„Ja, ich glaube an die Liebe!“ Alin Coen über ihr Glück, den langen Weg dorthin und ihre Zukunftspläne.
Der September steht für die ALIN COEN BAND unter einem guten Stern: Am 16.09. wird die neue EP [I]Einer will immer mehr[/I] erscheinen, am 29.09. werden die vier Weimarer Thüringen bei Stefan Raab auf dem 7. Bundesvision Contest vertreten und heute, am 8.09., stehen sie vor einer ausverkauften Halle. Keine Frage, Alin (Gesang, Gitarre und seit neuestem Keyboard), Jan (Gitarre), Philipp (Bass) und Fabian (Schlagzeug) sind total am Durchstarten! Anlässlich dieser erfreulichen Entwicklungen nehmen wir die Chance wahr und treffen Alin in den verzweigten Backstageräumlichkeiten des Heimathafens in Neukölln. Und die schönsten Nachrichten stehen uns noch bevor: Die 29-jährige Alin berichtet uns nämlich nicht nur von ihrer Reise durch Indien als junges Mädchen und ihren Ansichten zum Thema alternative Energien als studierte Umwelttechnikerin, sondern auch davon, dass sie trotz ihrer oft melancholischen Lieder sehr wohl an die Liebe glaubt und dies aus gutem Grund…
[B]popmonitor.berlin: Da wir uns hier ja heute im Heimathafen befinden, liegt die Frage nahe: Was bedeutet für dich Heimat?[/B]
Alin: (überlegt eine Weile) Zu Hause sein vielleicht. Aber ich finde den Begriff „Heimat“ schwierig. Den patriotischen Aspekt davon kann ich zum Beispiel überhaupt nicht nachempfinden.
[B]Und wenn du den Begriff einfach definierst als den Ort, an dem du dich wohlfühlst?[/B]
Dann glaube ich, dass man sich als Musiker eine Art innere Heimat angewöhnen muss. Wenn man so viel unterwegs ist, braucht man das. Meine Band ist etwas sehr Heimisches für mich. Oder mein Handy, wenn ich damit meine Mutter anrufe. Personen sind glaube ich oft eine Art Heimat.
[B]Eure neue EP [I]Einer will immer mehr[/I] erscheint in wenigen Tagen am 16. September auf dem Markt. Auf was kann sich der Hörer einstellen?[/B]
Wir haben uns für diese EP, nachdem wir für das letzte Album Wer bist du eineinhalb Jahre gebraucht haben, vorgenommen, sie so schnell wie möglich aufzunehmen, um eine gewisse Dynamik zu schaffen. Wir haben uns also lediglich drei Tage Studiozeit vorgenommen und diese dann auch tatsächlich eingehalten. Uns war wichtig, das Ganze mit Energie anzugehen und ich glaube, das hört man auf dieser Platte sehr gut: Sie hat die gleiche Dynamik wie eines unserer Live-Konzerte, glaube ich. Nachdem ich die fertige CD gehört habe, habe ich jedenfalls gedacht: „Wow, das klingt irgendwie so gut.“ Wahrscheinlich haben wir also wirklich mit den richtigen Leuten zusammengearbeitet für dieses Projekt. Wir haben in Berlin aufgenommen, und musikalisch knüpft die EP vom Klang her an das letzte Album an, wobei bereits zwei Stücke vorhanden sind, auf denen ich Keyboard spiele statt Gitarre.
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[B]Für euer 2012 geplantes Zweitalbum wurde im Pressetext angekündigt, dass das Material sich komplett aus Band-Jams speisen würde. Was genau bedeutet das?[/B]
Wir sind inzwischen dazu übergegangen, all unsere Musik folgendermaßen zu schreiben: Wir gehen alle gemeinsam in den Proberaum und spielen zusammen. Bei diesen Jamsessions entstehen dann Ideen und einzelne komplette Teile und Melodien, die wir dann später zu Songs zusammenfügen und strukturieren. Also keine Angst, es wird keine reine Jamsession auf dem Album zu hören sein. Manchmal können wir uns nach solchen nämlich selbst nur denken: „Warum? Warum nur haben wir das 20 Minuten lang gemacht?“, und das wollen wir natürlich niemandem antun.
[B]Am 29. September werdet ihr mit eurem Song „Ich war hier“ am Bundesvision Song Contest teilnehmen. Schon aufgeregt?[/B]
Ich bin, glaub ich, sogar übermäßig aufgeregt. Ich bin geradezu richtig unverhältnismäßig doll aufgeregt. Und ich weiß nicht, ob das einfach nur daran liegt, dass wir eine von den kleineren Bands sind und das deswegen alles so riesengroß scheint, oder es wirklich so riesengroß ist. Die anderen Bands, von denen ich vielleicht die Hälfte über irgendwelche Ecken persönlich kenne, scheinen jedenfalls total entspannt. Aber das Schöne ist ja, dass genau dieser Umstand, dass ich viele der Gesichter dort kenne, dem Ganzen auch wieder das Monströse nimmt. Vielleicht haben sie Recht und es wird wirklich nur ein nettes Musiker-Treffen. Jedenfalls hoffe ich so oder so, dass einige neue Leute, die etwas mit unserer Musik anfangen können, durch diesen Auftritt auf uns aufmerksam werden.
