MOTHER’S LITTLE HELPERS – Berliner Act des Monats Januar 2007

„Is this hip?“



Idyllischer geht es ja kaum: Auf zwei Schiffen mit den schönen Namen ‚MS Frohsinn‘ und ‚MS Heiterkeit‘ ist das Label der MOTHER’S LITTLE HELPERS im Treptower Hafen beheimatet. Hier haben sie ihr neues Album Be Hip aufgenommen, hier können sie sich aber auch einfach auf die Couch flezen und mit ihrem Manager rumalbern. Oder Interviews geben. Für einen Sprung ins Wasser ist es ja schon zu kalt. Wir sprachen mit Gitarrist STEFAN HENNING und Keyboarder PAUL BALLANTINE.

BiB: Be Hip ist euer zweites Album für All Around Music. Vorher wart ihr kurzzeitig bei der großen BMG. Welche Unterschiede sind da für euch erkennbar?

STEFAN: Es ist halt ein Unterschied, ob man ein kleiner Fisch in einem großen Becken oder ein großer Fisch in einem kleinen Becken ist. Bei der BMG waren wir einfach eine Band unter vielen, da kümmert sich niemand um dich. Da wird ein bisschen Geld reingebuttert, geschaut ob es läuft, und wenn nicht, bist du halt wieder draußen. Hier dagegen können wir uns austoben, haben das Studio zur Verfügung, hier kuckt keiner auf die Uhr und sagt: ‚In 14 Tagen muss die Platte aufgenommen sein‘. Und man kennt die Leute halt alle persönlich.

Wie lange kennt ihr die Leute denn schon?

STEFAN: Thomas Kühn, unser Manager ist früher immer auf unsere Konzerte gerannt und hat gebettelt, dass wir seinen Knebelvertrag unterschreiben und dann täglich seine Bude sauber machen müssen. Dann haben wir uns irgendwann im Café getroffen, er wollte mich zum Rauchen überreden…
THOMAS KÜHN: (aus dem Hintergrund) …das hab ich auch geschafft!
STEFAN: Genau. Und so sind wir hier gelandet. Ist ja auch schöner, so auf einem Schiff…

Was hat es denn mit dem programmatischen Titel eures neuen Albums, Be Hip, auf sich?

STEFAN: Das bezieht sich auf einen Text von Dexter Gordon, eines Saxophonisten, der in den 50er und 60er Jahren in der relativ revolutionären BeBop-Ära aktiv war. Der hat 1990 einen Text geschrieben über das Verhältnis von „hip“ und „square“. „Square“ sind die Leute die mit Familie und Hund im Einfamilienhaus wohnen und zu Kaiser’s einkaufen gehen, und die „Hipster“ sind die, die darauf scheißen und ihr eigenes Ding machen. Darauf haben wir uns bezogen, denn wenn wir auf unsere Eltern gehört hätten, wären wir jetzt auch woanders. Wir haben uns halt bewusst für etwas anderes entschieden und ziehen das jetzt durch. Trotz Risiko: man lebt nur einmal. Das klingt jetzt abgehoben, hat aber ziemlich viel mit dem heutigen Leben zu tun.
PAUL: Im Wortlaut heißt Hip-Sein ja soviel wie „den Durchblick haben“… und da entstehen halt Bilder, die wir uns musikalisch und textlich zur Grundlage genommen haben. Das ist jetzt kein klassisches Konzeptalbum, aber schon ein Album mit Konzept.

Habt ihr ein paar konkrete Beispiele?

PAUL: Das Wort „hip“ findet natürlich oft Verwendung, und dann geht es natürlich auch um Themen wie Liebe und Freiheit…
STEFAN: … worum es in allen anderen Texten ja auch geht. Aber eigentlich fragst du da auch die falschen. Die Texte sind ja von BOB (GREINER-POL, Sänger, Anm.d.R.). Wir kennen sie zwar, aber nur er versteht sie. So eine Zeile wie „Nobody can see we’re hip and hungry“ spiegelt natürlich schon unsere Situation wider: Wir machen das seit Ewigkeiten, aber niemand sieht, dass wir es eigentlich drauf haben.
PAUL: Letztendlich hat uns natürlich dieses Image gut gefallen.
STEFAN: Und nach dem letzten Album hatten wir uns auch überlegt, eine klarere Linie in die neue Platte zu bringen. Wir haben uns gefragt, was wollen wir denn durch die Musik ausdrücken? Und da haben wir zufällig diesen Text gefunden…
PAUL: Der Titel soll auch gar nicht unbedingt heißen, dass wir uns als hip ansehen, sondern eher als Aufforderung gelten, wach zu sein, für alles offen zu sein, Dinge zu reflektieren, die Welt zu verstehen versuchen.
STEFAN: Dexter Gordon hat geschrieben: Hip sein heißt, bescheid zu wissen! Kuck dir nur mal die „Popstars“-Bewerber an: Wissen die bescheid, wie das Business läuft? Nein. Aber wir haben das jetzt lange genug gemacht, um zu wissen, wie der Hase läuft. Deshalb sind wir auch bei einem Indie-Label.



Wie schätzt ihr denn eure musikalische Entwicklung in den letzten Jahren ein?

