Nothing’s gonna change my world…
Es ist das alte Lied von der Arena in Treptow: matschiger Sound und für Bands wie ELEMENT OF CRIME denkbar unpassend und zu groß. Nun ist es unsinnig, darüber weiter zu lamentieren, denn als Konzertgänger weiß man, was einen in der ehemaligen Omnibushalle der Berliner Verkehrsbetriebe an Ortstypischem erwartet. Apropos Erwartungen. Die waren groß, und so strömten an die 3000 Besucher aller Altersklassen in die Arena: zum Heimspiel und Abschlusskonzert der Mittelpunkt der Welt-Tour von ELEMENT OF CRIME.
Den pünktlichen Auftakt um 20 Uhr bereiteten HOME OF THE LAME, im wesentlichen Sänger und Gitarrist FELIX GEBHARD, der live von KAI OLDENBÜTTEL (Schlagzeug), KAI BEWERSDORF (Gitarre, Keyboard) und ALI ‚KAI‘ BÖLL (Bass) unterstützt wird. Im Unterschied zu ihren Labelkollegen bei Grand Hotel van Cleef Tomte und Kettcar singen HOME OF THE LAME auf englisch; musikalisch gab es an diesem Abend durchaus zünftigen Alternative Poprock, mit melancholischer Grundstimmung und einer heiser-grummelnden Stimme von GEBHARD, der abschließend verkündete, wie dankbar sie seien, diese Tour gemeinsam mit EOC bestritten zu haben und dass sie eine Menge Spaß dabei hatten. Die undankbare Aufgabe eines „Einheizers“ (!) für ELEMENT OF CRIME (!!!) jedenfalls absolvierten sie mit Würde und Solidität.
Kurze Umbaupause und dann war es auch schon soweit: SVEN REGENER (Gesang, Gitarre, Trompete), JAKOB ILJA (Gitarre), DAVID YOUNG (Bass) und RICHARD PAPPIK (Drums) betraten unter tosendem Beifall die Bühne, um ohne Umschweife und langes Gerede, das Publikum in die ‚Straßenbahn des Todes‘ mitzunehmen. Bei der derzeit wohl meistzitierten EOC-Textpassage „Wo die Neurosen wuchern, will ich Landschaftsgärtner sein…“ stimmten dann auch alle, Textsicherheit vorausgesetzt, lauthals ein. Schön, dass der aktuellen Platte Mittelpunkt der Welt auf der gleichnamigen Tour der entsprechende Platz eingeräumt wurde. ELEMENT OF CRIME spielten ausnahmslos alle zehn Songs ihres 2005er-Albums, und das fand ich ganz wunderbar, hinreißend, grandios…
Dabei war die Dramaturgie des Konzertes perfekt, und so streuten REGENER & Co. immer wieder ältere Stücke der Band ins Set, angefangen bei ‚Immer unter Strom‘ bis hin zu englisch sprachigen Titeln wie eine herausragende neue Version von ‚Tumblin‘ Tumbleweed‘. Dazwischen versuchte sich REGENER als Ansager, was wie immer nicht funktionierte oder eben ‚weil es nicht funktionierte‘, dann doch passte. Ab und an der seit 2001 obligatorische „Schlachtruf“: „Romantik!“ und angesichts der gänzlich unromantischen Örtlichkeit Arena entbehrte das nicht einer gewissen tragischen Komik, die einmal mehr Herrn Lehmann im Kopf durchs Bild stolpern ließ: auf der Bühne und im Publikum. Dort sah man vereinzelt T-Shirts mit dem Aufdruck: „Too old to die young“, was ich ganz entsetzlich finde, schließen sich doch ELEMENT OF CRIME und das sogenannte „Sloganeering“, wie man es beispielsweise von den verehrten Hamburger Kollegen von Tocotronic kennt, eigentlich aus. T-Shirts, Merchandising, Videos und EOC?: dieser ganzen Maschinerie haben sich ELEMENT OF CRIME größtenteils bisher verweigert. Um so überraschender ist es, dass das Konzert in Berlin (und in Köln (19.03.06, Palladium)) in Bootleg-Qualität mitgeschnitten wurde und bei iTunes zum Download angeboten wird.
Musikalisch jedenfalls war an diesem Abend alles wunderbar, allen voran JAKOB ILJAs delikates und für den Sound von ELEMENT OF CRIME so prägendes Gitarrenspiel. DAVID YOUNG am Bass ging fast stoisch seiner Tätigkeit nach, RICHARD PAPPIK am Schlagzeug unspektakulär, aber effektiv. Ab und an griff REGENER unter großem Beifall zur Trompete, die wie nichts anderes den EOC-Kosmos zwischen Neurose und Paranoia, zwischen verletzter Liebe und „Edeka des Grauens“, zwischen Berlin und Delmenhorst transportiert. Und als REGENER dann im vorläufigen Finale sang: „Ich bin der Wischmop für die Tränen und der alte Hund, der für dich beißt und bellt / Wo deine Füße stehen, ist der Mittelpunkt der Welt.“ wünschte ich mir doch (mindestens) ein T-Shirt von ELEMENT OF CRIME…
Viermal kamen sie zurück auf die Bühne, um schlussendlich mit ‚Across The Universe‘ (The Beatles, 1970, Album Let It Be) und der minutenlangen Repetition des Refrains auch die letzten Rufe nach einer weiteren Zugabe verstummen zu lassen. „Nothing’s gonna change my world“. Von mir aus hätte es noch ewig so weitergehen können.
www.element-of-crime.de
www.homeofthelame.com
Fotos: © 1-3: Michael Kellenbenz, 4: Petra A. Bauer
Autor: [EMAIL=jana.schuricht@b-i-b.de?Subject=Kontakt von der Website]Jana Schuricht[/EMAIL]