Luis – Internetbaby

Rapper und Sänger LUIS hat sich in vier Jahren ins Zeug gelegt: Drei Solo-Nitro-Alben, letztes Jahr die Co-Produktion Stepbros mit IND1GO, dazu Singles und die EP DB4N3. Das ist nicht wenig und zeugt nicht nur von viel Freizeit während der Coronapandemie. Vielmehr wird die Getriebenheit heutiger Kleinartists deutlich, welche die immer hungrigen Plattformen permanent füttern müssen, um nicht von einem Monat zum Anderen abgeratet zu werden. Sobald man auf dem Radar ist, muss man alles tun, um daraus nicht mehr zu verschwinden und die Konkurrenz ist schier unendlich. Und so lockt Luis Fans clever mit Deutschpop-Singles an, um ihnen so seine Deutschrap-Alben anzubieten.

So erschien vor fast genau einem Jahr die Single „Helene“, in der Luis zu zarten E-Gitarren-Akkorden geradezu sensibel davon singt, „atemlos durch die Nacht“ zu gehen. Im Video bedient er dagegen die Gangsterrap-Ästhetik mit Sturmmaske und Frauenpopo. Mal wieder Schlager und Rap, Kitsch und Porno kaum einen Atemzug voneinander entfernt – so bieder, so billig gestaltet sich also der Geschmack heutiger Teens.

Doch was erwartet diese auf der mit 20 Tracks bisher längsten Platte von Luis? In „Luft“ singt er zu Beats über „Hoes“ und Klamotten. Den Weg zu diesem HipHop-geupdateten Deutschpop haben Leute wie CLUESO, CRO und YUNG HURN geebnet. Doch während diese anfangs stets ein Augenzwinkern mitliefern mussten, um nicht gar zu „wack“ zu wirken, muss sich jemand wie Luis darüber keine Gedanken mehr machen. In drei Jahrzehnten ist die raue Unangepasstheit des Rap verpufft und die Kids können mit ihren Schlagereltern gemeinsam feiern gehen.

Positiv fällt der Wunsch auf, den Trend von US-Rappern wie MACHINE GUN KELLY Poppunk wieder zu beleben, auch nach Deutschland zu holen. Das Liebeslied „1.000 Emotionen“ nutzt freilich nur freundlichste Gitarre. Im Feature jammert Trapper T-LOW noch irgendwie schnell seinen Part rein, bevor es wieder mit dem Refrain weitergeht. „Sumpf“ agiert mit Akustikmelodien und erzählt vom Liebesleid und Rapperleben.

In „Jeder Braucht Xans“ oder „Trance“ wird die innere Leere des Umfelds eingefangen, die man mit Rausch versucht zu füllen. Die Gleichsetzung von Frauen und Drogen als Waren, um die man kämpft, wird hier locker weitergeschrieben. Es ist jener freundlich-befriedigte Sexismus seiner Vorbilder. Sobald man jedoch wirklich mit dem anderen Geschlecht spricht, gibt man für sie natürlich „alle Hoes auf“ („Bei Mir“) und das nur, um sie zum Seitensprung zu verführen („Wieso“). Eigentlich will man ja lieber einen auf großen Jungen machen („Nass“).

Nach der Hälfte der Songs dämmert dem Hörer, dass man keinen HipHop mehr erwarten muss. Es ist Pop-Rap oder „deutscher R’n’B“, wie es heißt. Dafür bräuchte es aber tolle Hooklines und spannend geschriebene Songs. Die gleichförmigen Midtempo-Songs von Luis fließen dagegen zusammen. Seine Lyrics könnten praktisch in jedem dieser Tracks eingesetzt werden. Was soll auch an Inhalt und Komposition entstehen, wenn man sich für ein Album kaum ein Jahr Zeit nimmt? Er meint tatsächlich, seine Realness würde ihn von allen anderen Rappern unterscheiden („Tropfen“), denn er würde nicht in die Welt der Mehrheit passen („Versager“). Das ist ein Irrtum und sein Album leider wie so viele Deutschrap-Produktionen Zeitverschwendung.

 

LUIS
Internetbaby
(Selbstvertrieb)
VÖ: 11.02.2022

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Live

04.09.22, Hamburg, Uebel und Gefährlich
06.09.22, Berlin, Kantine am Berghain
07.09.22, Köln, Yuca
08.09.22, Nürnberg, Z-Bau
10.09.22, Stuttgart, Schräglage
11.09.22, Dortmund, Junkyard
21.09.22, München, Milla
21.09.22, Frankfurt/Main, Zoom

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