„Marat“ oder die Bedeutung des Songs als eigenständiges Kunstwerk.
JENANA formierten sich 2005 in Hamburg, als Kenneth Hujer und Felix Wolf auf die bereits an gemeinsamen musikalischen Ideen arbeitenden Christian Klenke und Ihno Homma trafen. Das mittlerweile je zur Hälfte in Hamburg und Berlin ansässige Quartett veröffentlichte im Folgenden diverse, überwiegend von auf komplexem Songwriting fußendem Indie- und Postrock geprägte EPs und bricht nunmehr nach längerer Schaffenspause mit der neuen Single „Marat“ als erstem Teil einer interdisziplinär konzeptionierten, Musik, Theater und Video verknüpfenden Single-Trilogie voller Tatendrang auf zu neuen Ufern.
Anlässlich der Veröffentlichung von „Marat“ und der am kommenden Wochenende anstehenden Single-/Video-Release-Galas in Hamburg (Freitag, 11.06. Prinzenbar) und Berlin (
Gab es vor ca. zwei Jahren einen konkreten Auslöser, bereits bestehende Pläne für eine Albumaufnahme/-veröffentlichung zu verwerfen (wie weit war der Prozess der Aufnahme zu diesem Zeitpunkt bereits fortgeschritten?), neue Wege zu beschreiten und schließlich vom „Konzept“ einer Albumveröffentlichung endgültig Abstand zu nehmen?
Seit Bestehen unserer Gruppe war das Ziel selbstredend immer die Veröffentlichung eines Albums, denn allesamt sind wir in den Neunzigern sozialisiert. Anfänglich weicht man diesem Vorhaben jedoch ob handwerklicher Defizite aus und beschränkt sich – auch das haben wir in den Neunzigern gelernt – auf die Veröffentlichung hübscher EPs. Im Folgenden kam so einiges zusammen, natürlich auch der finanzielle Engpass, ohne da jetzt aber in alle Einzelheiten gehen zu wollen – eine leidige Geschichte.
Gab es in dieser Zeit – auch angesichts der doch recht langen Zeit seit der letzten Veröffentlichung – auch mal Phasen von großer Desillusionierung, stand die Band gar auf der Kippe bzw. vor der Auflösung?
Wir hatten durchaus eine längere Sinnkrise, wie man sagt, und setzten mit der Band auch für etwa ein Jahr aus. Schlussendlich aber war es genau jener Prozess, der uns dorthin führte, wo wir jetzt sind – gereinigt von falschen Ansprüchen und dafür mit umso mehr Pepp und Zuversicht in petto.
Wie genau entstand die Idee zur inhaltlichen Ausrichtung von „Marat“ bzw. zum Video – ein musikalisches Porträt des französischen Revolutionsführers Jean-Paul Marat, ein doch recht ungewöhnliches „Pop“-Sujet – und wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Hamburger Künstlerkollektiv Rutschberg? War die filmische Umsetzung von Beginn an klar vorgegeben oder entstand vieles auch auf Grundlage von Improvisationen?
Unsere Arbeit ist seit Bestehen der Band getragen von Ansätzen und Stoffen aus anderen künstlerischen Bereichen. In diesem Fall war es ein Drama von Peter Weiss, der die überaus ambivalente Figur Jean-Paul Marat auf die Theaterbühne brachte, was uns sehr faszinierte. Nichts lag daraufhin näher, als mit dem Künsterkollektiv Rutschberg, das sich um unseren Freund Jakob Engel formierte, über ein gemeinsames Arbeiten nachzudenken, da dieser sich seit Jahren an der Schnittstelle zwischen Film und Theater ausprobiert. Vorgegeben war von unserer Seite nichts weiter, als dass der Song in seiner Haltung ernstgenommen werden sollte: das Durchschreiten der Dekonstruktion.
