Interview mit FIRST AID KIT


„It’s one life, and it’s this life, and it’s beautiful.“ Ein Appell, im Hier und Jetzt zu leben.



„We aim for the hearts, not the charts!“, deklarieren die beiden Schwestern Klara und Johanna Söderberg, besser bekannt als FIRST AID KIT, auf ihrer Myspace Seite. Zwei aufgeweckte und bedachte Mädchen im jungen Alter von 17 und 19 Jahren, die es getreu ihrem Motto sogar zustande bringen, mit ihrer Musik die hartgesottensten Männer zum Weinen zu bringen, sodass die Tränen nur so kullern. Wie man sich auf einem ihrer Konzerte lieber nicht verhalten sollte, wie sich ihr musikalischer Werdegang gestaltet und was sie sich von der Zukunft erhoffen, haben uns die beiden in einem Interview im Rahmen des m4music 2010 in Zürich verraten.

popmonitor.berlin: „First Aid Kit“, wie seid ihr auf den Namen eurer Band gekommen? Nachdem ich mir euer Album in letzter Zeit in Dauerschleife angehört habe, habe ich den Eindruck gewonnen, dass eure Musik als eine Art Erste-Hilfe-Kasten für Seele und Gemüt fungiert.
Klara: Ich war 12 Jahre alt, als ich eigentlich mehr oder weniger durch Zufall in einem Wörterbuch auf „First Aid Kit“ gestoßen bin. Damals wusste ich, dass ich Musik machen möchte und war auf der Suche nach einem Pseudonym, unter dem ich arbeiten konnte. Als Johanna sich mir anschloss und wir gemeinsam eine Band gründen wollten, haben wir beschlossen, einfach bei diesem Namen zu bleiben.
Deine Interpretation des Bandnamens ist aber ziemlich treffend und beschreibt gut, wie wir unsere eigene Musik sehen.

Wann war der Moment als ihr begonnen habt, gemeinsam Musik zu machen?
Johanna: Ich glaube der Moment, als wir realisiert haben, dass wir gemeinsam als Schwestern Musik machen konnten und wollten, war, als wir im Alter von 14 und 16 Jahren unser erstes gemeinsames Konzert spielten. Davor schrieb Klara die ersten Lieder für sich alleine, ehe wir gemeinsam als Duo anfingen.

Seid ihr denn in einer sehr musikalischen Familie aufgewachsen?
Klara Unser Vater spielte in den 80ern zehn Jahre lang professionell Gitarre. Wir wussten zwar, dass er Musiker war, aber er war weder auf Tour noch spielte er wirklich professionell, als wir aufwuchsen. Nichtsdestotrotz hat er nie damit aufgehört, Gitarre zu spielen und für sich Musik zu machen. Anonsten hörten wir ziemlich viel Musik, als wir noch klein waren; Nicht die selbe Musik wie unsere Eltern, sondern was so im Radio lief, Popsongs eben.

Wart ihr die Sorte von Kindern, die immer gesungen und dazu auf Töpfe geschlagen haben?
Klara: Wir haben sehr viel gesungen und immer Konzerte vor unseren Freunden und Stofftieren gespielt, aber es war nicht so, dass wir gewusst hätten, dass wir irgendwann einmal wirklich Musik machen würden.

Aber ist es so, dass ihr schon immer Musik machen wolltet?
Klara und Johanna (im Chor): Nein, ganz und gar nicht!
Johanna: Nun, wir haben definitiv einen anderen Weg eingeschlagen als wir ursprünglich wollten. Wie viele andere Kinder auch, wollten wir Popsongs machen wie Britney Spears.
Klara: Das hat sich aber alles geändert, als ich Bright Eyes für mich entdeckte. Das war eine Art Wendepunkt für mich bzw. uns, denn ich hörte diese Musik und fühlte sofort diese Ehrlichkeit darin. Seine Lieder kommen von Herzen. Ich hatte das Gefühl, Conor Oberst singt für sich und nicht, damit er viel Geld damit machen wird. Er macht einfach die Art von Musik, die er machen möchte, was ungemein inspirierend für mich war. Denn die meiste Musik zu diesem Zeitpunkt war komplett überproduziert und nur darauf aus, große Hits hervorzubringen und viel Geld zu scheffeln.
Außerdem ist Conor Oberst kein wirklich großartiger Sänger. Seine Stimme wirkt ziemlich zerbrechlich, was seine Musik aber nur noch echter wirken lässt. Und ich hatte das Gefühl: Wenn er das kann, vielleicht kann ich das dann auch. Wenn ich mir eine Gitarre besorge, kann ich vielleicht auch selbst Musik machen. Das war so meine erste Idee, diese Art von Musik machen zu wollen.

