Die Thüringer Dark Metaller EISREGEN werden nicht müde, ihre Horrorstories zu erweitern. Es gibt schier unendlich vorstellbare Morde und so schließt Grenzgänger nahtlos an den Vorgänger (das Split mit GOATFUNERAL Bitterböse) an und das nicht nur bei eleganten Alliterationen.
Das Titelstück ist die Geschichte des realen Massenmörders Rudolf Pleil, die auch auf dem Cover zu sehen ist. In den frühen Nachkriegsjahren trieb er sein Unwesen im Harzer Grenzgebiet. Sein Spitzname „Totmacher“ scheint die Band seit langem zu faszinieren. So kommt die fast kindliche Verniedlichung fürs Morden „tot machen“ in vielen ihrer Texte vor. Sänger MICHAEL ROTH spielt hier zu Deutschrock gern den Gruselerzähler. Zu Piano darf er später dann auch über „Die Frau Im Turm“ berichten.
Um die Erinnerung an die glorreich-finstere Vergangenheit nicht verlöschen zu lassen, kommt „In Einzelteilen“ als uninspirierter German Dark Metal daher. Nach dieser Pflichtübung wird es in „Für Den Kaiser“ zum ersten Mal stimmungsvoll und melodiös. Dieser Gothic-Rocker soll römisches Gladiatorentum verherrlichen, klingt aber eher nach altdeutschem Palavern vom Kaiserreich.
Peinlicher wird dann erst „Wiedergänger“ samt Mädchengesang, für das übrigens ALEXANDER KRULL (ATROCITY, LEAVES‘ EYES) das Video gedreht hat. „Gegengift“ wurde gemeinsam mit MARTIN SCHIRENC von den österreichischen Metallbands HOLLENTHON und PUNGENT STENCH aufgenommen. Dieser sang schon bei „Mein Eichensarg“ und spielte Flöte für „Flötenfreunde“.
Hart und konsequent stellt sich dagegen die Extreme-Metal-Götterfantasie „Als Ich Noch Kinder Fraß“ über einen blutdürstenden Götzen dar. Jene Menschenopferpraxis, von der sich der jüdische Gott der Bibel in der Isaak-Geschichte lossagt, wird hier betrauert. Stattdessen töten sich die Menschen nun gegenseitig mit Krieg und Völkermord: „Die Bestie Mensch wurde selbst ihr eigner Gott. […] Die Welt ist ein einziges Schafott.“
Auch Roths berüchtigte Snuff-Träume werden ordentlich dreckig in „Vom Loch-in-der-Wand-Club“ realisiert. Hier gibt man sich gruselig vollkommen der Gewalt hin. Genauso werden wieder einmal Frauen in böse-realistischer Lyrik umgebracht und konserviert wie bei „Kühlkammer“.
Ganz schön vielfältig diese Metaller. Das Durcheinander aus Motiven, Zeitaltern und Geschichten verwirrt den Hörer allerdings eins ums andere Mal. Zu den 12 Albumtiteln treten in der Deluxe-Version noch weitere fünf Songs als Ein Jahr im Leben des Todes. Für diese muss man aber eingefleischter Eisregen-Fan sein. Denn Mensch-Tier-Gleichsetzungen wie bei „Blutsommer“ gefallen sonst vor allem PETA-Aktivisten und ein neues „Erscheine!“ („Wintersabbat“) ist ebenfalls überflüssig.
Eisregen
Grenzgänger
(Massacre Records/Soulfood Music)
VÖ: 13.01.2023
Live
19.05.23, Hannover, Subkultur