Das überfällige Projekt Heroes of the Night, in dem weibliche Acts der 80er aus der UK-Indie- und Punkszene vorgestellt wurden, setzt sich jetzt doch fort. Weitere 12 Songs von eben so vielen Acts werden hier zusammengestellt.
Diesmal ist der Focus noch mehr auf DIY gelegt, wie die beiden Sängerinnen SHELLY STEVENS („Secret Love“) und BRENDA PRESCOTT („I Want To Be You“) mit schön kratzbürstigen und doch poppigen Rocksongs vormachen. Unabhängigkeit und Eifersucht liegen ja eng beieinander, wenn es sich um eine mögliche (verpasste) Beziehung dreht. Wer darf abhängig werden, wer unabhängig bleiben?
Der Powerpop-Song „Wonder Wonder“ von TERESA DEL FUEGO mit heftigem Saxophon-Einsatz weist bereits voraus in die Britpop-Zeiten mit Bands wie EMF. Das berühmte Casio-Geplinker aus „Da Da Da“ von TRIO bildet bei den CHOIRGIRLS („I Should Have Kissed Him Then“) nur das Intro zu einem New Wave-Song. Hier wird auf die goldene Rock’n’Roll-Zeit Bezug genommen.
THE ROCHEDALE FAIRIES nutzen die Rolle des unschuldigen Popmädchens nur ironisch aus, um sie dann in „Edelweiss“ mit Powerpop umzukicken und wie eine Schaufensterpuppe wieder aufzurichten. Es handelt sich um ein Lied aus dem Musicalfilm Meine Lieder – meine Träume (1965) über die Trapp-Familie. Hier wird also postmodern durch den österreichischen Heimatkitsch marschiert. Die Mädels kokettieren hier punkartig sowohl mit den Nazis als auch mit dem antifaschistischen österreichischen Widerstand. Sie schließen dabei übrigens an VINCE HILL an, der mit dem vermeintliche Heimatlied bereits 1967 die britischen Charts stürmte.
Für Synthie-Fans gibt es zum Ende etwa „Fireball XL5“ von THE KADETTES.
Dass es mal eine Zeit gab, in der Frauen Männern ihr vermeintlich eigenes Terrain streitig machten, sollte mehr ins öffentliche Bewusstsein kommen. Sowohl im HipHop als auch im Metal bleiben Female-Fronted-Acts eine Seltenheit. Tatsächlich war es mal schick, Frauen ans Mikro und an die Instrumente zu lassen. Um dem Sexismus des Musikgeschäfts zu entgehen, ohne in die Popschiene abgedrängt zu werden, braucht es offenbar mehr Produzentinnen und Labelchefinnen.
Various Artists
Heroes Of the Night Vol. 2
(Membran/Reminder Records)
VÖ: 26.06.2023