HELIUM VOLA – Liod

Bauernlieder – für Anspruchsvolle

ERNST HORN ist ein musikalischer Tausendsassa: Nicht nur, dass er klassisches Klavier und Schlagzeug studierte und fünf Jahre in Karlsruhe als Kapellmeister arbeitete, nein, Anfang der Achtziger entdecke er auch die elektronische Musik für sich und ist seither einer der wenigen, die erfolgreich eine Brücke über den schier unüberwindbar scheinenden Abgrund zwischen klassischer und moderner elektronischer Musik geschlagen haben.

Am bekanntesten ist er wohl mit seiner Band DEINE LAKAIEN geworden, deren Songs seit weit über einem Jahrzehnt in unverminderter Regelmäßigkeit in einschlägigen Clubs den Soundtrack zur Nacht bereichern.
1991 gründete er mit MICHAEL POPP – einem seiner LAKAIEN-Live-Musiker und selbst mittelalterliches Musikgenie – die Formation QNTAL, die in völlig neuer Art und Weise klassische und elektronische Klänge mit einander kombinierte und durch die Stimme von Gesangs-Ikone SYRAH HAUSEN verfeinert dem Trio auch über Kennerkreise hinaus schnell zu Bekannt- und Beliebtheitsgrad verhalf.
Zwei Jahre und zwei Alben später war es dann leider vorbei mit der bandinternen Harmonie, was diese neue Musikform zunächst auf Eis legte, und während zehn Jahr später MICHAEL und SYRAH die Formation QNTAL mit anderem Elektroniker wieder aufleben ließen, kam ihnen ERNST HORN zwei Jahre zuvor und führte mit seinem neuen Projekt HELIUM VOLA gemeinsam mit SABINE LUTZENBERGER am Gesang sowie weiteren Gastsängern und -musikern fort, was er mit QNTAL begonnen hatte.

Das nun vorliegende zweite Album Liod ist – genau wie das Erstlingswerk Helium Vola – ein Konzeptalbum. Hier hat HORN sich in erster Linie die Carmina Burana vorgeknöpft und eine Reihe der dort enthaltenen Lieder in neuzeitlich-elektronisches Klanggewand gesteckt. Außerdem sind Texte aus den Merseburger Zaubersprüchen sowie mit ‚Dormi‘ ein Stück vom Maestro höchst selbst vertreten. Auch seinen erklärten Lieblingsdichter, das französiche Enfant Terrible MICHEL HOUELLEBEQ, lässt er für ein Lied zu Wort kommen.
Abgesehen davon schallt es genreüblich meist auf Latein, Mittelhochdeutsch oder Altitalienisch aus den Boxen.

Musikalisch findet man auf Liod den schon vom Vorgängeralbum und QNTAL her bekannten Mittelalter-Elektronik-Crossover, der – mal mehr in die eine, mal mehr in die andere Richtung tendierend – über die Jahre nichts von seinem Charme verloren hat. Auch zeigt HORN immer wieder, dass in dieser Mixtur noch jede Menge neues Potential steckt, welches den „Hört sich genau so an wie“ – Faktor erfrischend gering hält.
Einzig und allein sein mitunter nicht unerheblicher Hang zum Experimentellen, wie zum Beispiel die beabsichtigten Disharmonien in ‚Ich Was Ein Chint So Wolgetan‘, erschließt sich zumindest mir persönlich zum Teil nur schwer. Das wird aber durch melodische, emotional tiefgehende und sehr tanzbare Stücke wie zum Beispiel ‚Veni veni‘ (Single-Auskopplung), ,’Printemps‘ oder ‚In Lichter Farbe Steht Der Wald‘ mehr als ausgeglichen.
Die ‚Vagantenbeichte‘ erinnert mit ihrer düster verzerrten Bassline und hochfrequentem Synthieschlagzeug an ‚Ad Mortem Festinamus‘, den Hit vom ersten QNTAL- Album. Tja, Wurzeln lassen sich halt schlecht verleugnen. ;)

Gemessen am aktuellen QNTAL-Schaffen (dem muss HELIUM VOLA sich natürlich stellen) verschmelzen Traditionelles und Elektronik nicht ganz so symbiotisch wie dort, sondern sind experimenteller, kompromissloser und stehen innerhalb der Songs stärker polarisierend gegen einander. Das ist aber die typisch HORNsche Note, die gerade das spezielle an HELIUM VOLA ausmacht und so auch die Gefahr gering gehalten ist, dass sich beide exzellente Formationen im selben Genre musikalisch großartig in die Quere kommen.

Liod kommt auf den beachtlichen Umfang von 20 Stücken und ist damit, selbst abzüglich der auch ‚Liod‘ getauften, das Album durchziehenden Samplestücke und Klangcollagen, viel Musik fürs Geld.
Freunde besagter Stilrichtung haben hier einen Pflichtkauf zu tätigen.
Und wem derartige Klänge bis jetzt verborgen geblieben sind, der sollte diese musikalische Bildungslücke wenigstens per Testhören (QNTAL auch gleich belauschen!) schleunigst schließen.


HELIUM VOLA
Liod
(Chrom Rec. / Indigo)
veröffentlicht

http://www.helium-vola.de
http://www.chrom.de

FacebooktwitterpinterestlinkedintumblrmailFacebooktwitterpinterestlinkedintumblrmail