Interview mit SCARLET SOHO


Von Tieren, Autos, widerspenstigen Instrumenten und einem Album, das durchaus als Kampfansage zu verstehen ist.



Update: SCARLET SOHO am Samstag, 11.12.2010 live in Berlin/ Dazzle Danzclub (w/ UHOH + I AM IMMUNE)

Ein bisschen erschöpft sehen sie aus, aber deshalb kein Stückchen unfreundlich oder genervt, ganz im Gegenteil. Als wir von James Knights und Stuart Key an der Tür der Berliner Maria aufgelesen werden, wo sie heute noch als Support für Zoot Woman spielen werden, sind die Haare zwar noch etwas strubbelig, die Augen allerdings blitzen und das Lächeln in den Gesichtern verschwindet auch nicht, als sie erstmal von einem der Herren Türsteher auf Deutsch angeraunzt werden. Schließlich können wir uns doch noch durchkämpfen und nehmen in dem kleinen Backstagebereich Platz, während draußen schon emsig die Vorbereitungen für die später folgenden Konzerte laufen.

Und als wir noch auf die Namensgeberin der Band, Scarlet, warten, erzählen die beiden schon mal von der aufregenden Reise, die diese Tour für sie bedeutet. Kreuz und quer wurden sie von Deutschland über die Schweiz nach Österreich und wieder zurück geschickt, das alles in einem London Cab, welches kurzerhand als Tourbus zweckentfremdet wurde. Wer schon mal in so einem saß, der weiß wohl, dass sie zwar nett aussehen, aber nicht gerade als die schnellsten Gefährte gelten. Und wenn einem dann noch irgendwo zwischen Köln und Zürich der Reifen platzt, die Scheibenwischer ausfallen und sämtliche Navigationsgeräte behaupten, sich in jeweils einer anderen Stadt zu befinden aber vor allem nicht in der tatsächlichen, dann kann man sich ansatzweise vorstellen, was SCARLET SOHO auf der aktuellen Tour mit Zoot Woman schon alles erlebt haben. Und trotzdem strahlen alle drei – Scarlet hat sich inzwischen zu uns gesellt – um die Wette und freuen sich offenbar, dass wir sie besuchen.

popmonitor.berlin: Ihr habt euer neues Album

Haben die Veränderungen in eurem Line-up denn auch eure Musik beeinflusst?

Scarlet: Eigentlich nicht wirklich. Gut, wir haben jetzt ein Keyboard mehr, also ist der Sound schon ein bisschen anders, aber im Grunde – nein.
Stu: Ich glaube auch nicht, dass ich so besonders anders spiele als meine Vorgänger. Ich meine, es gibt schließlich nicht so viele Möglichkeiten zu spielen wie beispielsweise bei einem Gitarristen. Vermutlich ist es mehr eine Veränderung in der Performance, als eine musikalische.
James: Ich finde, dass unsere Bühnenshow jetzt viel… intensiver und greifbarer als früher ist.
Scarlet: Was wir selbst gar nicht so bemerkt haben, bis uns die Leute darauf ansprachen, die uns bereits einige Male live gesehen haben.

Ihr tourt ziemlich viel, mögt ihr es denn noch?

Scarlet: Ja, wir lieben es!
James: Es wird sogar immer besser, würde ich sagen. Man kommt irgendwann an einen Punkt, an dem man zufriedener ist mit seinem Umfeld, weil man gewisse Erfahrungen gemacht hat und quasi schon mal mit jeder Widrigkeit konfrontiert wurde. Also anstatt wegen irgendetwas nervös zu werden oder unglücklich zu sein, weil Sound oder Bühne nicht so sind, wie erhofft, kann mich inzwischen nichts mehr überraschen und das beruhigt natürlich, man kann einen besseren Auftritt machen. Also, abgesehen davon, wenn jemand in einem Hühnerkostüm auf die Bühne springen würde, das würde mich vielleicht noch irritieren, aber ansonsten… (alle lachen) ist es jetzt um einiges leichter. Man tut, was man tun muss.

Gab es denn ein besonders lustiges Konzert oder einen Abend, an dem alles schrecklich schief lief und an den ihr euch immer erinnern werdet?

