Melt! Festival 2005 vom 15. – 17. Juli in Ferropolis bei Gräfenhainichen

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Auf dem unwirklichsten und dadurch imposantesten Konzertgelände Deutschlands gab es zwei Tage und zwei Nächte lang eine hochklassige Mixtur aus Rock, Pop und Elektronik.



Im östlichsten Zipfel Sachsen-Anhalts, dem Landkreis Wittenberg wurde in den Neunzigern ein ehemaliger Tagebau zum Freilichtindustriemuseum und Veranstaltungsort umfunktioniert. Bei Konzerten von Grönemeyer bis Metallica standen bereits Zuschauer umringt von riesigen Baggern in FERROPOLIS, der „Stadt aus Eisen“. Seit 1999 ist auch das Melt! Festival dort zu Hause und begeistert die Besucher Jahr für Jahr mit einem gelungenen Mix aus DJ-Sets, elektronischen Live-Performances und Gitarrenbands. Außerdem werden natürlich die Möglichkeiten des Geländes besonders genutzt, indem Lichtkünstler die industriellen Kolosse in Szene setzen, was, unterlegt mit brummenden Bässen, seine Wirkung nicht im Geringsten verfehlt.



Der Wetterbericht sagte für das Wochenende neben sommerlichen Temperaturen auch kräftige Gewitter voraus, was dem Konzert von MAXIMO PARK einen ordentlichen Dämpfer in Form eines Abbruchs bescherte. Diese hatten ihren Auftritt wegen eines dringenden Termins in England bereits um eine Stunde vorverlegen müssen und wurden dann von Sturm und Regen zur Unterbrechung gezwungen. Nachdem sich der Regen dann gelegt hatte und die Bühne vom Wasser befreit war, blieben ihnen nur noch wenige Minuten bis zur Abreise. Diese wurden aber für eine fantastische Akustikversion von ‚Graffiti‘ genutzt.
In der Folge blieb es trocken, auch wenn es Bands wie den BOLZPLATZ HEROES oder der momentan wohl besten deutschen Rockband THE ROBOCOP KRAUS eher schnuppe gewesen sein wird, bespielten sie doch die überdachte Gemini Stage. Etwa gleichzeitig lösten auf der Hauptbühne PHOENIX ihr Versprechen ein, das beim Melt! 2004 aus Zeitgründen abgesagte Konzert nachzuholen. Den längst wieder trockenen und gut gelaunten Besuchern kam das französische Feuerwerk der eingängigen und sehr tanzbaren Popmelodien offensichtlich sehr entgegen und das Festival erreichte seinen ersten Höhepunkt. Im Anschluss gaben sich TOCOTRONIC die Ehre, deren zweifellos tolles Konzert sich jedoch kaum von dem beim

Viel umschwärmt sind in diesem Jahr auch die New Yorker von BLOC PARTY, die noch vor der Veröffentlichung ihres Debütalbums [i]Silent Alarm[/i] zur Band des Jahres gekürt wurden. Ihr Auftritt erfüllte die Erwartungen aber leider nicht so ganz.
Auf eine einstündige Ekstase, angeheizt von dieser ungemein treibenden Kraft in Songs wie ‚Banquet‘, hatte man sich eingerichtet, aber der Funke wollte einfach nicht überspringen, was das Ganze zu einem eher faden Konzert machte. Der Auftritt von Moloko-Sängerin ROISIN MURPHY dagegen absolut hochklassig, auch wenn gegen drei Uhr morgens Konzentration und Kraft bei vielen Besuchern schon am Boden war.
Als WARREN FISCHER und CASEY SPOONER alias FISCHERSPOONER die Bühne betraten, war die Nacht bereits verschwunden und das Publikum schon merklich ausgedünnt. Der fordernden und exzentrischen Show der Elektroclash-Ikonen zum Dank wurden aber auch noch die letzten Kraftreserven mobilisiert.
Eine Besonderheit des Melt! ist es, dass die Musik während des gesamten Wochenendes nie wirklich aufhört. Bis sieben Uhr konnten die Besucher auf dem regulären Gelände, von sieben bis sechzehn Uhr auf dem Sleepless Floor vor dem Einlass tanzen. Um dies durchzustehen sind aber reichlich Energieriegel oder vergleichbares nötig, was – zum Glück – nicht jedermanns Sache ist. Daher ein Zeitsprung zum frühen Samstagabend.



