GITARRE UND SCHRANK – Berliner Act des Monats März 2006


We’re fucking serious about the beer…





Bier, dieses komische Getränk, auch goldener Gerstensaft genannt, man weiß nicht genau, weswegen mehr Kriege geführt wurden, wegen der Religion, der Frauen, des (Waffen-)Öls oder dann doch wegen des Bieres? Bier trank ich natürlich auch im Maria als ich am 01.12.05 auf MELT BANANA wartete und mit einer Band konfrontiert wurde, die mir die musikalische Hoffnung in der Berliner Musikszene zurückgab. (Nachzulesen im MELT BANANA Bericht – siehe rechts).

GITARRE UND SCHRANK (im folgenden G+S genannt) zwei junge Männer, bewaffnet mit dem, was ihren Namen ausmacht. Apropos bewaffnet:

BiB: Warum schmiert man den Schrank mit Waffenöl (zu erwerben über die G+S Webseite)?

STEFAN: Erstmal ist Waffenöl das feinste Öl, das man benutzen kann, darüber hinaus fördert es die Aggressivität, und die Symbolik ist auch nicht zu verachten.

An Aggressivität fehlt es den Jungs im Gegensatz zu den unsäglichen Laptopausgeburten der Berliner Musikszene keinesfalls. Als hätten sich BOB LOG III und THERMOS MALLING den EL34 GROOVE patentieren lassen und sich wiedervereinigt um die DOO RAGsche Country-Attitüde gegen Happy-Metal–Grindcore auszutauschen. Doch so einfach haben es sich G+S nicht gemacht:



Geboren als Siamesische Zwillinge irgendwo in der dunkeldeutschen Gegend von Schleiz, wurden diese chirurgisch getrennt, als sich ihre Eltern zum selbigen mit ihrer Ehe entschlossen. GITARRE der damals noch DEACON hieß, wurde mit der Mutter aufgrund antisozialistischer Tendenzen nach Californien deportiert, dem man die Zeit dort noch ansieht und vor allem seinem charmanten Akzent anhört. Während SCHRANK, damals noch STEFAN und inzwischen der eher intellektuelle Typ, beim Vater blieb und von der kommunistischen Gemeinschaft Ost-Berlins infiltriert wurde.

Die Wende: DEACON kehrte mit 16 Jahren zurück nach Berlin, da er in Californien nicht noch fünf Jahre warten wollte, um legal Bier trinken zu dürfen. Wie es das Schicksal wollte, liefen sich die beiden im wiedervereinigten Berliner Dorfgefüge an einem Sonntag im August über den Weg und verliebten sich sofort ineinander. Ohne Kenntnis ihrer eigentlichen Bruderschaft (es handelt sich nicht um eineige Zwillinge) begannen die beiden eine homosexuelle Beziehung zu führen. Als es dann zum ersten Sex kommen sollte, fiel den Beiden auf, dass sie an der selben Stelle des Schienbeins eine Narbe aufwiesen. Im folgenden Gespräch erörterten sie, dass der jeweils andere der verschollene Siamesische Zwilling sein musste, und die aufkeimende Leidenschaft wandelte sich sofort in maßlose Bruderliebe. Die nächsten zwei Jahre verbrachten DEACON und STEFAN Arm in Arm, um die verpasste Bruderliebe nachzuholen. Doch da keiner der beiden in diesem Zustand in der Lage war, ein Instrument zu spielen, beschränkten sie ihre Beziehung von nun an auf streng platonische Grundsätze und entschlossen sich, wie es sich für kommende Rockstars gehört, heterosexuell zu werden – was sie eigentlich immer waren und sich nur wegen der Herrlichkeit des jeweils anderen umentschieden hatten.



Hier … Heute

Nach dem MELT BANANA Auftritt, der laut der Jungs eher ein lausiger gewesen sein soll…,

STEFAN: Ja, nach MELT BANANA haben wir auch die erste wirkliche schlechte Kritik bekommen – die mochten uns wirklich gar nicht.

