[B]Das Konzert von SENOR COCONUT war so wie das Wetter in der Nacht: Schön angenehm, aber nicht heiß.[/B] Als ich in die Arena Treptow kam, fiel mir gleich wieder ein, warum ich hier so selten bin. Es ist einfach keine Location für coole Konzerte. Zu groß, zu hoch, alles verläuft sich zu sehr und jeder weiß, dass der Sound immer schlecht ist. Das letzte Mal war ich in den 90ern hier, ich glaube bei Korn, oder war ich danach noch beim Kravitz Lenny? Dieses Mal rief die POPDEUROPE und es kamen einige um SENOR COCONUT zu sehen, den Mann, der unseren peinlichsten Lieblingsliedern einen neuen Anzug verpasst. Beginnend möchte ich noch erwähnen, dass der Sound diesmal gar nicht so schlecht war wie sein Ruf. Die Vorgruppe THINK OF ONE kommt eigentlich aus Belgien, besucht aber stets fremde Länder, um Musiker und Menschen kennen zu lernen und mit ihnen Platten aufzunehmen. Gezählte neun tummelten sich an diesem Abend auf der großen Bühne. Allen voran die Frontdame (sagt man auch selten, oder?,) die 64-jährige (!) Brasilianerin Dona Cila do Coco. Die Band sprühte vor Spielfreude und zelebrierte die lateinamerikanischen Wurzeln ihrer Gastmusiker. Vor drei Wochen hatte ich Berimbrown, ebenfalls eine brasilianische Band, im Tränenpalast gesehen, die die gleiche Power an den Tag legte. Es liegt also nahe, dass es am Herkunftsland liegt, dass man mit so viel Seele und Spaß dabei ist. Ich sage nur Fußball.
Es war sehr leer im Zuschauerraum, und so konnte ich ganz entspannt bis zur zweiten Reihe vorschlendern und hatte trotzdem mehr als ausreichend Platz, meine Hüften schwingen zu lassen. Wie auch immer, der Funke ist auf das Publikum übergesprungen und THINK OF ONE hinterließen einen positiven Eindruck. Bei ihrer eingeforderten Zugabe bedienten alle neun Musiker Percussioninstrumente, und die Sängerin lief noch mal zur Hochform auf. Back to the Roots. Damit machten es THINK OF ONE dem Headliner nicht gerade einfacher.
Gegen 23 Uhr enterte dann SENOR COCONUT und sein Orchester die Bühne. Die ersten beiden Songs kannte ich leider nicht oder vielleicht habe ich sie einfach nicht erkannt, das kann durchaus sein. Hey, kann ich etwa alles kennen? Anfangs schien mir die Band oder zumindest der Maestro, wie er von seinem Frontmann immer genannt wurde, ein wenig abgegessen aufgrund des relativ mager besuchten Konzertes. Immerhin ist es ja der einzige Auftritt von SENOR COCONUT in Europa, wenn man von den zwei Festivals im August mal absieht. Je länger das Konzert ging, desto mehr habe ich durchschaut, dass das einfach zum Style des Chefs gehört. Er ist halt großer Kraftwerk Fan, und da kann man nicht wie aufgezogen auf der Bühne herumspringen. UWE SCHMIDT aka Atom Heart aka Eric Satin hat in 10 Jahren mehr als 200 Alben in Eigenregie produziert und gilt als Pionier der elektronischen Musik in Deutschland. Also nicht verwunderlich, dass er besseres Publikum erlebt hat.
Mit Sade’s größtem Hit dem 80er, dem Goldkettchen-Schmachtschinken ‚Smooth Operator‘, wurde dann zum Mambowahnsinn geblasen. Sänger Agenis Brito war sehr ambitioniert, das Publikum zum Tanzen zu bringen und fragte ständig: „Are you dancing?!“ und lehrte: „This is ChaChaCha!“ Wir wurden zum Mitsingen aufgefordert, was wir nicht ausschlagen konnten. Es folgte ein wahrer Regen an Hits: COCONUTs aktuelle Single vom Freigesprochenen des Jahres, ‚Beat it‘, ‚Riders on the Storm‘ von den Doors und ‚We are the Robots‘. Eines wurde mir dann mal wieder klar, und zwar wie groß Kraftwerk sind. Wenn man einen Hit wie ‚Tour de France‘ hört, bekommt man noch Gänsehaut und fühlt wie die Schmetterlinge im Bauch Mambo tanzen, oder eben ChaChaCha.
Und dann natürlich Deep Purples ‚Smoke on the Water‘. Das Publikum tanzte mittlerweile auch und versuchte sich in seiner jeweils eigenen preußischen Version des Mambo. Mich eingeschlossen. Sehr eigen, aber man war unter seinesgleichen. Ein wenig enttäuschend fand ich, dass die Percussion wie Rasseln und sonstige Shaker aus dem Apple Laptop kamen, da hätte man doch noch jemand Lebendiges engagieren können. Aber sonst hätte der Maestro gar nichts mehr zu tun gehabt. Außer zwischendurch: „One, two, three, four“ anzuzählen. Er ist halt „The Brain“. Als Zugabe wurde dann Kraftwerks ‚Music Non-Stop`‘ auf 10 Minuten ausgequetscht. Die Bandmitglieder wurden vorgestellt, und so konnte man auch in Erfahrung bringen, dass das Lieblingsinstrument des Sängers das Vibraphon ist.
In einem Club funktioniert das sicher alles besser, in der Arena aber hatten SENOR COCONUT es schwer. „Are you dancing?“
Fotos: © Think of One / Senor Coconut
www.popdeurope.de
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Autor: [EMAIL=marceese@b-i-b.de?Subject=Kontakt von der Website]marceese[/EMAIL]