FEHLFARBEN am 03.02.2003 in der Volksbühne


Die FEHLFARBEN luden wegen der großen Nachfrage zu einem dritten Konzert in die Volksbühne, um neben Klassikern ihr würdiges Comeback-Album Knietief im Dispo zu präsentieren.

Die als Support überraschend aufspielenden Punker von MALE (um den späteren KRUPPSler JÜRGEN ENGLER) hatten zunächst so ihre Schwierigkeiten mit der bestuhlten Atmosphäre in der Volksbühne, spielten nichtsdestotroz ihren knackig-klassischen Punk mit einer etwas zu penetranten Ernsthaftigkeit, als wär die Zeit stehengeblieben. Gerne verwiesen sie ständig auf die Eröffnung des SO 36 im Jahr 1978, bei der sie damals aufspielten (Geschichte!!). Natürlich gab es auch eine Reminiszenz an THE CLASH und deren kürzlich verstorbenen Frontmann JOE STRUMMER sowie einen kurzen Appetizer für den Hauptact in Form des angespielten Klassikers Ein Jahr (Es Geht Voran), der später von den FEHLFARBEN wegen der nervigen NDW-Assoziation nicht gespielt werden sollte.
Insgesamt ein ganz okayer und geschichtsträchtiger Comeback-Gig der Düsseldorfer, der allerdings ziemlich anachronistisch anmutete und in der Tat nicht unbedingt in die Volksbühne passte.

Gegen 22.15 Uhr betrat dann die siebenköpfige Mannschaft um PETER HEIN zu den bedächtigen Klängen von Das Leben zum Buch des aktuellen Albums die Bühne, und von eventuell erkennbaren Ermüdungserscheinungen infolge ihrer derzeit laufenden Tour bzw. des nunmehr dritten Auftritts innerhalb einer Woche in der Volksbühne war von Anfang an nun wirklich nichts zu spüren. Es fiel gleich die karnevalesk angehauchte Bühnendeko ins Auge, die im Gegensatz zu MALE bereits hier eine weitaus größere Selbstdistanz und ironische Herangehensweise erahnen ließ.

PETER HEIN erwies sich von Anfang an als sympathischer, unaufdringlicher Conferencier durch den Auftritt, bewegte sich teilweise ironisch divenhaft („Nennt mich Marlene“), aber stets äußerst agil über die Bühne, präsentierte sich stimmlich bestens in Form und kokettierte des Öfteren mit seinem rheinischen Dialekt, ohne allerdings als „Büttenredner“ fungieren zu wollen. In der Hauptsache sollte das Set logischerweise aus den Songs der drei Alben mit PETER HEIN als Sänger bestehen (Glut Und Asche sowie 33 Tage In Ketten wurden bis auf eine Ausnahme konsequent ausgespart), also aus Songs des Klassikers Monarchie und Alltag (1980), dem ersten Comeback Die Platte des Himmlischen Friedens (1990) sowie natürlich schwerpunktmäßig des aktuellen Albums Knietief im Dispo.

Klassiker wie Grauschleier und Das Sind Geschichten standen neben neuen Songs wie der Single Club Der Schönen Mütter, Rhein In Flammen oder Schnöselmaschine, und es war faszinierend zu beobachten, dass sich alles zu einem organischen Ganzen ergab, weil die Band es meisterhaft verstand, ihren älteren Songs einen dezent modernen Anstrich zu verleihen und sie souverän ins Jetzt zu transportieren. Treffend veranschaulicht wurde dies beispielsweise gegen Ende des regulären Sets, als das wunderbar groovende und mit schönen Gitarreneffekten versehene Nichts Erreicht meine Welt nahtlos in Die Wilde Dreizehn überging, um in einem Finale Furioso mit einem fulminanten Gitarren-Feuerwerk (überhaupt begeisterte das dynamisch-virtuose Zusammenspiel der beiden Gitarristen MICHAEL KEMNER und THOMAS SCHWEBEL) zu kulminieren.

Das animierte dann auch endgültig die Fans dazu, sich von den Plätzen zu erheben und sich in stehenden Ovationen zu ergehen. Danach folgte als Abschluss mit Paul Ist Tot ihr nach Ein Jahr (Es geht voran) wohl bekanntester Song, und spätestens da war die Volksbühne nicht mehr zu halten, während die Musiker am Ende des Songs nach und nach die Bühne verließen, bis schließlich nur noch THOMAS SCHWEBEL einen einsamen Akkord schrubbte (wozu er nach einem ziemlich heftigen Sturz über einen unglücklich platzierten Monitor am Beginn des Sets glücklicherweise noch in der Lage war).

Mit Ich Und Den Rest, Das War Vor Jahren und Sieh Nie Nach Vorn gab es dann einen Querschnitt aus den drei erwähnten Alben als ersten Zugabenblock, dem noch zwei weitere folgen sollten, bevor schließlich mit Die Internationale nach gut zwei Stunden endgültig Schluss war.

Die FEHLFARBEN boten in einer schönen Location eine wirklich tolle Live-Party, indem sie locker und entspannt eine überzeugende Mischung aus alten Klassikern und neuen Songs präsentierten, dabei trotz der brüchigen Bandhistorie eine homogene musikalische Einheit bildeten und in Anbetracht ihres fortgeschrittenen Alters (mit Ausnahme der nicht zur Ur-Besetzung gehörenden jungen Drummerin) auch nicht ansatzweise peinlich waren.
Dafür gebührt ihnen nach all den Jahren uneingeschränkter Respekt!

www.fehlfarben.de

Autor: [EMAIL=thomas.stern@b-i-b.de?Subject=Kontakt von der Website]Thomas Stern[/EMAIL]

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