Love und Liebe

Ein Kumpel meint: „Nun mach mal halblang. WHITE LIES gegen Sexismus?“ Ja, das geht wirklich. Die Vorabsingle ‚Bigger Than Us‘ zum im Januar erscheinenden Album Ritual lässt sich prima einem Song gegenüberstellen, der dieses Jahr an uns klebte: KATY PERRYS ‚California Gurls‘. Da hätten wir zwei Arten, mit den Dingen zwischen Mann und Frau umzugehen.

Musikvideos geben einen der möglichen Interpretationsrahmen für einen Song vor. Hier sind zwei Videos, in denen Mädchen aus Süßigkeiten gezogen werden. Doch in dem einen sind Frauen wirklich nur das Naschwerk des Mannes, im anderen eben nicht: Der Popsong ‚California Gurls‘ soll eine Hymne auf einen bestimmten Lifestyle sein, bei dem Katy Perry als lecker Pin-Up-Girl vor Pornoproduzent SNOOP DOGG posiert, der natürlich Herr über ihr Schlaraffenland ist. Im New-Wave-Song ‚Bigger Than Us‘ dagegen spricht HARRY MCVEIGH vom Wunsch, eine echte Beziehung zu führen, während ein Knabe um sein Mädchen bangt, das, in Schokolade gesteckt, zu ersticken droht.

In beiden Songs ist von „Love“ die Rede, doch scheint Letzterer die „Love“ des ersten abzulehnen. KATY PERRY liebt Kalifornien und Doggy Dogg die dort heimischen Mädels. Es ist eine „Love“ wie die in der McDonalds-Werbung: „Ich liebe es.“

MCVEIGH singt dagegen von etwas, das über einseitiges Mögen hinausgeht, was sogar größer ist als das Zusammensein. Er befreit im Video das kleine Mädchen aus seinem Zuckersarg, das nicht ohne Grund als Cheerleader für ihr Gefängnis gekleidet ist.

Wer, wenn nicht die Kunst sollte uns erzählen, was Liebe ist? Die Wissenschaft? Die reduziert Liebe biologistisch auf Hormone und Duftstoffe. Die Kirche? Im Dezember 2009 erklärte ein katholischer Erzbischof, dass man eine Frau, die abteibt, gerne vergewaltigen darf. Das Fernsehen? Wo Erwachsene in Reality-Formaten wie entmündigte Kinder verkuppelt werden?

Die Kunst also. Doch hinter uns liegt ein langweiliges Jahrzehnt HipHop- und R’n’B-Pop. Jedweder alternativer Rap wurde in den Untergrund gedrückt und Popsängerinnen wie MADONNA und LADY GAGA können auf R’n’B-Beats nicht mehr verzichten. Man muss sich klarmachen, dass Millionen Kinder und Jugendliche in dieser Kultur aufgewachsen sind. Typen wie 50 CENT und KOOL SAVAS haben Sexismus wieder cool gemacht. Nach dem Motto „Alle Frauen sind Schlampen“ funktionieren tausende Tracks. Und wenn CHRIS BROWN und BUSHIDO kein Problem damit haben, ihre Freundin zu schlagen, wird das von der Jugend registriert.

Da wird einem erst bewusst, was für einen Schatz wir mit Indie und Alternative haben.

www.whitelies.com

www.katyperry.com

Fotos: KATY PERRY, WHITE LIES

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