James: Hm, wir haben mal in Kopenhagen gespielt und da stand dieses Mädchen in der ersten Reihe, das sich nach und nach auszog, bis sie nur noch in einem Slip vor der Bühne stand. Wir haben das erst gar nicht bemerkt, bis sie gegen Endes des letzten Songs nur noch im Slip da stand und letztlich sogar den ablegte. Das war auf jeden Fall ein Erlebnis. Sonst… was ist mit euch beiden, habt ihr irgendwelche bleibenden Erinnerungen?
Scarlet: Gestern Abend war ziemlich lustig, weil Jim einige Probleme beim Stimmen seiner Gitarre hatte, letztlich entnervt aufgab und…
James: Ja, ich sprang einfach nur noch mit dem Mikrofon rum und hoffte, dass alles gut ausgehen würde. (Lachen)
Stu: Als wir auf einem Festival spielten, wäre mir beinahe mal mein Keyboard vom Ständer gestürzt, das war auch eine lustige Situation.

Um nochmal den Bogen zum Album zu schlagen – was sind eure persönlichen Lieblingslieder auf Warpaint?

Scarlet: Bei mir ändert sich das eigentlich ständig. Ich habe schon immer gerne ‚Cyclone‘ live gespielt, weil es sich tempomäßig ein wenig von den anderen unterscheidet. Langsamer, ohne langsam zu sein, so dass die Zuhörer normalerweise ganz gut reinkommen und uns wiederum Energie zurückgeben. Ja, definitiv – das spiele ich sehr, sehr gerne live.
James: Ich habe eigentlich zwei Favoriten, die situationsabhängig sind. Zum einen ist das ein Song namens ‚Satellites‘, der langsamer und sehr stimmungsvoll ist. Das ist ein Song, wenn der funktioniert, dann tatsächlich richtig gut.
Scarlet: Er wirkt auch in diesen großen Venues besser.
James
: Ja! Wir haben neulich in Wien gespielt und ich würde sagen, es war das beste Mal, dass wir ihn gespielt haben. Es war auch irgendwie ein ziemlich emotionaler Moment, ihn zu spielen. Und dann gibt’s da noch ‚Analogue Dialogue‘, was immer funktioniert, wo auch immer wir es spielen. Für mich ist der Song wohl derjenige, der mich am ehesten glücklich macht.
Stu: Für mich ist ‚Is Growing Up The Best We Can Do‘ das neue ‚Analogue Dialogue‘.
Scarlet: Ja, für mich auch!
Stu: Ich glaube, das war einer der letzten Songs, die für das Album geschrieben wurden und es gibt viele Leute, denen genau dieser im Kopf bleibt, weil er auf der aktuellen Setlist auch den Abschluss bildet. Und wenn er in Erinnerung bleibt, dann scheint er ja irgendwie zu bewegen, es macht Spaß, ihn live zu spielen und eine Reaktion darauf zu erhalten. Er ist wohl irgendwie wie ‚Analogue Dialogue‘ und drückt beim Publikum die richtigen Knöpfchen.

Zum Abschluss noch eine Botschaft für eure deutschen Fans – oder zukünftigen Fans?

James: Kommt zu den Shows, denn wir brauchen euch. Jetzt mehr denn jemals zuvor! (alle lachen)

Und bevor wir uns von den drei verabschieden müssen, bekommen wir noch einen kleinen Ausblick auf November. Da kehren sie nämlich wieder nach Deutschland zurück und bespielen neben Hamburg und Köln am 20.11. auch den Berliner Frannz Club. Unter anderem visuell wollen sie aufrüsten, damit man bei jedem Konzert etwas Neues entdecken kann und sie gerne besucht. Dabei wäre das doch gar nicht notwendig, denn SCARLET SOHO haben nicht nur im persönlichen Gespräch voll überzeugt, sondern auch im folgenden Konzert viele Herzen erspielt.

Vielen Dank!

www.myspace.com/scarletsohouk

Interview: Romy Redtenbacher, Verena Gistl

Fotos © Mark Holloway
Autor: [EMAIL=verena.gistl@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Verena Gistl[/EMAIL]

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