Vielleicht kann man sagen, dass sich die Jugendkulturen nicht aufgelöst haben. Sie haben nur ihr Wirkungsfeld mit der Gesellschaft hin ins Digitale verlagert. Im Internet blühen die Gamerkulturen: KIWII ist so ein Projekt, das sich im Netz umtut. Seit Jahren bietet es allein und in Kooperationen Neuauflagen von alten Gamesoundtracks an, um Nostalgie-Wütige zu begeistern (Nintencore). Dazu kommt Mommy’s on-the-phonecore wie auf North Point Mall (2021) und schließlich purer Jazz. Dieser wird hier ebenfalls an alten Video-Games aufgehängt: Casinopolis (2019) und Luigi’s Casino (2021). Das neueste Erzeugnis ist benannt nach dem fiktiven Ort Gomorrah, der wiederum nach der biblischen Stadt benannt ist, die für ihre Sünden unterging. Es ist im Videospiel Fallout New Vegas (2010) ein Gebäude, das Hotel, Casino und Stripbar in sich vereint. Es verleitet Kiwii zu seinem bisher interessantesten Output.
Beschrieben wird anhand der elf Tracks ein Rundgang durch den Mafia-geführten Gebäudekomplex. Wohl gemerkt, dieser ist rein fiktiv, wird aber nicht nur durch 3D-Grafiken sondern auch durch seinen Jazz-Soundtrack lebendig. Kiwii nutzt jedoch nicht nur den guten Game-OST sondern lässt externe Jazzmelodien einfließen. Und so begrüßt geschäftige Detektiv-Musik beim Eingang („Lobby Entrance“). Eine Big Band spielt in der Bar „Brimstone“ oder im „Zoara Club“. Hier ist man an Jazz-Game-Klassiker wie Private Eye (1996) erinnert. Dann wird entspannt „Blackjack“ gespielt, bevor man sich zu Slowjazz etwa im „Room Of Pleasure“ den Gelüsten hingibt.
Solch digitale Träume haben für die neuen Generationen Bücher und Filme weitgehend ersetzt. Das Game-Business ist inzwischen die finanziell erfolgreichste Medienzone und wird sich bald in Metaversen auflösen. Die kommerzielle Musikszene ist gut beraten, hier den Anschluss nicht zu verlieren.
Kiwii
Gomorrah
(Fotoshoppe Co.)
VÖ: 22.03.2023