Kitchen Records – Ghost City Berlin. Lockdown Sampler

Berlin, die niemals schlafende Stadt. Viele Kriege und Krisen haben versucht, sie still zu kriegen. Wird es etwa Corona gelingen? Die Pandemie verschärfte die seit Jahren um sich greifende Gentrifizierung und bedroht die Musikszene. Das will letztere nicht auf sich sitzen lassen. Der vorliegende Sampler von Kitchen Records ist mehr als eine Sammlung von Lebenszeichen. Da brodelt noch immer ein Szene.

Den Anfang macht, wie könnte es anders sein, KITTY SOLARIS, die an der E-Gitarre noch einmal die (einstige?) Partystadt Berlin als „Cold City“ beschwört. Auf Indie folgt Grunge: Das Punkerinnen-Duo BASS SICK SHIT greifen groovend all die Möchtegern-Hipster in der Stadt an.

Nun wird es edel. TIBURSKY beschreibt wie einst CLUESO („Crash“) die plötzliche Verliebtheit als Autounfall und hüllt sie ein in New Wave. Johannes Tibursky, der Mann hinter Kitchen Records, taucht auf dem Sampler übrigens immer wieder als Musiker und Produzent auf. So begleitet er Lindenstraße-Star SARA TURCHETTO in der schönen Indiepop-Ballade „I Caught A Ship“, in der sie sehnsuchtsvoll wie ALISON GOLDFRAPP („Road To Somewhere“) eine Beziehung aber auch die Heimatstadt verlässt. Auf „Love War“ von VAILE war Tibursky spielend und produzierend tätig, während er für THE JCC lediglich im Hintergrund und an der Akustikgitarre in dem zärtlichen Poprocker „Shiver“ zu hören ist. „Carnival Is Over“ der Elektrorocker PRUSSIA hat er selbst geschrieben, produziert und eingesungen. Hier verkündet er Berlin bereits die letzte Party.

Apropos abfeiern in Berlin: Dazu laden KNOEPFE mit „Gold“ zu harten Electrobeats ein. Den Kontrapunkt bilden TIEFE WASSER BERLIN mit „Zerbrechlichkeit“. Zu kühlen Synthies geht es um das Loslassen von Jugend, vom Leben. Ähnlich geht auch EARNEST AND WITHOUT YOU vor („Eight Fold“). Singer-Songwriterin IRIS ROMEN hat sich von mädchenhaften Vorstellungen der Liebe verabschiedet („Dive“). BOBO IN WHITE WOODEN HOUSES singen dagegen zu Düstergitarren auf „The Way Of Love“ das Hohelied der Liebe aus der Bibel (1. Kor, 13).

Sehr erwachsen, sehr retro ist dieser Sampler. „Driving Alone“ von STEVE BINETTI ist ein zeitloser Easy-Slacker, während „Want You To Want Me“ von VIPER SNIPER einen Alternative Rocker nach bekanntem Muster darstellt. ANIQO („No No No“) und PITPONY („Eyes Wide Shut“) gehen verspielter mit Elektronik und E-Gitarren um. Und ME TO MY WALL verwöhnen mit nachdenklichen Shoegaze-Gitarren und Bläsern („Hours“). Jede Menge Möglichkeiten also, den Lockdown positiv zu nutzen und einen neuen Liebling zu finden.

 

Kitchen Records
Ghost City Berlin. Lockdown Sampler
(Kitchen Records/Believe Digital)
VÖ: 19.03.21

www.kitchenrecords.de

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