Also würdest du Bright Eyes als deine erste und gleichzeitig größte Inspiration bezeichnen?
Klara: Ja, auf alle Fälle. Als ich zum ersten Mal „First day of my life“ hörte, wusste ich einfach, dass das genau die Richtung ist, die ich einschlagen möchte. Bright Eyes ist auch heute noch unsere Lieblingsband.

Nebst Musik, wo findet ihr sonst noch Inspiration? Wie sieht es aus mit Filmen, Büchern, Kunst?
Johanna: Wir finden sehr viel Inspiration in anderer Musik, aber eigentlich ist alles, was uns beschäftigt, inspirierend für uns. Aber es ist nicht so, dass wir zwingend nach Inspiration suchen würden, um Lieder zu schreiben.
Klara: Ein Lied, ein Film, ja sogar eine Fotografie kann dir ein bestimmtes Gefühl vermitteln. Und du möchtest dieses Gefühl dann festhalten und es in ein Lied verwandeln, quasi dieses Gefühl mit einem Lied festhalten. Es ist schwierig, den Schreibprozess an sich zu erklären…
Johanna: …weil du nie wirklich weißt, wie das zustande kommt.

Wenn ihr denn schreibt, wer übernimmt welchen Teil? Wie funktioniert das bei euch?
Johanna: Es ist nicht so, dass ich die Texte schreibe und Klara dann die passende Begleitung dazu auf der Gitarre findet, so läuft das nicht.
Klara: Das ist unterschiedlich. Manchmal schreiben wir gemeinsam, manchmal schreibe ich alleine. Ich bin diejenige, die eigentlich immer den Grundstein für die Lieder setzt und dann arbeiten wir meist gemeinsam daran weiter. Da ich Gitarre spiele, ist es für mich einfacher die passenden Melodien für die Texte zu finden. Und obwohl ich die meisten Texte schreibe, kann mir Johanna darin vertrauen. Ich würde kein Lied schreiben, dass Johanna nicht gefällt.

Macht die Tatsache, dass ihr Schwestern seid, die Sache denn einfacher oder komplizierter?
Klara: Ich glaube, es macht das Ganze einfacher. Musikalisch gesehen sind wir einfach auf einer Wellenlänge. Wir müssen nicht viel darüber diskutieren, da wir gleich darüber denken. Und falls nicht, dann wissen wir, wie wir das wieder beilegen können. Es ist nicht so, dass wir tagelang kein Wort mehr miteinander sprechen würden. Wenn wir streiten, dann vielleicht für fünf Minuten, dann sind wir wieder Freundinnen, sozusagen. Wir sind Schwestern, wir sind es gewöhnt zu streiten!

Ihr seid erst 17 und 19 Jahre alt. In diesem jungen Alter singt ihr ungezwungen und, so scheint es, mit größter Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit über ernsthafte Themen wie Liebe, Herzschmerz, Glauben, Einsamkeit. Eure Texte sind ziemlich tiefgründig, pittoresk, unterstrichen mit wunderschönen Harmonien auf der Gitarre. Woher kommt das? Wenn ihr Musik macht, folgt ihr dann sozusagen einer inneren Stimme? Kommt das alles einfach ganz natürlich von alleine?
Klara: Ganz genau. Wenn wir schreiben, dann schreiben wir einfach. Wir sitzen nicht da und denken uns: „Okay, jetzt brauchen wir ein Wort, dass sich hiermit reimt.“ Wenn wir schreiben, dann gehen wir nicht nach einem bestimmten Strophe/Refrain/Strophe Schema vor. Wir beginnen einfach zu schreiben und am Ende ist es eben, was es ist. Es ist schwierig, das zu erklären, da es wirklich einfach von alleine kommt.



