Music Will Tear Us Apart: Die Ian-Curtis-Band im Best-of-Format.
JOY DIVISION sind „In“ – und das nicht erst seit Anton Corbijns filmischer Hommage an Ian Curtis. Bands wie Interpol oder Editors zeigen sich deutlich inspiriert von der Band aus Manchester, die Killers landeten unlängst einen Radiohit mit einer glatt produzierten Coverversion des JOY DIVISION Klassikers ‚Shadowplay‘. Der Zeitpunkt für den Release eines Best-of-Doppelalbums könnte also günstiger kaum gewählt sein.
So liefert CD 1 dann auch Altbewährtes und Erwartungsgemäßes, womit sich das Album erst einmal unwesentlich von früheren Best-of-Compilations wie Substance und Permanent unterscheidet. Sinnigerweise eröffnet ‚Digital‘ die Dokumentation des JOY DIVISION-Schaffens – das erste je aufgenommene und gleichzeitig das letzte live gespielte Stück der Band. Es folgt eine nachvollziehbare Auswahl der üblichen Verdächtigen um ‚Disorder‘, ‚Transmission‘, und ‚Atmosphere‘, auch wenn man einige Favoriten wie ‚Ceremony‘ oder ‚Wilderness‘ vergeblich sucht. Das ist soweit hübsch, vermittelt aber wenig über die Leidenschaft, mit der die Band zu Werke ging, wenig über die Verstörung, die sie auslöste, wenig über ihre eigenen Identitätskrisen und über die Entwicklung vom belächelten Außenseiter zu dem, was sie heute ist: Eine Ikone.
Diese Lücke vermag die zweite CD zumindest teilweise zu schließen. Darauf findet sich etwas willkürlich zusammengestelltes Bonusmaterial, wobei gerade die Aufnahmen aus den John Peel Sessions einen interessanten Einblick in das Bandinnenleben erlauben. Denn in dieser intimen Livesituation wird der Mythos etwas greifbarer, der die Band stets umgab, diese klaustrophobische Atmosphäre, in der sich die Resignation in pure Energie entlädt.
Und hier wird klar, dass JOY DIVISION mehr ist als die „Ian Curtis-Band“. Da ist Peter Hooks unverwechselbare Interpretation seiner Rolle als Bassist, wie sie bei ‚Transmission‘ und ‚Disorder‘ besonders zum Ausdruck kommt und die für New Order und viele Bands prägend werden sollte. Da ist das hypnotische Schlagzeugspiel von Stephen Morris auf ‚She’s lost Control‘ – kalt und mechanisch wie der tosende Arbeitslärm aus einer der vielen Fabriken des Manchesters dieser Zeit. Und da sind Bernhard Sumner-damals-noch-Albrechts blecherne Gitarrenakkorde, die die Harmonien von ‚Love Will Tear Us Apart‘ so unerbittlich durchschneiden, dass die Tragik der Worte einem schmerzlich nahe gebracht wird. Und zwischendrin und über allem schwebend deuten sich Ian Curtis‘ Ausnahme-Qualitäten als Sänger und Bühnenperformer an – so weit das auf Platte eben möglich ist.
Dabei sind es gerade die weniger bekannten Stücke, die einen Eindruck von der eindringlichen Obsession des Sängers und seiner Texte vermitteln, die Curtis mit der ihm typischen Intensität vorträgt. Die Ausweglosigkeit seiner Frage „Is this what life is about?“ (‚Colony‘) und die konsternierte Feststellung „I can’t see it getting better“ (‚The Sound Of Music‘) antizipieren bereits einen Tod, der nichts mit Drogen oder Alkohol zu tun hat, sondern mit einem schlichten Überfordert-vom-Leben-sein.
Diese Aufnahmen machen die Zusammenstellung dann doch noch zu einem akzeptablen Zeugnis der Bandgeschichte, und es hätte sich gelohnt, noch das ein oder andere unbekanntere Stück dazuzupacken, anstatt noch eine dritte Version von ‚Transmission‘ und ‚She’s Lost Control‘. The Very Best Of Joy Division verpasst es, mal einen anderen Zugang zur Band zu eröffnen und sticht daher aus der Reihe der Best-of-Compilations nicht heraus. Wegen der soliden Titelauswahl kann das Album dennoch als Einsteigerwerk für diejenigen gelten, die durch den jüngeren Boom auf die Band aufmerksam geworden sind. Für die richtigen Fans dürfte das mäßig interessante Interview mit Ian Curtis und Stephen Morris auch schon das einzig Neue sein.
JOY DIVISION
The Best Of Joy Division
(Rhino/Warner)
VÖ: 28.03.2008
www.warnermusic.de
www.iancurtis.org
Autor: [EMAIL=arne.wellding@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Arne Wellding[/EMAIL]