JChan – 1969

Wenn HipHop über Rock nachdenkt, wird es meist dümmlich bis herablassend. Mit 1969 lässt der Lofi-Hiphop-Producer JCHAN aus Kalifornien die Hippie-Bewegung hochleben, ohne sich in Klischees zu begeben. Das Album schließt sich an acht weitere an, die er jetzt auf den Markt wirft.

Der Opener-Titeltrack startet als Radio-Mix und überträgt die für damalige Verhältnisse brutale Wucht der Musiker. Es schließt sich ein Remix eines Rockriffs an. Die Artists hatten eine Art Waffe im Kulturkampf entdeckt: eine Musik, die der Jugend gehörte und von den Alten abgelehnt wurde. „In Focus“ ist ein weiterer instrumentaler Psychedelic-Track mit viel Schlagzeug, Orgel und Flöten.

In „Sonny“ kommt SONNY BONO von SONNY & CHER zu Wort, der versucht, die damalige Bedeutung der Popkultur zu erklären. Bono wurde allerdings in seiner Zeit nach der Musik konservativer Politiker und schließlich Scientologe. Zu hören ist hier ein schönes Psychedelic-Stück, das JChan professionell sampelt.

„Rebels Without Cause“ beginnt mit einer Anklage gegen die Rocker, es sei eine Generation gewesen, die alles hatte und sich undankbar zeigte. Ähnlich war ja auch die Aussage des gleichnamigen Films Rebel Without A Cause (… denn sie wissen nicht, was sie tun, 1955). Tatsächlich entstammten die damaligen Jugendlichen der Mittelschicht und hatten zum ersten Mal in der Geschichte, die Chance, sich als Jugendliche zu individualisieren und zu emanzipieren. Dass darin ihr Wert liegt, wurde natürlich von den Erwachsenen nicht gesehen, sondern als anmaßender Aufstand missbilligt.

„Yes, We Can“ beginnt mit einer alten WDR-Ansage für ein CAN-Konzert. Der Titel des Tracks mit Piano-, Gitarren- und Drumanteilen zeigt es an, dass JChan verstanden hat, dass die damalige Musik auch Politikersatz war für junge Menschen, die damals auch nicht von den Liberalen vertreten wurden. Die Entwertung der Rockmusik in den vergangenen Jahrzehnten könnte man vor diesem Hintergrund auch so erklären, dass sie eben keine politische Kraft mehr entwickelt. Heute ist es v.a. der HipHop, der politische Wünsche formulieren könnte, leider hauptsächlich konservative. „Summer Of Love“ zeigt die große Anti-Vietnamkriegs-Position der Flower Power-Aktivisten an. Auch die Bewusstseinserweiterung durch Drogen wird angesprochen in dem verschroben blubbernden „Love…You Dig?“.

JChan wünscht sich offenbar solch‘ einen Impact von Popkultur zurück („Beam Me Back“). „We Blew It“ zeigt dagegen den Abgesang der Hippies mit einem Ausschnitt aus Easy Rider (1969). Die Freiheit ergibt sich aus dem Geld, das man mit der Musik verdient hat. Ansprüche über den Konsum hinaus, die die 68er auch formulierten, blieben auf der Strecke. Traurig darüber klingt „Soylent“, dass sich die großen Erwartungen der Bewegung nicht erfüllten. Zwar liberalisierten sie die Gesellschaften, doch konnten sie den Systemkonservatismus nicht überwinden. Und HipHop kommerzialisierte sich im 21. Jahrhundert bereits nach noch kürzerer Zeit. Hat die Popmusik im Internetzeitalter dank ihrer Inflation ihre Macht verloren?

 

JChan
1969
(Glazechop Records)
VÖ: 25.01.2020

JChan auf Soundcloud

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