Veronique im Interview mit Klara und Johanna

Jetzt, da ihr langsam aber sicher Teil des ganzen Musikgeschäfts werdet: Haben eure Eltern denn keine Angst, ihre jungen Töchter in diese Welt voll von Sex, Drugs & Rock’n’Roll zu entlassen?
Klara: Nein, dem würden wir nie verfallen!
Johanna: Ich glaube nicht, dass sie wirklich Angst haben. Sie kennen uns so gut und wissen, dass wir in diese Richtung nicht abenteuerlustig sind. Wir haben absolut kein Interesse an Drogen, also stellt das kein Problem dar.

Euer Vater ist euer Band Manager, richtig?
Johanna: Ja, schon, aber wir managen uns eigentlich selbst.
Klara: Es kommt darauf an, was du unter Band Manager verstehst. Britney Spears‘ Eltern zum Beispiel haben sich auf sehr negative Art und Weise eingemischt, indem sie entschieden haben, was gut für sie ist. In unserem Falle ist das anders. Unsere Eltern sind sehr unterstützend und helfen uns viel mehr, als dass sie uns sagen würden, was wir zu tun und zu lassen hätten.

Er ist also nicht mit auf Tour, um euch im Auge zu behalten?
Klara und Johanna (im Chor): Nein, ganz und gar nicht!
Johanna: Unser Vater hat allerlei Erfahrung mit dem Musikbusiness, da er ja in den 80ern spielte. Das ist ziemlich hilfreich! Und er ist ja nicht nur unser Band-Manager, sondern auch unser Soundtechniker und fährt außerdem. Er macht sozusagen ein bisschen von allem! Außerdem liebt er Musik, er lebt quasi für Musik.
Klara: Das war schon ein großes Glück für uns. Unser Vater hat nie damit aufgehört, Sachen aufzunehmen. Als ich also anfing meine ersten Lieder zu schreiben, konnte ich die Demos direkt zu Hause aufnehmen, da wir die Mikrophone und all die dafür notwendigen Sachen schon daheim hatten.

Habt ihr The Big Black And The Blue denn auch zu Hause aufgenommen?
Klara: Ja. Seit wir angefangen haben, die Demos zu Hause aufzunehmen, haben wir auch das Album in unserem Zimmer aufgenommen. Mit dem Unterschied, dass wir für das Album qualitativ bessere Utensilien wie Mikrophone gekauft haben, damit die Aufnahmen schlussendlich besser werden. Das Album klingt ein bisschen so, als hätten wir es im Studio aufgenommen, weil wir versucht haben, das Album so gut wie möglich aufzunehmen.
Johanna: Und da wir zu dem Zeitpunkt noch zur Schule gingen, konnten wir gar nicht ins Studio gehen. Normalerweise verbringt man in etwa eine Woche rund um die Uhr im Studio, um alle Aufnahmen zu machen, aber wir hatten dafür einfach keine Zeit. Also machten wir unsere Aufnahmen dann, wenn wir keine Hausaufgaben zu erledigen hatten.

Wie lange habt ihr dann gebraucht, bis das Album fertig aufgenommen war?
Johanna: Wir waren ziemlich lange dran, da wir nicht wirklich viel Zeit für die Aufnahmen hatten. Wir haben nur einmal wöchentlich daran gearbeitet und das vielleicht für eine Stunde am Wochenende. Alles in allem waren wir ungefähr sechs Monate damit beschäftigt, das Album aufzunehmen.

In einem eurer Lieder namens ‚Hard Believer‘ singt ihr „Love is tough, time is rough“. Ihr als First Aid Kit, als Erste-Hilfe-Kasten sozusagen, was sind eure Ratschläge, um durch harte und schwierige Zeiten zu kommen?
Klara: Für uns persönlich hilft da nur Musik hören, Bücher lesen, Zeit mit der Familie und mit Leuten zu verbringen, die man liebt und denen man vertraut, Poesie zu lesen und zu schreiben. Liedertexte schreiben ist für mich wie Poesie schreiben.