Da nämlich stand ANDREAS DORAU, nach acht Jahren Veröffentlichungspause endlich wieder mit neuem Material, mit Band und tanzendem Hund auf der Bühne und segnete die Zuhörer mit all seinen Popperlen. Auch CARSTEN MEYER, der als EROBIQUE zu späterer Stunde auf dem Big Wheel Floor auftrat, unterstützte ihn dabei.
Ein weiterer musikalischer Leckerbissen folgte sofort: 13 & GOD, das Gemeinschaftsprojekt von THE NOTWIST und THEMSELVES schüttelten mit extremen Bassfrequenzen die Mageninhalte des Publikums kräftig durcheinander. Der von THEMSELVES ins gemeinsame Boot gebrachte Elektro-Rap verträgt sich offensichtlich auch live fantastisch mit den THE NOTWISTschen Klangwelten. Als kleinen Bonus gab’s gegen Ende auch noch ‚Pick up the phone‘, woraufhin wirklich alle zufrieden gestellt waren.



Nach einer wohlverdienten Verschnauf- und Umbaupause kam das Highlight schlechthin. Der exklusive Auftritt von BRIGHT EYES VS. THE FAINT, zwei von unzähligen fantastischen Bands des Kultlabels Saddle Creek. Niemand wusste im Vorfeld genau, was einen bei diesem Konzert erwarten würde.
Zunächst suchte man auf der Bühne vergebens nach CONNOR OBERST alias BRIGHT EYES. Die ersten fünfundvierzig Minuten gehörten zur Überraschung aller THE FAINT allein – ein ganz normales Konzert also. Normal heißt bei THE FAINT aber ein stets tanzbarer Ausnahmezustand mit der totalen Ekstase bei ‚I Disappear‘. Und dann hieß es zur erneuten Überraschung viel Spaß mit BRIGHT EYES und die Bühne war wieder leer und wurde erneut umgebaut. BRIGHT EYES VS. THE FAINT hieß also: Erst ein Konzert von THE FAINT und dann eins von BRIGHT EYES. Na gut. Beim anschließenden BRIGHT EYES Konzert bedienten THE FAINT freilich die Instrumente, der Sound unterschied sich dadurch aber nicht wesentlich von anderen BRIGHT EYES Konzerten. Sei’s drum, CONNOR OBERST bewies auf ein Neues, warum er der aktuelle Superheld des melancholisch-folkigen Songschreibens ist. Mit seiner zerbrechlich wirkenden aber alles durchdringenden Stimme berührte er eine Schar von mit geschlossenen Augen mitwippenden Zuhörern. Verglichen mit anderen Auftritten beim Melt! war dieser natürlich um Längen ruhiger, dafür aber auch entsprechend intensiver.



Beim Konzert von UNDERWORLD wurde es dann noch mal so richtig laut, während sich das Melt! Festival 2005 so langsam der Ziellinie näherte. Für die ganz harten ging es zwar noch bis Sonntag sechzehn Uhr weiter, aber wer gehört schon dazu?

Ein schönes Festival sollte man verlassen, solange man noch weiß was gerade passiert ist. Andernfalls denkt man das ganze Jahr lediglich über die Gedächtnislücke, nicht aber über das Festival selber nach.
Also: Bis nächstes Jahr, ich denk an dich.

www.meltfestival.de

Autor und Fotos: [EMAIL=alexander.eckstein@b-i-b.de?Subject=Kontakt von der Website]Alexander Eckstein [/EMAIL]

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