Facebook, Twitter, Youtube – ach wie schön, dass heute jeder jeden erreichen kann. Nun, zumindest potentiell. Was wie ein Schlaraffenland für Künstler erscheint, wird im Urwald des Überangebots schnell zum schwierigen Unterfangen. Gleichzeitig fließt in Folge der Streaming-Dienste bei Labels immer weniger Geld aus Plattenverkäufen. Kurzum: Es ist Zeit umzudenken. JÖRG KOSHORST hat genau das gemacht. 2014 hat er MUSICSTARTER ins Leben gerufen – Label, Booking-Agentur und Crowdfunding-Portal in einem. Klar, Crowdfunding muss man heute niemandem mehr erklären, doch wie funktioniert das Ganze in Verbindung mit einem Label? Und vor allem: Was springt dabei für beide Seiten heraus?
Du warst früher bei Universal. Wie bist du auf die Idee gekommen, dein eigenes Label zu gründen?
Genau, ich war jahrelang als A&R für Pop-Musik bei Universal. 2011 wollte ich dann etwas Neues machen und habe mit dem Produzenten Tim Wedekind das Label Heart Of Berlin gegründet. Wir hatten die Idee, näher an Newcomer heranzukommen, die auf der Suche nach Produzenten anrufen. Diese Schnittstelle wollten wir nutzen, um ihnen als Label direkt ins Business helfen zu können. Und das ist auch jetzt noch unser Grundkonzept.
Welche Vorteile siehst du bei diesem Konzept?
Große Labels können heute keine Ground-Arbeit mehr leisten. Genau das machen wir. Wir sind gleich ganz nah bei den Künstlern dran und begleiten sie langfristig. Dafür haben wir uns bewusst bei Universal als Vertrieb angedockt, um Major-Strukturen zu haben, wenn es gut läuft. Außerdem können wir gemeinsam mit dem Künstler eine Art Marktforschung betreiben. Wir können testen, wie das Ganze überhaupt aufgenommen wird. Auch für die Fans ist das super: Sie können Sachen kaufen, die es sonst niemals geben würde und stehen im direkten Dialog. Bands erhalten Startfinanzierung, lernen etwas und bekommen von uns vielleicht noch ein bisschen PR. Promotion ist schließlich King.
Ihr arbeitet mit Crowdfunding. Wie kam es zu dieser Verbindung?
Ich habe mal die Künstlerin Irma aus Frankreich beobachtet, mir die Firma dahinter angeschaut und bemerkt, dass die in Frankreich schon vor Jahren Crowdfunding als Plattenfirma hatten und damit sechsstellige Summen für Kampagnen einholen. Daraus habe ich die Theorie entwickelt, dass es ein cooler und sportlicher Weg sein könnte, auf diese Art an einen Plattenvertrag zu kommen. Technik war natürlich auch ein Thema, und da wir eine Plattenfirma und kein Software-Entwickler sind, haben wir in Start Next einen tollen Partner gefunden. Die haben in diesem Bereich auch viele Themen, aber nur die Technik dazu. Da unsere Ziele deckungsgleich sind, haben wir beschlossen zu kooperieren. Sie lizensieren die Technik, wir setzen unser Label und Design vorne drauf und betreuen die Künstler intensiver.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit den Künstlern en détail aus?
Am Anfang wurde unser System noch von der Plattenfirma-Denke bestimmt: Die müssen vorher bei uns einen Vertrag unterschreiben, sonst machen wir hier Schaufenster für die großen Plattenfirma und bauen Künstler auf, die uns vor der Nase weggeschnappt werden. Das passt natürlich nicht zum Gedanken des Crowdfundings. Man muss entspannter sein, deshalb kann man bei uns jetzt auch Crowdfunding machen und sich das Geld ohne einen Plattenvertrag auszahlen lassen. Ansonsten muss man 30 000 Euro einsammeln, um den Vertrag zu bekommen. Bei über 30 000 Euro garantieren wir eine VÖ über Universal. Der Künstler ist vertraglich flexibel und bleibt sein eigener Herr. Am Ende ist das eine Win-Win-Situation. Wir beraten, geben einen kleinen Anschub und stellen ein Netzwerk zur Verfügung, das Genre-offen ist.
Worfür wird das Geld dann verwendet?
Der Künstler kann das Geld für die Album-Songs, für Fotos, für ein Video oder für Live-Auftritte verwenden. Das kommt immer auf das Vorhaben des Künstlers an und welche Kampagne er seiner Crowd vorher mitgeteilt hat.
Gibt es so etwas wie eine Eingangskontrolle?
Grundsätzlich kann sich jeder auf unserer Plattform anmelden und ein Projekt starten. Wir schauen uns das an und geben ein Feedback, ob das bei uns Chancen hat oder nicht. Eine Eingangskontrolle gibt es also schon. Man braucht erst mal 50 Fans. Das ist eine Art Schwelle, um zu verhindern, dass Mama und Oma 10 000 Euro geben. Die muss man also zusammenkriegen und dann kann es losgehen. Das Crowdfunding-Portal ist sozusagen die Eingangstür.
Welche Ziele habt ihr euch für die Zukunft gesteckt?
Wir hoffen, dass wir in den nächsten 12 Monaten neue Künstler über das Crowdfunding entdecken und bis in die Charts kriegen. Das ist unser Ziel: Wir wollen immer sechs bis neun Künstler begleiten und daraus Veröffentlichungen generieren, die öfter mal in die Charts kommen. Stereo Herz stehen kurz davor. Die waren neulich im Fernsehgarten, bei RBB und MDR. Es geht jetzt langsam in eine größere Richtung. Stilbruch kommen im Herbst. Michaela Danner geht für die VÖ 2016 ins Studio und Pause Applause sind auch ganz frisch. Und natürlich wünschen wir uns, dass Musiker registrieren, dass es jetzt auch diesen Weg gibt, um an ihre Ziele zu kommen.