JENSEITS VON MILLIONEN am 06. + 07.08.2010 in Friedland


Nach dem Regen kommt der Regen.



Friedland und der Hauch einer Utopie, die schon im Namen liegt, gleichzeitig Programm ist auf dem JENSEITS VON MILLIONEN, das auch dieses Jahr wieder an dem kleinen Ort im tiefen Brandenburg hinter grünen Matten und blauen Gewässern verborgen liegt. Viele Bands spielen hier für keine Gage, es ist die „gute Idee“, die ein bisschen über allem schwebt und dem Festival von vornherein das Gefühl eines idyllischen Kleinods schenkt. Dass der Zufall gerade in diesen Tagen Regen- um Regenfälle auf das Gelände schickt, ist zunächst unangenehm, von vornherein ausgeschlossen bleibt jedoch, dass der Trübsinn der Wassermassen einen hier in die Klauen bekommt. Der Kampf gegen launenhafte Tropfen ist durch die Zückung des Schirms gewonnen, es folgt die Beachtung dessen, was wirklich wichtig ist.

Neben des Benefizgedankens, der schönen Örtlichkeit mit angenehmer Intimität, Freunden und leckerem Essen ist das natürlich die Musik, beginnend Freitag Nachmittag mit PEDRO MOUNTAINS MUMMY, die sich ihren Spielplatz im Rote Raupe-Wettbewerb erspielten und mit ihren dem Rockhimmel frönenden, ausufernden Gitarren bereits einige Besucher an die Bühne locken. Es folgt bereits als zweite Einheit eine Gruppe, dessen Unbekanntheit in keinerlei Verhältnis zu ihren musikalischen Fähigkeiten steht: THE MOUSE FOLK aus Berlin besitzen Hoffnung und Nostalgie, und im Programm fällt das treffende Wort „Amerika“; alles wird dabei getragen von dem auffallend schönen Klang der Gesangstimme, die den hymnenartigen Charakter ihrer Stücke noch unterstreicht, diesen wird man in Zukunft sicherlich oft (hoffentlich nicht nur) in Berlin erleben können.

Während bei THE BLACK ATLANTIC schwelgende Melancholie in die Nachmittagsdämmerung sickert, folgt bei GARY eine kleine Enttäuschung; vielleicht sind es einfach die hohen Erwartungen auf Grund des Bekanntheitsgrades von Sänger Robert Stadlober, die der Gruppe zum Verhängnis werden, nicht zu leugnen jedenfalls ist eine latente Eintönigkeit, die sich in ihre Melodien schleicht. Fast schon als Höhepunkt des Sets fällt da das abschließende Smiths-Cover auf, was eher durch die Schönheit des eigentlichen Songs als durch GARYs Fähigkeiten begründet ist. Verspielter mutet daraufhin der Indierock von CHAMPIONS aus Koblenz an, die munter Reminiszenzen an britische Indiegrößen in die tanzende Menge schleudern.

FUTURE FLUXUS dann ein Sturm an hektischen Gitarren, viele Menschen im Rausch der Rhythmen, andere bereits in der Kapitulation vor dem Regen versteckt unter Dächern. Ein sich bereits durch den Tag ziehender Zeitverzug führt schließlich zu dem bedauerlichen Abbruch des vielversprechenden TELEKASTER-Sets bereits beim zweiten Song, es ist die Sprache von Rücksicht auf die Bürger von Friedland, ein vom Bürgermeister angeordneter „Lärm“schutz, welcher Verdruss bei Musikern und Besuchern auslöst und den Zug zum Zeltplatz einläutet, wo die Feier für manch eine(n) noch für einige Zeit weiter gehen soll.

Bedeckter Himmel und Nässe auch am nächsten Tag, der früh nachmittags von SEA OF LOVE aka Marie-Sophie Kanske eröffnet wird und Faszination auslöst für diese riesige Bühne und eine einzige Person, die verloren darauf steht; sicherlich verstärkt wird dieser Eindruck auch durch die Zartheit der vorgetragenen, kleinen Melodien aus ihrem Album Grey. Kontrastiv folgen daraufhin Martin „Gotti“ Gottschild und Sven Van Thom vom TIERE STREICHELN MENSCHEN-Komikerkollektiv. Während der Regen Tropfen um Tropfen zu den Füßen rinnt, wird in singender und lesender Art dem Alltag ein Geckenmantel übergestülpt und zwischen Regenschirmen, die die Himmelsräume abschirmen, sieht man viele lachende Gesichter.

FNESSNEJ bilden dieses Jahr wohl das elektronischste aller Ensembles – die Musik stürmt, dazwischen Plätschern, Zischen und Klatschen. Abgelöst werden sie durch die Euphorie von WHO KNEW aus Island, umkost vom Glanz der nassen Gegenstände springt Sänger Ármann Ingvi Ármannsson unermüdlich hin und her, besingt die Vielzahl an ekstatischen Melodien und trägt samt seiner Mitstreiter dazu bei, ein bisschen mehr noch das kühle Nass zu vergessen. Ebenfalls musikalischen Überschwang, nur in eine etwas andere, hardcore-ähnliche Richtung bieten danach die Schweden von ALARMA MAN. Es folgt eine zweite, nassdurchwebte Sommernacht und ein Duell der beiden Bands JAGODA und U*N*S. Es wird nicht ganz klar, weswegen gerade diese beiden Gruppen mit dem Nu Metal-artigen Rock von JAGODA einerseits und der übersteigerten, neonfarben angemalten Version der Neuen Deutschen Welle (passenderweise abgeschlossen mit einem ekstatischen Cover von Fehlfarben) von U*N*S andererseits sich den Auftritt auf der Bühne teilen.

Bei den ursprünglich aus Australien stammenden DUKES OF WINDSOR drängt sich das Publikum danach wie um ein Wärmefeuer an die Bühne, vielleicht beschreiben sie die tanzbarste Band des diesjährigen Festivals, auf jeden Fall die, deren Indierock einen bereits ausgedehnten Bekanntsheitsgrad genießt. Bewegter Glanz im Regen, die Bühne nachtumdunkelt und bereit für den musikalischen Abschluss des diesjährigen Festivals. Dieser besteht aus SOMETREE und einem wohligen Teppich aus klangvollen, vielen bekannten Liedern, die in das Dunkel und die Ohren der Zuhörer fließen.

Später begleitet sie das „Whatever! DJ-Team“ noch durch die Nacht, bis am nächsten Morgen zwischen müden Gesichtern das erste Mal für lange Zeit ein Stückchen Sonne durchbricht. Und während man blinzelnd der kurzen Lichtflut entgegentritt, fällt auf, man hat sie gar nicht sehr vermisst.

www.jenseitsvonmillionen.de

Foto © Jenseits Von Millionen
Autor: [EMAIL=lisa.forster@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Lisa Forster[/EMAIL]

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