Eine andere Textzeile aus diesem Lied: „And it’s one life, and it’s this life, and it’s beautiful“. Das ist ein sehr einfacher Gedanke, andererseits aber sehr tiefgründig und wahrheitsgemäß!
Klara: Nun ja, es klingt eigentlich ein bisschen klischeehaft. Aber viele Klischees sind einfach wirklich wahr. Sie mögen einfach sein, aber sie stimmen! Das muss damit zun tun haben, wie wir über das Leben denken. Soweit wir wissen, gibt es nun einmal nur ein Leben. Und man hat daher nur diese eine Chance das zu verwirklichen, was man tun möchte. Man muss versuchen, das Beste daraus zu machen!
Johanna: Viele Menschen realisieren das nicht oder sie realisieren es eben zu spät.
Klara: Man muss sich dieser Tatsache einfach bewusst sein. Das ist teilweise auch ein Grund, warum wir nicht mehr zur Schule gehen: Wir haben das Gefühl, wir würden unsere Zeit dort vergeuden, während wir die Gelegenheit haben, das machen zu können, was wir lieben – und zwar Musik. Ich bin beinahe neidisch auf mich selbst, dass ich die Möglichkeit dazu habe. Es ist wie ein Traum, der wahr wird.

Also stellt ihr die Schule hinten an, da die Musik nun absolute Priorität hat?
Klara: Johanna hat ihren Abschluss gemacht. Ich habe mich letztes Jahr dazu entschlossen, vor dem Gymansium ein Jahr Auszeit von der Schule zu nehmen. Wenn ich also dieses Jahr nach dem Sommer mit der Schule weitermachen wollen würde, müsste ich eine Art Vorstellungsgespräch machen. Da wir aber auf Tour sind, ist das sowieso hinfällig. Ursprünglich wollte ich zwar nur ein Jahr Auszeit nehmen, nicht zwei, aber da wir im Hier und Jetzt die Gelegenheit haben, Musik zu machen, werden wir das so lange durchziehen, wie wir können.
Johanna: Außerdem war unser Vater Lehrer, also verpassen wir nicht allzu viel. Und ich habe das Gymnasium auch durchgemacht und denke, dass wir von dem, was wir jetzt gerade machen, weitaus mehr lernen können.

Bekommt ihr denn Privatunterricht von eurem Vater, während ihr auf Tour seid?
Johanna: Manchmal! Nicht im klassischen Sinne, aber er weiß sehr viel und erzählt uns daher auch einige Sachen.
Klara: Außerdem haben wir jetzt so viel Zeit, dass wir uns mit Dingen beschäftigen können, die uns wirklich interessieren. Das ist ein toller Weg, um seinen eigenen Interessen zu folgen! Anstatt Mathe zu pauken, haben wir viel Zeit, um beispielsweise einfach nur zu lesen.
Johanna: Und wir wissen eben schon ganz genau, was wir machen wollen.
Klara: Genau! Und wenn das klappt, dann wäre das großartig. Und wenn nicht, dann ist es nicht zu spät, wieder zurück in die Schule zu gehen, auch wenn es erst in zwei, drei Jahren sein sollte.

Denkt ihr denn darüber nach, je wieder einmal zur Schule zu gehen?
Klara: Nein! Nur wenn wir müssen, aber natürlich wollen wir nicht.
Johanna: Denn wir wollen Musik machen. Sowohl während den Aufnahmen unserer ersten EP als auch des Albums gingen wir noch zur Schule. Es war ziemlich schwierig, das miteinander zu vereinbaren. Und während der Schule auf Tour zu gehen, ist schier unmöglich.
Klara: Und wenn ich bereits letzten Sommer direkt aufs Gymnasium gewechselt hätte, hätten wir drei Jahre lang warten müssen, ehe wir das Album veröffentlichen hätten können. Bis dahin wäre das Album ziemlich alt gewesen und es hätte sich komisch angefühlt, das Album nach so langer Zeit zu veröffentlichen. Wir hatten einfach das Gefühl: Wir haben genau jetzt die Chance! Warum also warten? Worauf?

