Wo bitte geht’s denn hier zur Party?
JETSET aus Österreich hatten es an jenem Donnerstagabend im Lido nicht leicht. Die Wahlberliner eröffneten vor einem nicht mal zu einem Drittel gefüllten Saal für LOS CAMPESINOS!. Zu allem Überfluss hatten sich die wenigen Anwesenden auch noch an die Bar und die seitlichen Sitzgelegenheiten verdrückt, so dass in der Konzertarena gerade Mal um die dreißig Zuschauer standen. Die Band, denen man vom Look her eher attestieren würde, aus den tiefen Wäldern Kanadas als aus dem kleinen Alpenstaat zu kommen, nahm’s gelassen – und spielte, als stünden sie vor ausverkauftem Hause. Ein bisschen wortkarg und in der Kommunikation mit dem Publikum eher sparsam, konnte der klassische Alternative Rock die Anwesenden nicht aus der Reserve locken, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass ihr Musikstil eher antagonistisch zu dem des Hauptacts steht, für den die Mehrzahl der Leute nun mal gekommen ist. Um es mit den Worten ihres Landsmannes Rainhard Fendrich zu sagen, dessen Songtitel ‚Schickeria‘ sich der Autorin assoziativ zu JETSET geradezu aufdrängte: „Mir san immer locka, schick und elegant – unwahrscheinlich lässig, rasend interessant.“ Auch wenn es erst mal keiner bemerkt.
Kurzer Umbau, der Konzertsaal wurde voller – aber nicht ganz. Was soll’s – ein gekreischtes „eins, zwei, drei, vier“ und LOS CAMPESINOS! stürmten die Bühne. Mit ‚Broken Heartbeats Sound Like Breakbeats‘ eröffneten sie ihren Gig, der, kennt man die CD und den Ruf der Band, Hoffnung auf eine riesengroße Sause machte. Entweder bestand das Publikum aber zur Hälfte aus Kritikern oder war noch in der Winterstarre, denn bis auf die englische Fangemeinde stand der Großteil unbeweglich wie festgenagelt an seinem angestammten Platz und hielt sich krampfhaft an der biologisch hergestellten Limonade fest.
Interessant ist aber auch, dass die Band mehr Partyimage verkörpert, als sie tatsächlich auf der Bühne darstellt. Das Durcheinander von Instrumenten, Gesängen, Glockenspiel und Geschrei wirkt zwar kraftvoll-energetisch, allerdings eher „sophisticated“ als fröhliche Abfeierei. Aleks, die rothaarige, walisische Elfengöttin mit ebensolcher Stimme, kam sogar recht selten aus sich heraus. Ganz die Contenance wahrend, verbrachte sie die meiste Zeit hinter dem Keyboard und gab sich konzentriert und kühl-gelassen. Leider war ihr Mikro etwas schwach auf der Brust, so dass man vor allem bei den leiseren Tönen schon sehr genau hinhören musste, damit ihr Gesang nicht neben dem ganzen Geklimper unterging.
Leadsänger Gareth, der Mann mit den wohl bezauberndsten Segelohren seit Lyle Lovett, gab bei diesem Konzert auf jeden Fall alles. Nicht selten musste man fast Angst um ihn haben – er quälte die Wörter aus sich heraus, er musste singen und schreien, koste es was es wolle. Der Verdacht kommt auf, dass dieser Mann an einer Aufmerksamkeitsdefizit-Störung leidet, die er zum Wohl der Band geschickt verwertet – und war das ein Asthmaspray, zu dem er öfter mal griff? Seinem Einsatz war es zu verdanken, dass auch endlich mal in den hinteren Reihen ein zartes Mitwippen zu erkennen war. Nach gut über der Hälfte des Konzerts haben es LOS CAMPESINOS! fast geschafft – bei ‚You! Me! Dancing!‘ war der Funke endlich übergesprungen. Mit ‚We Throw Parties You Throw Knives‘ und ‚Sweet Dreams, Sweet Cheeks‘ setzte sich dann doch so etwas ähnliches wie eine Party in Gang, etwas zu spät, denn der reguläre Teil des Konzerts war nun vorüber. Spät aber nie – nach diesem Motto applaudierte das Publikum dann doch recht euphorisch und wurde mit ‚2007, The Year Punk Broke (My Heart)‘ als Zugabe belohnt.
Das Gewusel auf der Bühne löste sich auf, das Septett machte den Abgang und zurück blieb eine nur halbwegs zufriedene popmonitor-Autorin mit dem festen Vorsatz, diese Band auf jeden Fall noch einmal in ihrer britischen Heimat live zu sehen.
www.loscampesinos.com
www.myspace.com/loscampesinos
www.myspace.com/jetsettheband
Autor: [EMAIL=sandra.wickert@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Sandra Wickert[/EMAIL]