Wenn uns Soziologen die Leier von den unreflektierten Männlichkeitsritualen erzählen, geht es immer um Identität. Man fühlt sich eben gut, wenn man weiß, wer man ist. Egal, ob LIMP BIZKIT jetzt eine Mainstream-Band sind oder nicht, lösten sie doch mit alten Rock-Üblichkeiten und entblößten Oberkörpern auf der Bühne allgemeines Verzücken aus. Die wenigen Teenage-Jungs, die am Abend des 17. Juni 09 ihren Weg in die Columbiahalle fanden, fühlen sich jetzt sicher wohl in ihrer Haut. So viele entblößte Männer-Oberkörper im Publikum hat die ehrwürdige Halle schon lang nicht mehr gesehen.
Trotz der hohen Ticketpreise gab es keine Vorband, stattdessen hing ein schwarzer Vorhang vor der Bühne. Um 20 Uhr war die Halle bereits fast komplett besetzt. Nach so vielen Jahren Bühnenabstinenz hatten sich LIMP BIZKIT endlich mal wieder angesagt, noch dazu mit WES BORLAND im Schlepptau. Wer die letzten fünf Jahre nie ein herumlaufendes LIMP BIZKIT-T-Shirt gesehen hatte, dem schlugen jetzt dutzende entgegen. Die Träger waren zumeist in den Zwanzigern oder Dreißigern, die Fans sind halt älter geworden.
Über eine halbe Stunde passiert nicht mehr in der Dunkelheit, als dass ein wenig leise Musik von der Bühne her kommt. Immer wieder kommt es zu Klatsch- und Sprechchören, aber davon lässt man sich nicht locken. Doch dann ein paar Scheinwerfer und schließlich FRED DURSTS Stimme: „Check, 1-2“. Und da sind sie tatsächlich: die Crew plus BORLAND mit LADY GAGA-Maske und Redcap in der Mitte. Die tobende Menge reklamiert, wie zu erwarten, ‚My Generation‘.
Was folgt, ist das Rock am Ring-Set: Hit an Hit, das volle Programm Hass, Spass und Schweiß. Bei ‚Break Stuff‘ brennt die Luft, die Rap-Texte kommen auswendig vom pogenden Publikum. Chocolate Starfish And The Hot Dog Flavored Water bleibt das bestimmende Album. Nicht ein Song vom letzten und grad mal ‚Pollution‘ vom ersten wird gespielt, da man ja ‚Counterfeit‘ bereits am Ring gerockt hat.
DURST ist in guter, fachmännischer Laune, irgendwie könnte auch er vor der Bühne stehen. Er ist Rock-Fan und scheinbar auch Fan seiner Band. Zu ‚Full Nelson‘ lässt er sich vier Leute aus der Masse holen, die mit ihm performen. Und das sieht auf der Bühne wie auch davor gut aus: In einer Stadt, die sich so gut in Rocker und Hopper sortieren kann wie Berlin, ist ein gemeinsames Konzert was besonderes.
Auch schön: Der Mann an den Reglern hat seine Kinder mit zum Konzert gebracht. Die kleine Michelle darf sogar mit DURST auf der Bühne stehen und sich ‚Behind Blue Eyes‘ vorsingen lassen.
Auch nach dem Gig bleibt es lange voller Menschen in der Halle. Die üblichen Bierlachen sind entstanden, die neuen T-Shirts gehen weg wie warme Semmeln und glückliche, grölende Typen tollen raus. Ja, die BIZKITS sind zurück.