
Die LA-Sängerin JOY SHANNON hat sich seit den 2000ern als Interpretin von Celtic Folk über acht Alben einen Namen gemacht, jedoch nicht als historistische Weltmusik wie etwa bei LOREENA MCKENNITT. Die Kalifornierin verfolgt an Harve und Cello durchaus einen Gothic- und Neofolk-Ansatz. Dem zollen auf An Chailleach vier Jahre nach The Cave auch zahlreiche Vertreter der dunklen Künste ihren Respekt.
Mondphasen und Fruchtbarkeit gehörten in alten Kulturen zusammen, wie das Coverartwork in Anschluss an das von The Cave zeigt. Diese Ur-Weiblichkeit wird von Shannon schon im getragenen Auftaktstück „Corr Bán“ wachgerufen. Hier beerdigt sie einen Geliebten und will ihn am Liebsten nicht nach Tír na nÓg, in das keltische Land der ewigen Jugend, gehen lassen. Er lässt sie allein in der patriarchalen Welt. Daran schließt das verzweifelte „Crone of Loughcrew“ an: „I want to run and leave these cruel fucks. I want to run straight to your grave and shake you awake!“ Die mystische Vergangenheit wird zum weiblichen Utopia: „I dream of when the gods were women and it was not a sin to be me.“
Für das Titelstück trifft sie sich mit der Hexenkollegin JESSICA WAX (WORM OUROBOROS, T.O.M.B.) und für „The Spell“ und „Stupstock“ mit EMILY JANE WHITE. Dark Ambient-Expertin LEILA ABDUL-RAUF erhält sogar drei Features. Die Neofolk-Kollegen OSI AND THE JUPITER und AERIAL RUIN fügen sich als Männerstimmen unauffällig in Shannons Sound („Caer Ibormeith“, „The Cannon Fire“).
Die fast durchgängig ähnliche Instrumentierung wird zum Beispiel mit dem düsteren „Mo Corra“ gebrochen: Bassartig wird die Harve als langsamer Rhythmus eingesetzt. Der Remix hiervon klingt vertrauter. Ein echter Ritual Dark Folk ist dann „Corr Bán (Tar Árais Dom)“ mit Kehlsänger und Shamane KAI UWE FAUST von HEILUNG.
Überraschend persönlich und bitter gerät „Song Of My Father“: „You always sang about Jesus. I hope, that he meant love to you. You were always chasing something else but me. I hope you found it. But I don’t think you did.“ Viele Musiker haben sich in den letzten Jahren öffentlich vom Christentum ihrer Eltern abgegrenzt, das ihnen nichts mehr sagt außer Enttäuschung über die Eltern.
Trotz des engen Stils schafft Joy Shannon hier eine magische Gegenwelt, die für viele Menschen ein Fluchtort sein kann.
Joy Shannon
An Chailleach
(Selbstvertrieb)
VÖ: 01.11.24