Michael Nast | „Wer liebt sich schon selbst?“

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Wer hätte gedacht, dass ein Blog-Eintrag mit dem Titel Generation Beziehungsunfähig wie eine Bombe einschlagen würde? MICHAEL NAST auf jeden Fall nicht. Seit der gebürtige Berliner seinen Text auf im gegenteil veröffentlicht hat, trudeln ihm zu seiner eigenen Überraschung Unmengen an Zusprüchen ein – von 40-Jährigen, von Mittzwanzigern, von Teens. Schnell fragt man sich: Sind wir jetzt alle ein bisschen bemitleidenswert? Wie weit treibt uns der Selbstverwirklichungsdrang? Und wie sieht sich der Autor selber in dem ganzen Dilemma?

Du vergleichst das Leben deiner Eltern – Haus, Auto, Kinder – mit deinem eigenen – nichts davon – und stellst fest, dass unsere Generation gemessen daran gescheitert sei. Ich persönlich halte das nicht für Kriterien eines geglückten Lebenswegs und kam bisher super ohne aus. Bin ich gerade am scheitern?

Nein, das halte ich auch nicht für erstrebenswert und das meine ich damit, wenn ich sage, dass ich mit gemischten Gefühlen durch diese Gegend laufe. Leute in meinem Alter, die in einer Einfamilienhausgegend wohnen, tun mir leid. Die haben sich die Generation ihrer Eltern angeguckt und gesagt: So wird es gemacht, so mache ich es auch! Ein Klischee leben – macht das glücklich? Ich weiß nicht. Vielleicht gibt es da aber auch verschiedene Verständnisse von Glück. Ich lebe selber ganz anders und scheine ein Prototyp zu sein. Ich war im Job immer Quereinsteiger und habe das gemacht, was ich richtig gerne mache. Der Preis für harte Arbeit ist aber, dass viel auf der Strecke bleibt.

Und die Arbeit vermischt sich mit dem  Privatleben. Wir sind jederzeit erreichbar – immer ready für den nächsten Auftrag. Du hältst das für eine freiwillig forcierte Selbstoptimierung. Ich frage mich: Habe ich immer die Wahl? Ich sehe da bei vielen Jobs auch einen Systemzwang.

Klar, willkommen im Kapitalismus! Ich meine das so: Es legen immer alle total Wert auf diese Job-Geschichte. Das ist ein Teil unseres Selbstverständnisses. Eigentlich halte ich das für so ein Konsumenten-Ding: Wir stellen uns unser Leben zusammen, schauen genau, was für ein Magazin wir lesen und was für einen Tee wir trinken. Das ist alles nur Fassade. Durch diese ständige Erreichbarkeit legen wir uns selber einen Zwang auf. Vielleicht hat man einfach Angst, etwas zu verpassen? Generell stellen wir immer betriebswirtschaftliche Ansprüche an uns: Du hast jetzt diese Stelle erreicht, jetzt musst du weitermachen, jetzt musst du noch an deinem Körper arbeiten, gleichzeitig im Job noch mehr erreichen und du könntest Veganer werden. Es hört nie auf. Das ist das Problem und absolut im Interesse des Systems, schließlich passt sich das Konsumverhalten an.

Als Grafikdesigner und Autor: Wie stark findet du dieses Verhalten bei dir selbst wieder?

Das ist bei mir eine Mischung. Als Autor schaffe ich unbewusst ein Bild von mir und denke nicht darüber nach, wie ich mich darstelle. Was mir dann über meine Außenwirkung erzählt wird, ist unglaublich. Kumpels sagen mir, es würde so klingen, als hätte ich den totalen Verschleiß an Frauen. Ist ja gar nicht so! Als Grafikdesigner erstelle ich gerne Layouts, die wie Kinoplakate wirken. Man baut da eine eigene Marke auf. Diese Marke besteht dann neben der eigentlichen Persönlichkeit. Ich stelle bei mir fest, dass ich schon so bin, wie ich bin, aber trotzdem verschmilzt das ein bisschen. Man nehme die sozialen Netzwerke: Jeder verwendet ständig Instagram. Ja, und dann guckt man in den Spiegel und stellt fest: Scheiße, ich sehe gar nicht so gut aus! Auch da verschmilzen Identität und Fassade. So sehr, dass viele Leute gar nicht mehr unterscheiden können. Jedes Instagram-Foto sieht aus wie aus einem Film. Wenn man ständig solche ästhetischen Ansprüche an sich selber und andere stellt, dann ist das tödlich. Depressionen sind sowieso vorprogrammiert.

Du warst sechs Jahre Single. Hattest du schon mal Angst vor dem Alleinsein?

Nein, zumindest kenne ich keine Einsamkeit. Das ist ein ganz großes Problem: Viele verwechseln Einsamkeit mit Alleinsein. Die müssen dann immer ganz viele Menschen um sich haben und kommen nie zur Ruhe. Immer reden, telefonieren, auf dem Handy rummachen. Die kommen gar nicht zu sich selber. Da hilft es allein zu sein. Das ist eine Freiheit.

Hast du einen persönlichen Soundtrack zu dieser Freiheit?

Pennywise! Die haben mich total geprägt. Die gibt es immer noch und die haben 1993 „Unknown Road“ herausgebracht. Da gibt es dieses Bild einer Weggabelung und ein Zitat aus einem Gedicht von Frost: Er wählt den Weg, der weniger befahren ist – und das macht den ganzen Unterschied! Das ist die totale Selbstverwirklichungsplatte. Einer meiner großen Helden-Songs.

Du sagst, in einer Beziehung sei es wichtig,  den Partner als Spiegel zu nutzen, um ein besserer Mensch zu werden. Ich denke, so entstehen schnell Abhängigkeitsverhältnisse und hohe Erwartungen an die Geduld des Anderen. Sollte man nicht vorher für ein stabiles Ich sorgen?

Auf jeden Fall! Klingt klischeemäßig, aber tatsächlich sollte man dabei natürlich erst lernen, sich selber zu lieben. Das Problem dabei ist: Wer liebt sich schon selbst? Ich liebe mich auch nicht selbst. Ich habe auch Dinge an mir, die mich stören. In meiner letzten Beziehung habe ich aber gemerkt, dass Kompromisse notwendig sind. Ich meine das so: Gerade in der Phase des Kennenlernens merkt man sofort, welche Dinge einen stören. Man lernt sich aber auch selber kennen und die Art und Weise, wie man sich gibt. Außenwirkung und Selbsteinschätzung gehen natürlich nie Hand in Hand, aber man lernt schon einiges über sich dabei.

Zu guter Letzt: Den richtigen Partner treffen – ist das Schicksal oder Zufall?

Ich denke, dass das alles auf Zufällen beruht. Das lustige ist, dass gerade zwei Menschen in den letzten Wochen zu mir gesagt haben, sie würden nicht an Zufallsbegegnungen glauben, aber ich als Atheist denke: Alles ist Zufall.

www.michaelnast.com

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