Die Hamburger setzen auf Reduktion und behaupten ihren Platz im irdischen Musikgeschehen.
Konnte man zwischenzeitlich schon mal den Eindruck gewinnen, dass sich DIE STERNE nach ihrem 96er Meisterwerk Posen (mit dem Hit ‚Was Hat Dich Bloß So Ruiniert‘) zu sehr in einer kosmischen Orientierungslosigkeit verzettelt hatten, fanden sie auf Irres Licht (2002) langsam aus der Dunkelheit heraus und näherten sich schon wieder ansatzweise ihrer alten Klasse.
Nach der Bilanzierung ihres bis dahin zehnjährigen Schaffens auf Live Im Westwerk stehen sie nun also erneut in den Startlöchern, um ihren Platz in der hart umkämpften irdischen Musik-Landschaft zu behaupten, schließlich „ist das Weltall zu weit, und der Rest ist schon verteilt“.
Dominierte auf Irres Licht größtenteils eine ziemlich fett produzierte und mitunter clubtaugliche Opulenz, hatte sich die Band die Rückkehr zur Einfachheit und eine insgesamt wieder stärker angesagte Reduktion in produktionstechnischer und textlicher Hinsicht als Ausgangspunkt für die Aufnahmen des neuen Albums auf die Fahnen geschrieben. Aufgenommen ohne Produzent in drei Aufnahmesessions im bandeigenen Kellerstudio, zelebrieren DIE STERNE nun also eine betont abgespeckte Variante ihrer immer noch charakteristischen Ingredienzien aus zwölf Jahren Bandgeschichte.
Der Opener ‚Was Ist Hier Los‘ weist gleich den neuen Weg, kommt rockig und frisch-forsch daher und erinnert seit langem mal wieder auf angenehme Weise an frühere, auch mal dominante Gitarrenriffs auffahrende Songs wie seinerzeit beispielsweise in ‚Die Interessanten‘. Die Single ‚In Diesem Sinn‘ überzeugt als flotte, Bläser-verstärkte Beatpop-Nummer, ‚Sie Werden Dafür Bezahlt‘ besticht mit der obligatorischen STERNE-typischen Funkyness, ‚Hau Drauf Und Hau Ab‘ klingt dagegen genau so rotzig und aufrüherisch, wie es der Titel suggeriert, und ‚Hier Kommt Die Kaltfront‘ orgelt mit launiger Vehemenz. Doch auch gefühlvoll-groovende Stücke wie ‚Du Schwingst Im Wind‘ oder das wunderbar lakonische ‚Wir Sind Wie Du‘ fehlen auf Das Weltall Ist Zu Weit keineswegs.
Insgesamt kommt das alles in der Tat eine Spur reduzierter, weniger elektronisch und einfach rockorientierter als auf den letzten Alben rüber, integriert aber auch immer gerne Bezüge zur eigenen (frühen wie jüngsten) Vergangenheit.
Die in FRANK SPILKERS Texten Einzug gehaltene neue Transparenz und Direktheit, die diesmal zweifellos explizit als politisch korrekte Haltung verstanden werden will und wird, kann allerdings nicht immer überzeugen, da die durchgängig bemühte und etwas aufgesetzt rüberkommende ‚Wir/Ihr‘ –Dichotomie und das ständige Beackern der dazugehörigen semantischen Felder angesichts der Reife der Band nicht zwingend plausibel erscheint und auf Dauer etwas langweilt. Die sicherlich nachvollziehbare und angebrachte Kritik an den herrschenden politischen Verhältnissen in Form eines ungewohnt plakativen und sloganhaften Jargons orientierungsloser Adoleszenz sowie die des Öfteren etwas zu vohersehbaren und platten Reimauswüchse überraschen bzw. verunsichern doch das eine oder andere Mal.
In diesem Sinne ist auch das aus der Idee einer Sitzblockade geborene, psychedelisch angehauchte ‚Wir Rühren Uns Nicht Vom Fleck‘ zu verstehen, in dem eine Vielzahl befreundeter Musiker wie u.a. THEES UHLMANN, JUDITH HOLOFERNES oder FETTES BROT den Chor der Gleichgesinnten verstärken.
Das entspannt beginnende, jedoch in offener Dissonanz endende ‚Wir/Ihr‘ bildet dann den Schlusspunkt eines musikalisch abwechslungsreichen, wieder -von den erwähnten Defiziten abgesehen- erstklassigen STERNE-Albums.
DIE STERNE
Das Weltall Ist Zu Weit
(V2 Records/ Rough Trade)
VÖ: 24.05.04