YANNICK AELLEN – Dark Crooning (EP)


Musik für nach dem Catwalk.



Wenn Leonard Cohen am 18. August 2010 für einen Abend in Berlin gastiert, um einen seiner gefeierten Auftritte darzubieten, ist YANNICK AELLENs Debüt, die EP Dark Crooning, bereits seit etwa zwei Wochen erhältlich.

Yannick Aellen? Nie gehört? Nun, in der Tat gestaltet sich die Suche nach der musikalischen Vergangenheit des gebürtigen Schweizers nicht unbedingt besonders ergebnisreich. Dafür finden sich auf Anhieb eine Vielzahl von Verweisen auf ein anderes Feld kreativer Betätigung: Ladies and Gents, what do you know about fashion? AELLEN offenbar eine ganze Menge. So hat der 31-Jährige als Casting-Agent, Showproduzent und Booker für internationale Modelabels wie Louis Vitton oder Miu Miu gearbeitet und Stars wie Vanessa Paradis und Patrick Wolf gemanaget, choreographiert, photographiert und kreativ begleitet. Nun also das erste eigene musikalische Release.

Ganz im Sinne seines kosmopolitischen Lebenswandels wurde dieses zusammen mit dem Schweizer Produzenten seiith zwischen Liverpool, London, Zürich und Berlin aufgenommen und anschließend vom durch Arbeiten für Björk und Daftp Punk bekannten Nilesh Patel in den Londoner Exchange Mastering Studios gemastert. Dark Crooning heißt es, und der Titel macht klar, wohin die Reise geht. „Mit Crooner wird ein männlicher Vokalist bezeichnet, der einen Gesangsstil pflegt, bei dem der Wohlklang der Stimme und eine unaufdringliche, gefühlvolle Vortragsweise im Vordergrund stehen“ (das zumindest sagt Wikipedia). Waren es in der Vergangenheit Menschen wie Bing Crosby, Frank Sinatra oder eben Leonard Cohen, die das Crooning als populären Gesangsstil etabliert haben, so ist es heute YANNICK AELLEN, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, diese etwas in Vergessenheit geratenene Art der gesanglichen Performance ins Jahr 2010 und vor allem ins in dieser Hinsicht noch gänzlich unerkundete Feld der elektronischen Musik zu transportieren.

Tatsächlich gelingt AELLEN dies zu größten Teilen sehr gut. Die anfängliche Skepsis, wie jemand, der sich überwiegend im Bereich der visuellen Künste einen Namen gemacht hat, sich nun auf eigenen Bereichen musikalisch schlagen wird, vergeht schnell beim Hören der angenehm retrospektiven und wunderbar ausproduzierten Synthiepop-Nummern. Vintage Drum Sounds treffen hier auf verzerrte, leicht an die späteren Depeche Mode und die jüngsten Veröffentlichungen von Alec Empire erinnernden Synthesizer-Sounds und stellenweise auch stark verzerrte Gitarren, so zu finden in der durchaus tanzbaren Singleauskopplung ‚The Devil (Is a Woman I Never Slept With)‘. Dazu blubbern die monophonen Bässe und rauscht und knistert es, dass es durchaus eine Freude ist. AELLENs typisch unaufgeregter Gesang fügt sich nahtlos in die im Gesamteindruck (natürlich absolut bewusst) sehr unterkühlt wirkenden Produktionen ein, und die drei Stücke der EP, besagte Single, ‚Cutie, Cute the Cutest‘ und die für mich stärkste Nummer ‚Against the Clocks‘, sind angenehm kurzweilig und machen Lust auf mehr.

Das einzige Manko von AELLENs Debütwerk liegt dort, wo gerade Leonard Cohen sich in den über 40 Jahren seiner Karriere ausgezeichnet und sich damit selbst zum wohl größten Crooner der letzten zwei Jahrzehnte gemacht hat: Textlich hat AELLEN stellenweise außer gewissen Oberflächlichkeiten nicht allzu viel zu bieten. Ein Schelm, wer dabei an sein Fashion- und Societyumfeld denkt. Nichtsdestotrotz: Dark Crooning macht Spaß, ist (zumindest musikalisch) spannend und wer weiß, sollte AELLEN sich auch inhaltlich noch steigern können, macht er sich ja eines Tages damit vielleicht zu dem, was Cohen heute ist: zum Crooner seiner Zeit.

YANNICK AELLEN
Dark Crooning
(DSQT/ Zebralution)
VÖ: 06.08.2010

www.myspace.com/yannickaellen
www.yannickaellen.com

Autor: [EMAIL=bastian.fruhner@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Bastian Fruhner[/EMAIL]

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