STEFAN: Es ist einfach klarer geworden. Wir spielen nicht mehr rum, sondern machen das, was wir machen wollen. Auf dem letzten Album hatten wir eine Hardrock-Nummer neben einer Bluesballade und danach kam ein Latin-Stück, wo man sich überlegt: Was will die Band denn eigentlich? Das gibt es jetzt nicht mehr, und alles basiert auf einer Mischung aus Rock und Soul. Vor den Aufnahmen habe ich häufig die Exile On Main Street von den Stones gehört. Das ist so eine Band, die aus dem Rock und Blues kommt, sich dann aber dem Soul zuwendet, so dass am Ende eine interessante Mischung herauskommt. Eine Rockband, die Soul härter spielt. Sowas haben wir auch probiert. Das werden wir dann vielleicht auch in Zukunft noch weiter durchziehen…
PAUL: Aber wenn man hip ist, redet man ja nicht über die Zukunft, sondern nur über die Gegenwart, wie Dexter Gordon weiß… Auf jeden Fall ist das aber erstmal ein guter Ausgangspunkt für eine Richtung, die uns liegt.

Wie passt das Coverdesign da ins Konzept?

STEFAN: Alles ist schwarz-weiss, so eine Zweiteilung wie hip vs. square. Wir wollten es simpel machen, deshalb nur zwei Farben. Und der Beka Gigauri ist ein befreundeter Künstler, der das ganze Booklet gestaltet hat. Die Songs hat er beim Malen gehört.
PAUL: Auf jeden Fall ist es durch die surrealistischen Formen so, dass jeder sich selbst das heraussuchen kann, was er darin sieht. Die Vielschichtigkeit der Musik wird so durch die Kunst ausgedrückt.
STEFAN: Man könnte es aber auch als einen riesigen Haufen Wirrwarr ansehen.
PAUL: Also ich sehe da Fledermäuse… Aber letztendlich hat es uns gefallen.
STEFAN: Und es hat zum Konzept gepasst, einfach und schön.



Am 12.01. gebt ihr euer Record Release Konzert im Lido. Was werdet ihr da bieten?

STEFAN: Da ist natürlich großes Aufgebot mit Backgroundsängerinnen angesagt. Diesen Luxus leisten wir uns mal.

Und danach geht es auf eine lange Tour quer durch die Lande, ihr spielt zum Teil in ganz kleinen Läden. Wie sind da eure Erfahrungen bisher?

STEFAN: Die Locations sind schon extrem unterschiedlich. Da sind größere dabei, aber auch Spelunken, sowas hast du noch nicht gesehen. Sowas mit einer Steckdose auf der Bühne, wo aber auch noch die ganze Barbeleuchtung mit dran hängt, die Bühne so groß wie zwei Bierkästen… teilweise ist das teuflisch, teilweise aber auch cool.
PAUL: Aber mit unserem momentanen Status haben wir ja auch noch nicht die Wahl, wo wir spielen können und sind erstmal froh, dass wir so eine lange Tour haben.
STEFAN: Was man auf jeden Fall merkt: In den Städten, wo wir schon mal gespielt haben, kommen offenbar die Leute vom letzten Mal wieder und bringen auch noch ihre Freunde mit, so dass wir teilweise schon in die größeren Läden ausweichen müssen. Und das wollen wir natürlich immer weiter so vorantreiben.
PAUL: Ich habe jetzt eigentlich auch das Gefühl, dass es flächendeckend gut ankommt. Wenn man sieht, dass der große kommerzielle Erfolg sich nicht einstellt, kommt man ja leicht is Zweifeln. Aber wenn man die Reaktionen sieht, denkt man: So schlecht kann es ja gar nicht sein…
STEFAN: Du hast an der Qualität der Musik gezweifelt?
PAUL: Das nicht, aber wenn man es so oft hört, kann man das ja nicht mehr so beurteilen.
STEFAN: Vor allem die Reaktionen der Frauen bestätigen uns das ja, um mal bei den wichtigen Dingen zu bleiben. (allgemeines Gelächter) Aber es stimmt schon, gerade was so Bühnenpräsenz und Showfaktor betrifft, haben wir doch einiges gelernt in den letzten Jahren. Wir gehen ja jetzt ins siebente Jahr, und sechs Jahre live zu spielen, macht schon eine Menge aus.

Wenn ihr nicht gerade mit der Band unterwegs seid, wie haltet ihr euch über Wasser?

STEFAN: Teilweise auch durch Musik, also Studiojobs oder Livemucken. Außerdem sind wir alle noch jung genug, dass wir Kindergeld kriegen, und Paul und ich studieren auch noch, zumindest schreiben wir uns ab und zu mal in die Listen ein… es reicht zum Leben. Wir müssen noch nicht den Fensterkitt aus den Fugen fressen, aber weit ist es bis dahin auch nicht mehr. Wir sind uns ja auch bewusst, dass wir mit unserer Musik nicht den kometenhaften Aufstieg zum Popstar erleben werden. Aber wir versuchen alles, sind am Radio dran, haben ein Video gedreht, wissen aber, dass das noch seine fünf Jahre dauern wird, einfach, weil man sich live hocharbeiten muss. Städte, in denen wir vor fünf Jahren vor zehn Leuten gespielt haben, da kommen jetzt schon 200. Wenn wir das mal auf die nächsten fünf Jahre hochrechnen, kann man schon absehen, dass sich das irgendwann lohnen wird.

Das Album:

MOTHER’S LITTLE HELPERS
Be Hip
(All Around Music)
VÖ: 12.01.2007

www.all-around-music.de
www.motherslittlehelpers.de

Fotos: © MOTHER’S LITTLE HELPERS
Autor: [EMAIL=sebastian.frindte@bands-in-berlin.com?Subject=Kontakt von der Website]Sebastian Frindte [/EMAIL]

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