Ihr tourt gerade durch Europa und habt eine bevorstehende Tour in den USA. Wie fühlt ihr euch dabei? Gefällt euch das Touren?
Klara: Die Leute nehmen uns und unsere Musik wirklich ernst, seit wir mit einem Album auf Tour sind und nicht mehr nur mit unserer EP. Es scheint so, also wäre man keine richtige Band, bis man ein Album veröffentlicht. Als wir unsere EP aufnahmen, rechneten wir nicht damit, dass wir sie tatsächlich veröffentlichen würden. Die Aufnahmen waren eher ein Experiment. Als wir hingegen die Lieder für unser Album aufnahmen, wussten wir, dass die Leute sie hören würden. Dadurch fühlten wir uns etwas unter Druck gesetzt, aber eigentlich hat es uns nur noch mehr motiviert. Und auf Tour gehen ist ein toller Weg, um Städte und Länder zu bereisen und zu sehen, was die Leute von unserer Musik halten, dass sie sie tatsächlich mögen.

Freut ihr euch denn immer auf die Bühne zu gehen und eure Musik zu spielen?
Klara und Johanna (im Chor): Ja, sehr!
Klara: Ich meine, wir waren nie wirklich Rampensäue, aber wir sind nicht unbedingt nervös, wenn wir auf der Bühne stehen.
Johanna: Wir sind als Kinder schon immer viel aufgetreten, deshalb fühlen wir nicht so. Wir versuchen aber immer, unsere Erwartungen niedrig zu halten.
Klara: Wir gehen einfach auf die Bühne und versuchen unser Bestmögliches und dabei Spaß zu haben.

Was war denn eure schlimmste Live-Erfahrung?
Klara: Etwas, das mir noch nie zuvor passiert ist, aber gerade erst kürzlich vorgekommen ist: Als wir in Oxford spielten, riss eine Saite meiner Gitarre. Ich habe zwar immer Ersatz-Saiten dabei für solche Fälle, aber natürlich musste diese Saite auch noch reißen, sodass ich keine Gitarre mehr zum Spielen hatte. Also fragten wir die Support Band, ob sie uns ihre Gitarre leihen könnten, und währenddessen musste ich das Publikum unterhalten.
Johanna: Das war ziemlich schwierig, weil wir einfach nichts spielen konnten!
Klara: Und ich stand da und wusste nicht, was ich tun oder sagen sollte. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor! Das war also vermutlich unser längstes Konzert überhaupt. Wir haben zwar das Gefühl, dass wir mittlerweile ziemlich viele Konzerte gespielt haben, aber wenn so etwas passiert, realisierst du irgendwie, dass du längst noch nicht alles durchgemacht hast…!

Gibt es denn gewisses Verhalten im Publikum, das ihr gar nicht ausstehen könnt?
Johanna: Wir können nicht wirklich kontrollieren, was das Publikum macht, aber betrunkene Leute können sehr, sehr nervig sein.
Klara: Sollten Leute sich respektlos verhalten, dann werden wir ihnen das sagen. Nicht auf unfreundliche Art und Weise, aber wir werden sie’s wissen lassen. Als wir zum Beispiel beim Fielding Festival ‚In the morning‘ als erstes Lied spielten, waren da Typen im Publikum, die andauernd klatschten und grölten. Wir standen auf der Bühne, sangen dieses ruhige Lied und ich dachte nur: Ist das euer Ernst? Tut ihr uns das wirklich an? Das ist alles andere als cool! Wenn ihr nicht zuhören wollt, dann bitte, geht doch. Es ist außerdem den anderen Leuten gegenüber unhöflich, die dort sind. Auf diese Art und Weise ruinieren sie es so ziemlich für alle Beteiligten.
Johanna: Wenn ich zu einem Konzert gehe, dann respektiere ich den Künstler sehr. Denn ich weiß, wie es sich anfühlt, auf der Bühne zu stehen. Das ist nicht so einfach! Und manchmal reden die Leute, während wir singen, woraufhin wir ihnen dezent aber bestimmt klar machen, dass sie die Klappe halten sollen. Und das tun sie dann sogar!



