Interview mit ALEX „OLLI“ REMZI KONUK von 8MM MUSIK am 29.10.07


Interview anlässlich des Album-Releases der Compilation ‚SHOTS – 8MM music 2002-2007‘.



(Berlin, den 29.10.2007)

Tja, was macht man, wenn man seine Heimat vermisst und in den Kneipen der Stadt, in der man wohnt, einfach nicht die Musik gespielt wird, die einem gefällt? Genau, man gründet einfach seine eigene. So geschehen vor genau fünf Jahren, als Olli aus Washington und Louis aus New York in Berlin die 8mm-Bar eröffneten und damit nicht nur ihren eigenen, sondern scheinbar auch den Wünschen all derer nachkamen, die sich nunmehr allabendlich in den verrauchten Räumen am Senefelderplatz tummeln. Inzwischen hat sich die 8mm-Bar als eine aus dem Herzen der Stadt nicht mehr wegzudenkende Institution etabliert, die den Prototyp der genuinen Rock’n‘-Roll-Kneipe verkörpert, in der man Künstlern und verschrobenen Typen aus allen Teilen der Welt genauso begegnet wie Musikern von Franz Ferdinand, Interpol oder Bloc Party und wo man so oft, wie wohl an keinem anderen Ort, beim DJ den Namen der Musik erfragt.

Anlass genug, das Jubiläum am 22. November in standesgemäßem Ambiente zu begehen: Parallel zum 5-jährigen Barbestehen wird im benachbarten Bassy der Release der Jubiläums-Compilation SHOTS � 8MM music 2002-2007 gefeiert, die auf dem neu gegründeten hauseigenen Plattenlabel 8MM MUSIK erscheint. Mit von der Partie sind einige der auf dem Sampler vertretenen Bands und Künstler, die allesamt aus dem Umfeld der Bar stammen. Wir sprachen vor dem Event mit Alex „Olli“ Remzi Konuk über Entstehung und Idee des Labels, die Berliner Musikszene, den Hintergrund der Compilation und die anstehende Labelnacht.

BiB: Wie groß war der Schritt von der 8mm-Bar zu 8MM MUSIK? Wie entstand die Idee?
OLLI: Obwohl sich das Label vom Namen her an die Bar anlehnt und die Leute dadurch auch darauf aufmerksam werden, handelt es sich aber letztlich um zwei verschiedene Sachen, die ich versuche, entsprechend separat zu halten.

OLLI: Die ersten Ãœberlegungen, selber ein Label zu gründen, gibt es eigentlich schon seit 2003, also kurz nach Eröffnung der Bar. Im Grunde hat mich ein befreundeter Musiker auf die Idee gebracht, der darüber frustriert war, dass seine Musik in einer Zeit, in der die Berliner Szene vor allem durch elektronische Acts und Rock’n’Roll-Coverbands geprägt wurde, bei den Plattenfirmen keinen Anklang fand. Dabei hat Deutschland ja eine tolle musikalische Tradition vorzuweisen mit innovativen Bands wie NEU! oder CAN. Eine Grundmotivation des Labels war es, Musikern ein Forum zu bieten, die sich eher an solcher Musik orientieren, anstatt darauf hoffen, die nächste große „The-Band“ zu werden.

BiB: Ihr habt mit POWERS, SINGAPORE SLING und ET TUMASON inzwischen drei sehr unterschiedliche Acts unter Vertrag genommen. Inwiefern spiegeln diese drei die Philosophie wieder, die hinter dem Konzept von 8MM MUSIK steckt?

OLLI: Das ist natürlich ein wichtiger Punkt. Für mich repräsentieren alle diese Künstler für sich gesehen genau das, wofür 8MM MUSIK stehen will, etwas Besonderes und Eigenes. Vor allem ET TUMASON strahlt mit seiner begnadeten One-Man-Blues Show diese authentische Do-It-Yourself Rock’n’Roll-Attitüde aus, während SINGAPORE SLING als voll entwickelte Rock�n�Roll Band, genau die Musik machen, die ich selbst liebe und die auch in der Bar gespielt wird. POWERS hingegen � Musiker, die regelmäßig in der Bar herumgehangen haben – haben es nicht so sehr auf die direkten Popsongs abgesehen, sondern schlagen in eine experimentellere, SONIC YOUTH-beeinflusste Bresche und haben von allen Berliner Bands, die ich gesehen haben, noch am meisten mit CAN gemein.



BiB: Wie entsteht der Kontakt zu den Künstlern? Sind die Signings vornehmlich aus Freundschaften geboren oder steckt auch ein wirtschaftliches Kalkül dahinter?

OLLI: Zu allererst einmal muss die Band natürlich gut sein und zu uns passen. Wir wollen hier schließlich gute Arbeit verrichten und nicht gleich alles wieder in den Sand setzen, indem wir alle unsere Freunde unter Vertrag nehmen. Insofern muss die Musik einen gewissen Lackmustest bestehen und eine Richtung zu erkennen geben, die ich nachvollziehen kann.

Unter den Bands, die wir bisher haben, ist ET TUMASON ein gutes Beispiel. Er war einfach regelmäßig in der Bar und hat uns mal ein Demo dagelassen. Wir waren ziemlich überrascht, wie gut es war, haben ihm angeboten zu spielen und vor Publikum wurde es dann sogar noch besser. Den Leuten hat seine charismatische Liveperformance sehr gut gefallen und mit der Musik und seiner natürlichen Ausstrahlung konnten wir uns als Label total identifizieren.