DEACON: Der Schreiberling meinte irgendwie „… sie versuchen ihr Nichtkönnen mit platten Witzen zu überdecken.“ !?

…. , fühlte ich mich gezwungen, diese Band zum Act des Monats machen zu wollen. Nach kurzem, unspäktakulären Email-Kontakt war ausgemacht, dass sich diese für eine Kiste Bier zur Verfügung stellen würden und stellten mir frei, für zwei Kisten mehr, den Ort des Interviews in Schutt und Asche zu legen. Da das Interview letztendlich in ihrem eigenen Proberaum in Friedrichshain stattfand, entschloss ich mich zum Wohle von G+S, es auf eine Kiste Bier zu beschränken. Mir fiel beim Transport dieser auf, dass die Disposition und meine Körperhaltung in Verbindung mit meinem BIANCHI-Straßenrenner von Homosexuellen missgedeutet werden könnte, ich will mir gar nicht vorstellen, wieviel Schwule über mich hergefallen wären, hätte ich drei transportiert. Gottseidank war ich nicht in Mitte unterwegs.

In den Eingeweiden des Künstlerkollektivs und ehemaligen Postgebäudes der Palisadenstrasse 89 angekommen, wurde ich durch die verschachtelten Katakomben geführt. Nach einem kurzen Plausch über, wie soll es auch anders sein, Bierpreise und die Unverhältnismäßigkeit dieser in Verbindung der auszuschenkenden Mengen – explizit in ausländischen Kontexten, wurde ich gewarnt: Die langweiligste und unerwünscheste Frage, um das Interview zu beginnen, wäre: „Wie kommt man auf die Idee, auf einem Aktenschrank rumzutrommeln?“ . Also überlegte ich kurz und begann das Interview mit folgender Frage:



BiB: Wie kommt man auf die Idee auf einem Aktenschrank rumzutrommeln?

STEFAN: (überraschend kooperativ): Wir waren grade bei mir, als Deacon für „unsere“ Mutter ein Akustik-Geburtstagsalbum aufnehmen wollte (Es darf ausgeschlossen werden, dass DEACON damit auf Heintjes Spuren zu wandeln gedachte.), worauf ich, getrieben von Eifersucht auf das gute Verhältnis von Deacon zu unserer Mutter, anfing, auf einem der herumstehenden Aktenschränke, übrigens die Stradivary unter den Schränken – ein erstklassiges Modell 1963 Gothaer Metallwarenfabrik aus der „Konkursmasse“ der Lichtenberger Stasibehörde, herumzuhauen und einen Schlagzeug-Beat zu imitieren. Wir lachten beide sehr und vergaßen das Ganze auch ziemlich schnell wieder.

DEACON: Ca. ein halbes Jahr später auf der Flucht vor dem Berliner Winter saßen Stefan und ich bei Regen in einer Kneipe in Florenz, welche von einem Priester betrieben wurde und labten uns am örtlichen 02er Bier, wohlwissend, dass mehrere davon getrunken werden würden. Im Laufe des Abends kam es dann buchstäblich in uns hochgeblubbert. Wir haben doch … Wir wollten doch … und innerhalb von einer viertel Stunde war das Projekt geboren und unter Mithilfe des Kneipiers offiziell und mit dem Segen Gottes auf den Namen GITARRE UND SCHRANK getauft.

STEFAN: Weitere zwei Monate später, zurück in Berlin, wurden wir vom Fleck weg für die Geburtstagsparty eines Freundes gebucht. Noch ohne wirkliche Songs, aber die Idee machte einiges wett.

G+S war entgültig geboren oder, wie sie von sich selbst, sagen: „Einzigartig seit 2002“.

BiB: Wie lange hält so ein gut geölter Schrank?

