Behind the picture.
„The next poster boy of the nu-folk scene“ wurde JOHNNY FLYNN einst von The Times genannt. Ein Blick auf die auf diversen (zumeist weiblichen) Fanseiten zu findenden Bilder des drahtigen, blonden Engländers bestätigt diesen Eindruck zunächst in der Tat. Eine Ästhetik wie aus einem H&M Prospekt – es scheint, als sei JOHNNY FLYNN der Versuch, ein wenig Glanz in die doch sonst so geerdete Folkwelt zu bringen. Und tatsächlich: Neben seiner musikalischen Laufbahn haben sich FLYNNs Looks bereits in Richtung einer Karriere als Theater- und Filmschauspieler bezahlt gemacht.
Dabei klingt sein Name mit den zwei „Y“ doch eher wie der eines Countrymusikers vergangener Tage als der eines Filmstars, und wer bei diesem instinktiv eher an Nashville als an Hollywood denkt, der liegt so falsch tatsächlich nicht – zumindest in musikalischer Hinsicht. Nicht umsonst steht FLYNN in meiner iTunes library direkt unter seinem Namensvetter Cash.
2008 bringt JOHNNY FLYNN im kleinen Rahmen sein Debütalbum A Larum heraus und tourt fortan mit seiner Band The Sussex Wit durch die Lande. Nach ersten guten Kritiken und einem positiven Echo, welches sich jedoch weitgehend in besagter Nu-Folk Szene hörbar macht, erscheint nun Album Nummer Zwei. Been Listening heißt es, und der Titel ist Programm.
Sicher, FLYNN präsentiert Folk, wie er zuletzt von Genrevertretern wie Noah and the Whale oder Mumford & Sons erneut zu großer Popularität am Rande des Mainstreams verholfen wurde. Mit Letzteren ging FLYNN in diesem Jahr im Vorprogramm auf Tour durch die größeren Clubs Europas. ‚Kentucky Pill‘, die erste Single aus Been Listening, scheint mit ihrer prägenden Trompete und folky Gitarrensounds ein Zeugnis dieser Zeit zu sein. Dennoch: Mehr als ein weiteres Zeitzeugnis eines neuen Folksounds 2010 ist Been Listening vielmehr so etwas wie eine Würdigung der Einflüsse aller Vorbilder geworden, denen der gute Johnny in den letzten Jahren so gelauscht hat.
Inhaltlich finden dabei neben FLYNNs oft zitierten Shakespeare-Einflüssen auch all die klassischen Motive der amerikanischen Country- und Bluesmusik ihren Platz. Lonesomeness, Running Rivers, der Zug gen Westen und sicherlich, auch der Allmächtige himself: Sie alle werden thematisiert. Auch musikalisch entdeckt man dabei eine starke amerikanische Prägung auf Been Listening. ‚Lost and Found‘, getragen von FLYNNs charakteristischer Stimme und seinem Gitarrenfingerpicking erinnert so ein wenig an Merle Haggard, ein wenig Springsteen hört man in ‚Barnacled Warship‘ mit seinem treibenden Groove. Hank Williams, Tom Petty, Dylan und der Man in Black, FLYNN macht keinen Hehl aus seinen Vorbildern.
Dass er es trotzdem schafft, den 11 Songs auf Been Listening seinen ganz eigenen Stempel aufzudrücken, darf ihm angerechnet werden. Sicher, das alles klingt irgendwie bekannt. Das Rad neu erfunden hat JOHNNY FLYNN mit Been Listening sicher nicht, seine Referenzen schwingen zu deutlich mit. Trotzdem ist dies ein gutes Album mit guten Songs geworden. Dies liegt zum einen (neben FLYNNs großartigen Texten und seiner gekonnten Melodieführung) an der Instrumentierung. Mandolinen, E- und Westerngitarren, Blechbläser, ein Klavier – es findet sich eine Vielzahl von zum Teil recht ungewöhnlichen Instrumenten auf diesem Album, welche zudem meist interessant arrangiert wurden. So treffen akustische Folkinstrumente auf psychedelische E-Gitarren oder verzerrte Drums und sorgen dafür, dass die Songs auch nach mehrmaligem Hören etwas Neues entdecken lassen.
Zum anderen ist es JOHNNY FLYNNs Stimme, die jeden Song zu tragen vermag und ihm eine ihr inne liegende, ganz eigene Atmosphäre verleiht. FLYNN klingt dabei gereift und gelassen, und auch dies zeichnet Been Listening aus. Es klingt wie das Album eines Mannes, der sich gefunden hat. Wahrhaftig, erfahren und ruhig, ganz anders als das, was JOHNNY FLYNNs Foto vermuten ließe. Manchmal täuscht der erste Eindruck eben doch.
JOHNNY FLYNN
Been Listening
(Cooperative Music / Universal)
VÖ: 18.06.2010
www.myspace.com/johnnyflynn
www.johnny-flynn.com
www.cooperativemusic.com
Autor: [EMAIL=bastian.fruhner@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Bastian Fruhner[/EMAIL]