BiB: Ihr bringt nun eine Compilation mit dem Namen SHOTS – 8MM Musik 2002 � 2007 heraus. Darauf sind sehr unterschiedliche Bands vertreten, neben euren Labelartisten z.B. Julia Hummer, Tarwater und The Boggs. Wie kommen die zusammen, handelt es sich ausschließlich um Leute, die ihr kennt?

OLLI: Einige der Bands kenne ich sehr gut, andere eigentlich kaum. Im Prinzip sind das aber alles Leute, die aus ganz unterschiedlichen Teilen der Welt kommen und hier in Berlin regelmäßig in der Bar rumhängen. Die Compilation gibt dabei nur einen kleinen Ausschnitt der Künstler wieder, die zum weiteren Kreis gehören und deren Arbeit ich sehr respektiere.

Bei allen Unterschieden gibt es musikalisch aber schon so etwas wie eine gemeinsame Basis. Der Grund, warum auch die Bar ein bestimmtes Stammpublikum hat, ist ja, dass eine gewisse Identifikation mit der dort gespielten Musik besteht, die die Leute bewusst oder unbewusst auch so wahrnehmen. Wir möchten natürlich gerade auch solchen Bands eine Plattform bieten, die nicht im Rio oder anderen viel gehypten Locations auftreten können, wo man eben spielen muss, um eine größere Aufmerksamkeit zu erreichen.

BiB: Ihr seid sehr aktiv und veranstaltet seit einiger Zeit regelmäßig Labelnächte, die nächste am 22. November im Bassy. Dort wird ja auch die Compilation vorgestellt. Was erwartet den Besucher dort, wer wird spielen?

OLLI: Wir feiern im Bassy die Veröffentlichung der Compilation und gleichzeitig nebenan das fünfjährige Barbestehen. Wir hatten ursprünglich alle Bands eingeladen, die auf der Compilation vertreten sind, einige sind aber gerade auf Tour oder aus anderen Gründen verhindert. Wir haben aber immer noch ein tolles Line-Up auf die Beine gestellt, das so ein bisschen dafür steht, was wir in den letzten fünf Jahren gemacht haben. Spielen werden JULIA HUMMER, LOOK BABY!, THE MELMOTHS, SWEARING AT MOTORISTS, und THE VIRGIN TONGUES.



BiB: Ein Blick in die Zukunft: Ihr arbeitet seit kurzem mit Cargo Records zusammen, vertreibt eure Releases inzwischen auf verschiedenen Plattformen im Internet. Wie siehst du die Entwicklungsmöglichkeiten? Welche mittelfristigen Pläne und Erwartungen existieren?

OLLI: Wir stoßen ja nun in einem sehr spannenden Moment ins Business, in dem sich die ganze Industrie gerade radikal verändert. Wir als junges Label unterliegen nicht den Zwängen, jetzt alle Strukturen verändern zu müssen und es wird abzuwarten sein, ob das ein Vorteil sein kann. Man wird mit der Zeit sehen, wo unsere Stärken liegen und wo wir uns andere Leute dazuholen müssen. Zunächst einmal wollen wir unsere Arbeit so gut wie möglich machen und unseren Künstlern ein gutes Label sein.

Für mich selber ist das natürlich auch noch alles neu und interessant. Ich bin im Grunde in die ganze Arbeit eingebunden, plane die Touren und fahre oft auch selber mit, bin für Marketingstrategie und Promotion zuständig. Und in nächster Zeit stehen erst einmal wieder eine ganze Menge Dinge an: ET TUMASON und POWERS arbeiten gerade an ihren Alben, wir bringen die erste Platte von SINGAPORE SLING noch einmal in einer kleinen Vinylauflage heraus, deren Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz dann im Januar und Februar auf dem Programm steht.

BiB: Letzte Frage: Wenn du es dir aussuchen könntest, welche Bands würdest du sofort unter Vertrag nehmen?

OLLI: Also, von den Leuten, die jetzt an der Compilation beteiligt waren, finde ich JOSH T. PEARSON und HONEY AND THE GREEK richtig gut und würde die Zusammenarbeit gerne weiter vertiefen. Du meinst, wenn ich mir jede Band der Welt aussuchen könnte? Nein, ich will ja Bands berühmt machen. Bei Bands, die schon jetzt berühmt sind, geht das ja nicht mehr. Eine Band wie RADIOHEAD passt da nicht wirklich in unser Konzept, um die werden wir uns nicht bemühen.

8MM 5 JAHRE GEBURTSTAG & RECORD RELEASE PARTY
Wo?: BASSY (Schönhauser Allee 176a) + 8MM-Bar (Schönhauser Allee 177b)
Wann?: 22.11.2007, Beginn: 21 Uhr
(mit Julia Hummer, Swearing At Motorists, The Virgin Tongues, Look Baby!, The Melmoths + 8MM DJs)
Eintritt: 5 Euro (8mm-Bar frei)

www.8mmmusik.com
www.myspace.com/8mmmusik

Fotos: © 8MM Musik
Autor: [EMAIL=arne.wellding@bands-in-berlin.com?Subject=Kontakt von der Website]Arne Wellding[/EMAIL]

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