STEFAN: Ich bin jetzt bei Schrank Nummer 4, die ersten beiden haben lange durchgehalten – aber im Schnitt halten die so 10 Monate.

DEACON: Kommt auch ganz auf die Anzahl der Gigs an, die Neueren waren schon nach 14 oder 15 hinüber.

BiB: Dann gibt es Unterschiede?

STEFAN: Ja total, den Schrank den ich bei MELT BANANA gespielt habe, habe ich bis dato am meisten gehasst. Der davor war ok, ging aber unter der Wucht des Knüppels, den ich von Zeit zu Zeit benutze, in die Knie. Die Stradivaris von der Stasi sind bis dato „ungeschlagen“.

BiB: Ist Gitarre eigentlich eifersüchtig auf Schrank?

DEACON: Nein gar nicht, ich steh‘ ja daneben und profitiere vom Effekt.

In einer gerechteren Welt würden G+S auf großer Tournee von IKEA gesponsort, große Stadien in Schutt und Asche legen, aber G+S haben bis dato keinen Plattenvertrag. Deacon weiß warum, was die Herren aber nicht daran hindert, Songs zu produzieren und haben diese allein in 2005 bei 50 Gigs in ganz Europa kundgetan. Inhaltlich geht es um die schönen und sinnvollen Dinge. Was diese Stadt und die sinnschwangeren Luftblasen, die sie erzeugt, angeht, würde ich fast wagen, von intellektueller Reduktion in Reinform zu sprechen, die die QUEENS OF THE STONE AGE wie elitäre Studentenbubis einer geschlagenden Verbindung aussehen lassen.

BiB: Ja – warum gibt’s noch keinen Plattendeal?

DEACON: Ist noch zu früh. Also von 18 Liedern bin ich nur mit 8 richtig zufrieden. Es stimmt noch nicht ganz, unser Album soll ja heißen The Album That Killed John Peel, und dann muss das Ganze schon Eier haben. Wir sind noch am zurechtbiegen – Kleinigkeiten – das ist auch der Grund, warum wir jetzt erst mal eine kleine Pause einberufen haben, um das ganze zu fixen und den Kopf frei zu bekommen. Wir werden aber mit einem Cover eines GOLDENEN ZITRONEN-Songs auf ’ner Compilation vertreten sein.

BiB: Eure Songs sind sehr Frauen- und Bier-basiert.

DEACON: Das Leben halt.

BiB: Apropos Leben, ich glaube, wir waren mit dem gleichen Mädchen zusammen!

DEACON (völlig erstaunt): Du und Ich? … Erzähl?!

BiB: Das Mädchen aus ‚I’ve Got A Girlfriend‘.

DEACON: She’s so mean…

BiB: … genau die!

DEACON: Seufz.

BiB: Wimmer.

STEFAN: Stimmt, wir haben eigentlich nur Liebes- und Sauflieder?! Aber andere Songs handeln zum Beispiel von wirklich passierten Dingen, z.B. als wir gegen die LEMMA GLAMOUR BAND gespielt haben. Die LEMMA GLAMOUR BAND – das sind unsere Feinde, die haben wir umbenannt in PLING PLONG … wie im Song ‚Pling Plong You Suck‘.

BiB: Und warum sind die so Scheiße?

STEFAN: (bekommt leuchtende Augen): Erstmal können die überhaupt nicht spielen! Alle beide nicht!

DEACON: Und es sind die totalen Abgucker … die kopieren uns in allem … die haben keine eigenen Ideen …

STEFAN: Die machen das schon subtil, z.B. anstatt eines Schrankes benutzen die ein Pling Plong (Spieluhr mit Lochmaske, Anm. d. Red.), dann ham die so’n Logo, so wie wir, die benutzen auch Bierkisten zum draufsitzen, Tangas als Merchandise … also…

BiB: Aber das hört sich auch nicht grade nach ureigensten Ideen von euch an?

