Libera – Forever

Dass der weltberühmte Londoner Knabenchor LIBERA bisher nur einmal, 2016, in Deutschland auftrat, überrascht. Listet doch Wikipedia allein rund 40 Knabenchöre hierzulande. Das Chorunternehmen veröffentlicht drei Jahre nach der letzten EP und einem Jahr seit der letzten LP If sein erstes Post-Corona-Album und das erste in seiner Geschichte, das nicht federführend von ROBERT PRIZEMAN geleitet und produziert wurde. Nachdem dieser jahrzehntelang im Zentrum der 25-30 Jungen stand, hat nun SAM COATES das Ruder übernommen.

Gleichwohl bleiben die poppigen Chorproduktionen Prizemans präsent („O Beata“, „Come My Way“, „Sing For Ever“). Dieser hatte sogar zwei Songskizzen hinterlassen („The Lighthouse“, „At Sea“), die nun vervollständigt vorgetragen werden. Erwachsene ehemalige Chorknaben wie JOSH MADINE produzieren seit Jahren mit und haben diese Aufgabe übernommen. Und natürlich sind wieder alte „Hits“ des Chors dabei wie „Be Still My Soul“ des Komponisten Jean Sibelius.

Zudem werden wieder Covers gesungen wie „Love Shine A Light“​​ von KATRINA AND THE WAVES und Libera haben schon lange BRIAN WILSON als Fan. Das an „Love & Mercy“ anknüpfende Musikvideo zum BEACH BOYS-Cover „God Only Knows“ soll zwar vorrangig die Korea-Tour 2023 dokumentieren, doch zielt hintergründig auf etwas anderes: Hier wird eine klare Parallele gezogen zur berühmten Endsequenz am Flughafen aus dem Film Tatsächlich…Liebe (2003). Diese Liebeskomödie zitierte zwar mittendrin Titanic (1997), aus dem wiederum Libera vor einem Jahr noch „Nearer My God“ coverten. Sie feierte aber zum Abschluss eben nicht die romantische Liebe sondern die Familienliebe und wurde deshalb zum Weihnachtsklassiker. Dies war eine Sinnentstellung, geht es im Originalsong „God Only Knows“ schließlich um eine Paarbeziehung. Doch jetzt werden die Libera-Jungs als großer Brüderkreis in einheitlicher Kleidung inszeniert. Tatsächlich beschwört Coates permanent in Veröffentlichungen, man sei „eine große Familie“. Wenn man an die römisch-katholische Kirche denkt, sollten jetzt eigentlich die Alarmglocken klingeln.

Beim Vergleich mit früheren Aufnahmen wie etwa „Far Away“ von Komponist Takatsugu Muramatsu wird klar, dass bei der neuen Knirpsgeneration kein Wunderknabensopran dabei ist. Einzig ALBINONI wäre hier zu erwähnen („Ave Verum“). Das klingt alles lieb, nicht umwerfend. Mag sein, dass der geradezu unheimliche Hype um das Projekt nun abflauen wird. Zumindest werden allmählich echte friedliche Jungs dargestellt, keine christlichen Knappen wie in früheren Zeiten („Onward Christian Soldiers“).

 

LIBERA
Forever
(Libera Music/Invisible Hands Music)
VÖ: 23.06.2023

http://www.libera.org.uk

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