[B]Bist du nervös, Stefan Raab zu treffen?[/B]
Das eigentlich nicht wirklich, uns wird er ja nicht nach Schwachstellen absuchen wie einige seiner politischen Gäste, aber ich bin nervös, ihn in einer Talk-Show treffen und schlagfertig sein zu müssen. Ich hab mir bereits eine Methode des autogenen Trainings beigebracht, nämlich folgenden Satz zu meditieren, indem ich ihn immer wieder für mich selbst wiederhole: „Ich bin ganz ruhig, ich bin ganz ruhig.“ Das muss ich in letzter Zeit desöfteren mal für ein paar Minuten machen, um wieder runterzukommen, denn ich bin echt richtig krass aufgeregt. Aber wenn ich dann auf der Bühne oder vor laufender Kamera eine Panikattacke bekomme und plötzlich monoton „Ich bin ganz ruhig, ich bin ganz ruhig“ aufzusagen beginne, wäre das glaube ich nicht so gut. Ich weiß nicht, ob das jemand verstehen würde.
[B]Nein, du würdest wohl eher einen Ruf wie Dalí oder Kinski abbekommen.[/B]
Oh, zwei krasse Exzentriker.
[B]Und destruktiv-obsessive Liebhaber. Was mich zu meiner nächsten Frage bringt. Du bist die Verfasserin von Songtexten wie „Ich war hier“, „Festhalten“ und jetzt auch noch dem Titel deiner neuen EP „Einer will immer mehr“, in denen es immer um die Unausgeglichenheit und Unvereinbarkeit der Gefühle zwischen zwei Menschen geht. Glaubst du eigentlich an eine echte und ausbalancierte Liebesbeziehung? Kann es die geben?[/B]
Ja! Ich bin in einer!
[B]Nein![/B]
Doch! Bald werd ich also keine Songs mehr schreiben können, weil ich in einer harmonischen Liebesbeziehung bin. (lacht) Aber nein, im Ernst: Ich glaube daran. Beziehungsweise ich bin davon überzeugt worden, dass es geht.
[B]Und wie lange wirst du jetzt schon überzeugt?[/B]
Fast drei Jahre.
[B]Und dann trotzdem noch so unglückliche Songs?[/B]
Ja, die Songs, die ich schreibe sind nicht immer für den Moment und auch nicht immer 1:1 mein Gedankengang. Klar sind sie oft autobiographisch, aber ich schreibe meistens erst über Erlebnisse, wenn sie bereits länger zurückliegen und ich eine Distanz dazu habe. Manchmal erzähle ich darin auch Geschichten, die ich gehört und gar nicht selbst erlebt habe, wie z.B. in dem Song „Andere Hände“, der sich ebenfalls auf der neuen EP befindet. Darin geht es um einen Brief von einer Mutter an ihr Kind, nachdem sie es in einer Babyklappe abgegeben hat. Mein Song ist von diesem Brief inspiriert.
[B]Würdest du dich eigentlich als überempathischen Menschen beschreiben?[/B]
Nö! Ich bin ja glücklich. Ich kann mich da ganz gut schützen. Insbesondere habe ich das erlebt, als ich in Indien unterwegs war. Ich glaube, wenn ich dort zu empathisch gewesen wäre, hätte ich die Zeit nicht überstanden. Ich war drei Monate lang in Indien unterwegs und habe viel Elend gesehen. Wenn man da zu empathisch ist, verzweifelt man glaube ich an dem, was man dort täglich auf den Straßen sieht.
[B]Wann warst du dort?[/B]
Als ich 19 war, 2002. Das war für mich ein ganz wichtiges Erlebnis. Ich war zu dem Zeitpunkt gerade fertig mit der Schule und hatte angefangen Medizin zu studieren. Nach drei Tagen des Studiums wusste ich, dass ich nicht Ärztin werden wollte und habe also nach dem 1. Semester abgebrochen und mir gesagt: „So, ich muss weg.“ Ich war echt unglücklich mit dem Studium und allem drum rum, also bin ich nach Indien gegangen. Ursprünglich waren nur vier Wochen Aufenthalt geplant, aber dann habe ich es so genossen, dort unterwegs zu sein, dass ich verlängerte, bis mein Reisepass nicht mehr gültig war und abfliegen musste. In der Zeit habe ich gelernt, Vertrauen zu fassen, Vertrauen, dass die Dinge sich schon ergeben und gut werden, wenn man nur ein bisschen offen ist und seine Chancen nutzt.
[B]Was war dein schönstes Erlebnis während dieser Zeit in Indien?[/B]
Es gab dort viele schöne Dinge zu erleben und zu sehen. Aber was mich besonders beeindruckt hat, war zum Beispiel die Wüste. Ich war dort über Weihnachten mit einer Gruppe von sechs oder acht Leuten in einem Camp und was daran so überwältigend war, war ein riesengroßer Kometenschauer – ich gehe zumindest davon aus, dass es einer war, jedenfalls waren dort sechs leuchtend helle Bälle am Himmel. Und in unserer Gruppe waren zwei Kinder dabei und da kann man sich ja vorstellen, wie groß die Aufregung war. „It’s Santa!“, riefen sie und hatten damit den hunderprozentigen Beweis dafür, dass es den Weihnachtsmann tatsächlich gibt.
