Machine Gun Kelly – Tickets To My Downfall

Na sowas? Schon beim letzten Titel „I Think I’m Okay“ von seinem vierten Album Hotel Diablo spielte Rapper MACHINE GUN KELLY tatsächlich Poppunk zu den Drums von TRAVIS BARKER (BLINK-182) und an den Mikros zusammen mit YUNGBLUD. Fake wie letzterer dürfte nun auch sein erstes Poppunk-Album werden, könnte man meinen. Und der Verdacht liegt nahe, dass sich hier Interscope Records ein Möchtegern-Poppunk-Revival leistet, um zu verhindern, dass aus dem Underground irgendwann mal wieder ein paar echte Rockbands aufsteigen. Doch was leistet COLSON BAKER hier?

Opener „Title Track“ zeigt ihn an der Gitarre und lässt ihn nach einem 40sekündigen Akustik-Intro ein wenig ausflippen. Man hört hier sowohl den Einfluss von Co-Produzent und Indiepopper NICK LONG (DARK WAVES) als auch von Barker heraus, der tatsächlich an allen Tracks mitgeschrieben und -produziert hat. Der umtriebige Barker hatte sich mit Punk-Bands freigeschwommen, wobei er sich mit den TRANSPLANTS und GIVE THE DRUMMER SOME bereits dem Rap-Rock zuwandte. Machine Gun Kelly dürfte entsprechend sein Meisterstück werden, da Blink-182 nun wirklich nicht mehr funktionieren. Die krasseste Anbiederung an die alten High School-Helden ist „Concert For Aliens“, in dem kein Klischee ausgelassen wird. Bakers Album wird hier zum Ersatz-Spielplatz für Barker.

Entsprechend kommen hier zum einen gut gelaunte Sauflieder („Kiss Kiss“) und Blink-mäßige Lovesongs („Bloody Valentine“) heraus. HALSEY im Duett „Forget Me Too“ versucht sich als neue KELLY CLARKSON.

Zum anderen profitiert man von der Umorientierung mancher Traprapper hin zu wirklichen Songs. Ein gelungener Rap-Rocker ist z.B. „All I Know“ mit Rapper TRIPPIE REDD, der schon mit KISS und MARILYN MANSON arbeitete. Er dürfte hier auch seinen Schützling IANN DIOR untergebracht haben („Nothing Inside“). Die Wurzeln von Rapper und Produzent BLACKBEAR liegen dagegen tatsächlich in der Rockband POLAROID und mit „My Ex’s Best Friend“ will er ihnen wohl treu bleiben. Songs hat er schon für die einstigen Nu Metaller LINKIN PARK geschrieben, aber auch für übelste Popper wie JUSTIN BIEBER, MAROON 5 oder NICK JONAS.

Dieses Publikam kann sich auf dem immer gleichen Muster ausbreiten: einfache E-Gitarren-Strophen und digitale Refrains. Auf Sexismus verzichtet Mr. Cool hier übrigens erneut nicht (z.B. „Hollywood whore“ in „Drunk Face“), vergleicht einen Streit mit der Ex mit dem dritten Weltkrieg („WWIII“).

Fazit: Man muss schon ein harter BLINK-Fan gewesen sein, um diesen Abklatsch zu feiern. Für Rocker ist das im besten Falle eine Lachnummer. Tickets To My Downfall ist aber interessant für die HipHop-sozialisierten Generationen, die sich von ihren Stars neue Impulse wünschen. Und wer weiß? Vielleicht ist es eine Chance für sie, andere Musik überhaupt zu entdecken. Das könnte zumindest der Wunsch Barkers und Bakers gewesen sein.

 

Machine Gun Kelly
Tickets To My Downfall
(Bad Boy Entertainment/Interscope Records)
VÖ: 25.09.2020

www.machinegunkelly.com

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