Wo und wie würdet Ihr „Marat“ im Kontext eures bisherigen musikalischen Schaffens stilistisch einordnen, würdet Ihr der Einschätzung zustimmen, dass hier im Vergleich zu früheren Stücken ein gewisser Hang zur großen Geste vorherrscht und ein sehr eigener, recht elegisch anmutender Pop-Entwurf kreiert wird (im absolut positiven Sinne), der aber keineswegs die Indiepop/Postrock-Wurzeln leugnet? Ist das Stück charakteristisch für Jenana im Jahr 2010 bzw. für die komplette Trilogie?
Ja, mit dieser Einschätzung gehen wir vollkommen d’accord! Und die Trilogie wird genau an diesem Entwurf orientiert bleiben.
Marat from Kollektiv Rutschberg on Vimeo.
Von den Stücken Eurer EP Evoke A Pop Avenue gab es von Bands und Künstlern wie u.a. Leander, Phononoir, Me Succeeds, Anna Rikje Rosenthal auf dem Album We Are Not Here Remixe und Neuinterpretationen. Wie steht Ihr im Rückblick zu diesem Projekt, inwieweit sucht Ihr generell diese gewisse „Geborgenheit“ des Sich-Gegenseitig-Unterstützens bzw. des Zusammenarbeitens und seid Ihr in Hamburg und/oder Berlin in Netzwerke aus befreundeten Musikern, Bands, Künstlern etc. und ggf. auch andere gemeinsame Projekte eingebunden? Oder verfahrt Ihr auch in dieser Hinsicht gerne oder sogar lieber autark?
Dieser Netzwerk-Gedanke ist uns immer sehr wichtig gewesen und wird es auch weiterhin sein, da er auf ganzer Linie förderlich ist und immer das Potential emphatischer Kritik enthält. D.h. Remixe und Interpretationen, aber auch das gemeinsame Konzertieren funktionieren wie gute Sekundärliteratur, die im Zweifel auch mal Unwahrheiten aufdecken und ihren großen Bruder verraten kann.
Der Song „Marat“ wurde von der Berliner Indie-Produzenten-Größe Tobias Siebert produziert (Klez.E, Delbo etc.). Wie kam es dazu und wie gestaltete sich die Zusammenarbeit?
Tobias Siebert ist einfach ein begnadeter Künstler, dessen Arbeit als Produzent wir sehr schätzen. Seine Platten fehlen auf keiner Tournee und über jede neue Produktion wird in Probepausen immer ausführlich geplaudert. Kennen lernten wir ihn auf gemeinsamen Konzerten, die wir mit seiner Band Klez.E spielten. Eine gemeinsame Aufnahme war uns immer ein Herzenswunsch, der nun endlich in Erfüllung gegangen ist und sich mehr als gelohnt hat, wie wir denken. Nicht nur im Ergebnis – die Zeit mit Tobias im Studio war im Gesamten wunderbar und mehr als lehrreich.
Am 11. und 12.06. stehen in Hamburg und Berlin zwei „Video-Release-Galas“ mit musikalischen Gästen, Visual Artists und DJs an, welche Erwartungen knüpft Ihr an diese Konzerte, auf was können sich die Besucher einstellen bzw. besonders freuen?
Es wird ganz einfach der Wahnsinn, ein euphorisches Fest!
Sollen diese speziellen Abende/Release-Galas auch anlässlich der kommenden zwei Veröffentlichungen der Trilogie stattfinden (ggf. auch in anderen Städten?) bzw. ist in diesem oder nächsten Jahr auch mal wieder eine Tour geplant?
Geplant sind zu jeder weiteren Veröffentlichung ausgesuchte Konzerte, die uns neben unseren Heimatstädten Hamburg und Berlin mit Sicherheit auch einmal wieder nach München, Dresden, Leipzig oder Köln bringen werden, vielleicht sogar im Rahmen einer ausgedehnteren Tournee, aber das steht bisher noch in den Sternen.
Vielen Dank für das Interview und bis zum kommenden Samstag im NBI!
JENANA am Freitag, 11.06. live in Hamburg (Prinzenbar) und am Samstag, 12.06.10 live in Berlin im NBI (w/ www.myspace.com/jenanatheband
www.jenana.de
Fotos + Video © Jenana
Autor: [EMAIL=thomas.stern@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Thomas Stern[/EMAIL]