Bitte erzählt mir von eurem besten Konzert!
Johanna: Da gibt es mehrere. Aber eines davon war, als wir auf einem schwedischen Electro Festival aufgetreten sind. Wir waren uns anfangs unsicher, ob wir da überhaupt reinpassen mit unserer Musik, denn dort waren nur Typen mit Tattooes und Piercings. Als wir dann aber anfingen zu spielen, brachten wir sie tatsächlich zum Weinen!
Klara: Das war eines unserer besten Konzerte, denn wir hatten das Gefühl, dass das Publikum wirklich zuhörte und von unserer Musik gerührt war. Es war großartig ein Teil dessen zu sein!

Hört ihr persönlich denn elektronische Musik?
Johanna: Ich hatte eine Phase, in der ich nur elektronische Musik hörte! The Knife oder deutsches Zeug wie Kraftwerk.

Wo wir gerade auf The Knife zu sprechen kommen: Eure erste EP „Drunken Trees“ wurde auf Rabid Records veröffentlich. Wie kam es dazu?
Klara: Unser kleiner Bruder war im selben Kindergarten wie Karin Dreijer Andersson’s Tochter. Unsere Mutter erzählte ihr einfach davon, dass wir Musik machten und so kam der Stein ins Rollen..

Lest ihr euch eigentlich Rezensionen zu The Big Black And The Blue durch?
Johanna: Wir versuchen, alle CD-Kritiken zu lesen!
Klara: Außerdem ist es schwierig, sich davon fernzuhalten, da wir schon wissen wollen, was die Leute darüber denken. Wir haben auch schon ziemlich negative Sachen gelesen, aber das hilft uns nur zu lernen, dass einfach nicht jeder unsere Musik mögen kann. Das bestärkt uns darin, selbstbewusster zu werden und zu denken: Tja, so ist das nun mal!
Aber es gibt eben auch Leute, die unsere Musik wirklich lieben. Und ich selbst liebe, was ich mache. Das ist sowieso das Allerwichtigste: Dass wir zwei lieben, was wir machen! Und solange wir das tun, wird es vermutlich auch Anklang bei anderen finden.

Eines eurer Lieder heißt ‚Our own pretty ways‘. In diesem Lied erwähnt ihr „The Big Black And The Blue“, den Titel eures Debütalbums. Ihr singt: „But I’ll wake up every morning with the big black and the blue“. Welche Bedeutung hat der Albumtitel?
Klara: Der Titel hat mehrere Bedeutungen. Wir wollen nicht wirklich verraten, was er für uns bedeutet, denn wir wollen die Leute dazu bringen, sich selbst Gedanken über unsere Texte zu machen und eigene Interpretationen zu finden. Es gibt unzählige Möglichkeiten und Wege, sich eines Liedes anzunehmen.
Johanna: Man kann den Titel interpretieren, wie man möchte. Es ist ziemlich langweilig, wenn der Künstler die eigene Bedeutung preisgibt und verrät, wovon ein Text handelt. Somit begrenzt man die Möglichkeiten seienr eigenen Lieder. Es gibt diese Seite namens Songmeaning.com, wo man seine eigene Interpretation eines Liedes mit anderen teilen und darüber diskutieren kann. Das ist ziemlich interessant!
Klara: Und Leute haben das auch mit unseren Liedern gemacht! Es ist so interessant zu sehen, dass die Leute sich ihre eigenen Geschichten ausdenken…
Johanna: …die teilweise gar nichts mit dem zu tun haben, woran wir gedacht haben!
Klara: Und genau das ist so erstaunlich an der ganzen Sache! Es zeigt, dass unsere Texte wirklich eine Bedeutung für manche Menschen haben und sie einen Bezug zu unserer Musik aufbauen. Auf diese Art und Weise machen sie unsere Lieder quasi zu ihren persönlichen Liedern.

