MORR MUSIC LABEL NIGHT am 20.05.2004 in der Volksbühne

Eine Nacht zum 5-jährigen Jubiläum von MORR MUSIC mit B. FLEISCHMANN, ALIAS, LALI PUNA u.v.m.

Individualität und Vielschichtigkeit sind selten auf einem Label vereint, vielmehr setzen die Majors auf leicht Verdauliches aus der Konserve und werden nicht zu Unrecht damit vom Konsumenten bestraft. Das trifft die Indielabels zum Glück nicht, im Gegenteil, sie erfreuen sich wachsender Fangemeinde wie auch Morr Music. Das 1999 von Thomas Morr gegründete Label konnte dem ersten Künstler BERNHARD FLEISCHMANN mittlerweile weitere hochkarätige Acts wie MUM, ISAN, TIED & TICKLED TRIO, THE NOTWIST, KOMEIT, BOMB THE BASS oder MS. JOHN SODA hinzufügen. Der Ösi B. FLEISCHMANN fungierte an diesem Abend als Moderator für sein internationales Publikum, das sich bequem in den Theaterstühlen entspannen konnte.

Leider kamen wir wieder mal zu spät und so hörten wir gerade noch die beiden letzten Stücke von TIM HOLLAND alias MAN’S BEST FRIEND aka SOLE vom Künstlerkollektiv Anticon. Im ersten Moment musste ich an die beiden Jungs von ORTHRELM denken, die auch barfuß in Shorts auftraten, aber natürlich musikalisch nichts gemeinsam haben. TIM HOLLAND entspricht weder äußerlich noch innerlich dem amerikanischen HipHop-Klischee. Aphex Twin-Frisur und Lyrics, die sich nicht wie üblich in den USA auf der Love-Bitch-Money-Pimp-Aggro-Drugs-Frust-Shitparade einen runterholen, sondern politscher als Michael Moore. Das Album The New Human Is Illegal ist bereits auf Morr Music veröffentlicht und beinhaltet u.a. Titel wie ‚Dream About Afghanistan Or Oakland‘ oder ‚Attack Russia‘. Dazu knallen aus dem Laptop kranke Beats von Electro, Dancehall und Raggae.

In der Umbaupause musste man zum Rauchen den Theatersaal verlassen, eine gute Gelegenheit, die aufgehangenen Cover u.a. von STYROFOAM aus Belgien im Foyer zu begutachten. Diese sollten als nächstes auftreten und waren besonders für unseren japanischen Besuch ein Highlight. ARNE VAN PETEGEMS und seine beiden Musiker haben mich besonders mit ihrem letzten Album I’m What’s There To Show That Something’s Missing begeistert. Mehr elektronische Popmusik, bei der die Stimme von ARNE in den Vordergrund gerückt ist. Besonders gut fand ich das rockige Stück ‚If I Believed You Back Into Focus‘.

Der nächste Artist ALIAS, hinter dem sich BRENDON WHITNEY verbirgt, stammt ebenfalls vom Anticon Kollektiv. Ich glaube, er hat sich sehr auf seine anstehende Europa-Tournee gefreut. Wie er kurz erwähnte, hatte er auch seine Frau im Gepäck, die sich endlich mal Europa anschauen wollte. ALIAS hat eine beeindruckende, powervolle One-Man-Show wie auch zuvor MAN’S BEST FRIEND abgeliefert. Neben dem massigen Einsatz von elektronischem Beiwerk hat er seine Stimme als Instrument benutzt, so großartig, dass wir langsam wieder munterer wurden. Aber das lag wirklich nur an dem wenigen Sauerstoff, und vielleicht waren wir nach STYROFOAM schon etwas in unseren Stühlen eingelullt. Zum krönenden Abschluss -denn die Leude wollten ihn nicht von der Bühne gehen lassen- hat ALIAS noch genialen Freestyle performt. Respect! Auch das Publikum begann langsam an der Bühne Aufstellung zu nehmen, um natürlich zu tanzen, aber auch, um auf dem Halbcatwalk aufzufallen, wie das MICHAEL STIPE Double.

Der Kontakt zwischen Hausmusik und Morr Music ist weiterhin eng, auch wenn Thomas Morr dort nicht mehr arbeitet. Zum Morr Music Label gehören auch LALI PUNA, die als letztes auftraten. Inzwischen ist ihr drittes Album Faking The Books auf Morr Music erschienen. Faking The Books wurde in den Londoner Abbey Road Studios aufgenommen, wobei verstärkt gitarrenlastige Tracks entstanden sind. Beim Zuhören entstand ein angenehmes Gefühl, was wohl zum einem an VALERIE TREBELJAHR, die mit ihrer dunkelgefärbten Stimme der elektronischen Musik eine ganz besondere Note aufdrückte, sowie dem verstärkten Hervortreten von Bass und Schlagzeug lag. Besonders gefiel uns LALI PUNAs Schlagzeuger CHRISTOPH BRANDNER (TIED & TICKLED TRIO, CONSOLE), der mit der Schnelligkeit einer Maschine gerade Beats spielte, so dass man sein Spiel kaum von einem Drumcomputer unterscheiden konnte. Chefkeyboarder CHRISTIAN HEIß lieferte zudem einen guten Mix ab.
Am Ende spielten sie gemeinsam mit ALIAS, der auch schon mit MARKUS ACHER (THE NOTWIST) einen Song aufgenommen hat, und mit dem sie gerade durch Europa touren. Die folgenden DJ Sets mussten wir leider ausfallen lassen, denn für die arbeitenden Berliner unter uns war 2.30 Uhr leider Schluss mit Schwitzen.

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