[B]Und wusstest du danach dann bei deiner Rückkehr, was du für dich und dein Leben wolltest?[/B]
Nein! Diese Findungsphase hat ewig gedauert. Ich bin dann noch mal für ein halbes Jahr nach Schweden gegangen, in die Nähe von Södertälje bei Stockholm. Dort bin ich hingefahren, weil ich auf einem Biobauernhof arbeiten wollte. Letztendlich bin ich dann auch zwar auf einem solchen gelandet, aber es gab nicht wirklich einen Bio-Landwirtschaftsbetrieb, sondern das ganze funktionierte mehr als Kindergarten und ich hab dann eben auf die Kinder aufgepasst. Außerdem ging ich dann noch auf eine Schule, auf der sie Gesangstherapie unterrichtet haben, was zwar Spaß gemacht hat, aber auch nicht wirklich das Richtige für mich war. Zu der Zeit habe ich dann auch angefangen eigenen Lieder zu schreiben.
[B]Dann hast du also mit 19 erst begonnen eigene Musik zu machen?[/B]
Ja. Wobei ich natürlich vorher schon viel mit Musik zu tun hatte, seit ich 6 war bekam ich Klavierunterricht und sang in einem Chor.
[B]Das Liederschreiben gehörte dann wahrscheinlich mit zum Findungsprozess dazu.[/B]
Ganz bestimmt, ja. Eins der Lieder auf dem neuen Album, „Steps“, handelt genau von dieser Suche und es war eines der ersten Lieder, das ich überhaupt geschrieben habe.
[B]Hast du es für die Aufnahmen noch einmal überarbeitet oder genau so gelassen, wie du es damals geschrieben hast?[/B]
Der Text ist genau derselbe wie von damals. Und das, obwohl er, was die englische Korrektheit betrifft, zu wünschen übrig lässt. Aber ich habe ihn trotzdem so gelassen, denn der Song ist, wie er ist und ich war nunmal eben erst 19.
[B]Wenn du den Song jetzt hörst, wie fühlt es sich dann zurückblickend an? Bist du weitergekommen?[/B]
Was den Inhalt dieses Liedes betrifft, definitiv ja. Ich bin endlich raus aus diesem Unwissen, was ich mit meinem Leben anfangen soll. Ich habe danach irgendwann endlich gewusst, dass es Umwelttechnik ist, was ich eigentlich studieren will und Musik, was mir liegt. Jetzt habe ich Pläne. Damals hatte ich überhaupt keine Ahnung, wie es eigentlich weitergehen soll. Das war sehr schwierig für mich.
[B]Du studierst Umwelttechnik?[/B]
Ich habe Umwelttechnik studiert, ja, jetzt bin ich fertig. Wenn es die Zeit, bzw. die Musik, dann wieder zulässt, habe ich vor, auch noch Wasserresourcen Management zu studieren, Water- and Landmanagment, nennt sich der Studiengang.
[B]Das ist ja interessant. Dann kann man dich ja vielleicht abschließend fragen, woran es eigentlich liegt, dass die alternativen Energien sich noch immer nicht durchsetzen, obwohl sie schon so lange da sind?[/B]
Ich glaube, es liegt an der Bereitschaft. Ich weiß einfach nicht, ob die Bereitschaft von genug Menschen überhaupt bereits da ist, um mitzumachen. Aber ich war im Zuge meines Studiums in Australien bei einer Umweltbehörde und habe dort acht Monate lang Workshops mit Jugendlichen gemacht. Es ging darum, dass die Jugendlichen herausfinden sollten, was sie bewegt und welche Probleme sie sehen und wo sie ihre Talente dafür einsetzen können, diese Probleme anzugehen und zu beheben. Und zwar Stück für Stück, damit man nicht in diese Art Meerschweinchenstarre verfällt, die eintritt, wenn man sich auf einmal mit allen Problemen auf dieser Welt konfrontiert sieht. Und ich glaube, der beste Weg, den wir Menschen tatsächlich einschlagen können ist, dass wir selber entdecken, womit wir wirklich glücklich sind und wo wir selber etwas beitragen können. Ich glaub, jeder muss einfach das tun, was er selber für richtig hält. Deswegen ist es allerdings auch ganz gut, dass es für solche Menschen, die Dinge für richtig halten, die nicht richtig sind, Regeln gibt, um sie davon abzuhalten. Aber ja, trotzdem: Ich denke, dass es wichtig ist, sich die Zeit zu nehmen und in sich selber reinzuhören und sich bewusst zu machen, was man gerne macht.
Offizielle Homepage:
www.alincoen.com
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Autor: [EMAIL=daniela.saleth@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Daniela Saleth[/EMAIL]