Haiyti – Junky

Vorhang auf für das bisher tanzbarste HAIYTI-Album. Fast genau ein Jahr nach Ich Lach Mich Tot ist sie zurück und es schleicht sich eine Abwechslung ein: auf eine Platte mit reichlich Rap folgt wieder eine mit mehr Elektro- und Hyperpop. Entsprechend ist Junky wieder mehr Club-affin und soll Umsatz machen.

Das merkt man auch an den weitaus leichter zu verstehenden, ja schluderigen Texten. Schon beim ersten Titel „Freund Von Mir“ hat man wirklich simple Herzschmerz-Lyrics, die sich nach einer Minute zu ähnlich einfachen Abgrenzungs-Lyrics wandeln, wie man sie von Hundert Rappern schon gehört hat: „Erzähl mir nicht, dass Freundschaft zählt. Ja, ich hab mich getäuscht in dir.“ Dazu dramatische Streicher.

„Heute Nacht“ ist der erste Abgehsong zu Eurodance mit ähnlicher Anklage: „Ich schwör, man kann niemanden vertrauen. Wo wart ihr, als es mir schlecht ging? Ihr habt nur gelacht, als ich am Boden lag.“ Ähnlich billig 90er-mäßig ist dann „Party Gangster“ gestaltet („Gangster-Party all night long“). Als G tanzt man nicht, man lässt tanzen.

Im Musikvideo zum Lovesong „Sterne Egal“ trägt sie das Kostüm von Kabarettistin Lisa Eckart, als diese beim Slamville 2017 das Gedicht „Ephedrin“ vortrug. Doch während diese in Edel-Lederjacke und mit 20er Jahre-Frisur alles dafür tat, vom aus ihrer Sicht dummen Publikum nicht verstanden zu werden, will Haiyti, dass sich fast jeder mit ihrem Gangstertraum identifizieren kann. Die klassistische Verachtung Eckarts für einfache Liebesgedichte widerspricht dem vollkommen.

Mehr noch, Haiyti widmet einen ganzen Song („König Der Unterwelt“) dem Hamburger Zuhälter Klaus Barkowsky, der sich in diesem April umbrachte. Auch er war wohl in den Coronajahren nach rechts abgedriftet. Im Text ist Haiyti bewundernde Epigonin der alten Hiphop-Erzählung, dass man mit Kriminalität aus der Armut herauskommen kann. Ihre Lyrics rechtfertigen so aber Barkowskys sexistische Ausbeutung von Frauen, bzw. die emotionale Fesselung von Prostitutierten an ihre Zuhälter allgemein.

Erstaunlich ist, dass Haiyti auch immer wieder andere Rapper zu ihrem Pop-Trip überreden kann. Sie und DOKTOR STERBEN zitieren in „Fast An Dich Gedacht“ den HERBERT GRÖNEMEYER-Oldie „Flugzeuge Im Bauch“ sowie „Tausend und 1 Nacht“ von KLAUS LAGE. Weitaus cooler ist da das Trap-Feature „Dee“ mit KONZ.

Ihre eigentlichen Skills zeigt sie aber im Trap „Ich Will Dass Es Regnet“ und vor allem im klassischen Haiyti-Rap „Up To Date“. Die Dame mit dem Perücken-Fable betrachtet Cloudrap als das für Hiphop, was Indiepop für Rock ist: als grenzenlose Spielwiese. Diese Kreativität bringt dann auch wirklich gute Popsongs wie „Leicht Mit Dir“ oder Hyperpop wie „Tausendmal“ hervor.

 

Haiyti
Junky
(Hayati Records)
VÖ: 20.10.2023

www.haiyti.com

Live

18.12.23, Hamburg, Molotow
19.12.23, Berlin, Privat Club
21.12.23, München, Backstage Club
22.12.23, Köln, Yuca

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