbert Grönemeyer „Zeit, dass sich was dreht“? Schrecklich, oder?

Daniel: Die WM spielt für uns keine große Rolle. Fisch und Fil von Klez.e sind die einzigen, die für den 09.06., wenn wir unser letztes gemeinsames Tourkonzert in Reutlingen spielen, einen Fernseher für den Backstagebereich verlangt haben. Wir finden im großen und ganzen Fußball gut, der nichts kostet.
Und das Lied kenn ich gar nicht. Hab gerade mal in die Runde gefragt. Fil von Klez.e schüttelt eher mit dem Kopf und macht ein Zitronengesicht.

BiB: Vielen Dank für das Interview! Wir wünschen Euch viel Erfolg für die Tour, großartige Konzerte und – überhaupt – alles Gute!

Daniel: Danke ebenfalls. Und bis bald!

www.delbomat.de

Fotos: © DELBO
Autor: [EMAIL=jana.schuricht@b-i-b.de?Subject=Kontakt von der Website]Jana Schuricht[/EMAIL]

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