Eine Sache interessiert mich wirklich brennend. Vor allem durch euer Fleet-Foxes-Cover von ‚Tiger Mountain Peasant Song‘ seid ihr bekannt geworden und ihr habt sehr viel Lob dafür geerntet. Die Leute im Internet lieben das Video! Aber wie steht es um die Fleet Foxes selbst? Habt ihr von ihnen schon eine Rückmeldung bzgl. des Covers bekommen?
Klara und Johanna (im Chor): Ja, haben wir!!
Johanna: Der Grund, warum wir das Video gemacht haben, war schon, dass die Fleet Foxes es sehen. Nicht, weil wir dachten, es wäre einfach nur cool, wenn sie es sich anschauen würden, sondern weil wir die Fleet Foxes so sehr für ihre Musik lieben! Wir haben sie kurz davor live in Stockholm gesehen und hatten einfach das Gefühl, etwas zurückzugeben zu wollen.
Klara: An dem Tag, an dem wir das Video auf Youtube stellten, haben wir den Fleet Foxes auf Myspace geschrieben, dass wir eben ein Cover von einem ihrer Lieder gemacht hätten. Und bereits am nächsten Tag haben wir eine Mail von ihnen bekommen! Fleet Foxes sind solche Internet-Nerds, die ständig am Computer sind. Ihre Antwort war in etwa: „AMAAAAZZIINNNGG!!!!! SOOOO GOOOOD!!!! bliss harmonies!!!“ Ich fühle mich jetzt, als würde ich prahlen, aber wir sind einfach so so so glücklich darüber!
Johanna: Sie haben das Video sogar auf ihre Myspace-Seite gestellt, nach einer Zeit aber wieder runtergenommen.
Klara: Wir hätten uns niemals erträumen lassen, dass so etwas passieren würde!
Johanna: 2008 in den Niederlanden haben wir sogar die Möglichkeit bekommen, das Lied live mit ihnen auf der Bühne zu spielen. Seitdem haben wir sie ein paar Mal getroffen, da wir auf den selben Festivals aufgetreten sind.
Klara: Das sind wirklich, wirklich nette und bodenständige Typen. Bei ihnen habe ich das Gefühl, dass sie aus den selben Beweggründen Musik machen wie wir, nämlich einfach weil sie es so sehr lieben.

Arbeitet ihr denn schon an neuen Liedern? Können wir bald neues Material erwarten??
Johanna: Nicht wirklich. Wir haben unser Album in Europa erst im Januar veröffentlicht, geschweige denn die USA, wo wir erst im Mai veröffentlichen werden.
Klara: Aber wir haben schon damit angefangen, an neuen Liedern zu schreiben und haben ein paar Demos aufgenommen. Ich bin jetzt schon aufgeregt, was die nächste Platte angeht und denke viel darüber, wie wir sie produzieren werden.

Könntet ihr euch vorstellen, für immer Musik zu machen?
Johanna: In meinem Kopf stelle ich mir vor, wie wir mit richtig langen grauen Haaren Konzerte spielen werden..
Klara: Ich kann mir uns auch mit 60 Jahren noch auf der Bühne vorstellen. Neil Young, Bob Dylan oder Emmylou Harris – sie alle gehen noch immer auf Tour, das ist unglaublich. Das inspiriert mich wirklich sehr! Das ist so ziemlich unser Traum. Musik zu machen, sich zu entwickeln, eine lange Karriere zu haben. Das wäre fantastisch.

Zu guter Letzt: Stellt euch vor, ihr würdet ein Mixtape zusammenstellen und das Thema des Mixtapes wäre Frühling. Welcher Song müsste unbedingt drauf sein?
Johanna: Ich würde wohl ‚Road to Joy‘ von Bright Eyes auswählen.
Klara: Das erste Lied, das mir in den Sinn kommt, ist ‚First Days of Spring‘ von Noah And The Whale. Ich mag dieses Lied ungemein gerne, es ist wunderschön! So fühlt es sich an, wenn man aus der Kälte und der Dunkelheit kommt und es wieder anfängt, warm und länger hell zu werden. Es beschreibt den ersten Tag im Frühling sehr schön. Der Frühling als Wiederbeginn. „It’s like the first day of spring and your life is starting over again.“

Interview: Veronique Homann

www.myspace.com/thisisfirstaidkit

Autor: [EMAIL=veronique.homann@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Veronique Homann[/EMAIL]

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