STEFAN; Das sind halt viele kleine Puzzelteilchen, die ein Gesamtbild ergeben. Die sind halt phantasielos, dumm und von gestern. Also wir nennen das ’ne professionelle Feindschaft. Eigentlich feine Menschen, aber die hassen uns genauso. Also, ich kann nur jedem, der offen Antipathie austauschen möchte, empfehlen, zu einem Konzert der LEMMA GLAMOUR BAND zu gehen. Z.B.: Ihre Musikrichtung heißt Philopunk!? Das ist hochnäsig und die singen ganze Zeit nur über Canetti, Freud, Goethe und so’n Dreck! Studenten mit Krawatte – Alles eklig, alles zum Kotzen, wie Blutwurst oder besser: rote Beete ohne alles.

BiB: Apropos Hass – Was ist so toll am Prenzlauer Berg (ich beziehe mich auf den Song – ‚Prenzlauer Berg‘)?

DEACON (Erstaunt): Kennst du den deutschen Text? Es gibt da einen Text, den ich noch nie gesungen hab und noch immer auf den richtigen Moment warte…

„Ich hab ’ne deutsche Freundin
Sie trinkt gern Muckefuck
Ich fick sie gern von hinten
Bis die Kimme juckt“

… aber mehr, um Stefan aus dem Konzept zu bringen.

STEFAN: Es ist sowieso ein wichtiges Element in unseren Liveshows, dass wir permanent versuchen, uns selbst zu überraschen. Für mich ist das gar kein Problem, da ich mich ja so oft verspiele, also wir brechen auch nie Songs ab, weil wir falsch spielen, so oft könnte man gar nicht abbrechen, aber erfahrungsgemäß kriegt das Publikum das gar nicht mit.

DEACON: Außer die Leute, die uns öfter gesehen haben. Die meinten, wir würden uns permanent verbessern. Von Gig zu Gig. Wir haben im letzten Jahr ca. 50 Gigs gespielt und nur fünf mal geprobt.



BiB: Gibt es in diesem Kontext vielleicht Bands/Künstler, die unbedingt genannt werden müssten?

STEFAN und DEACON (im Duett):
JANE WALTON … New Orleans Voodo Ska – trockengelegt in Berlin
EXTREMENTAL GRINDFUCKERS … Grindcore vs. Schlager … Kultband
ARTTWENGER … so ’ne art NOTWIST Österreichs
BLOMQUIST … Frauenmetal
DIE TODESBAND …
MASH GORDON … Dresdner E-Punk: http://mashgordon.com
LEMMA GLAMOUR BAND … Verhasste Plingplongmusik: http://lemmaglamour.de
DON VITO aus Leipzig: http://donvitodonvito.de
KAPAIKOS … Das Mandolinenorchester: http://kapaikos.de
MALMZEIT … Teetisch-Doom: http://malmzeit.com
Ach, und natürlich der geniale Videokünstler: ChickenTV: http://www.chickentv.de

Die Kiste Bier ist leer, und das Interview wandelt sich immer mehr in einen, aufgrund der Bierkrise, Gin-unterstützten Plausch, der den eh schon gesprengten Rahmen dieser Rezension komplett wegblasen würde. Bleibt die Frage, warum macht MIKE PATTON nicht mal was mit DAVE GROHL, wie können wir die Jugend vor der Verdummung durch HipHop retten, warum ist Schamhaarrasur in bestimmten Fällen unangebracht und wo ist der Platz in Frankreich, auf dem die ganzen hübschen Frauen nackt tanzen? – Und die daraus folgende Erkenntnis, dass das Einzige, was Männer UND Frauen interessiert – Frauen sind … Ich glaub‘, ich brauch ein Bier!

www.gitarre-und-schrank.de

Fotos: 1-2: © Mirco Erbe, 3-6: © chickentv.de
Autor: [EMAIL=mirco.erbe@b-i-b.de?Subject=Kontakt von der Website]Mirco Erbe[/EMAIL]

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