NACHLADER – Berliner Act des Monats Juni 2010


Das Leben ist nicht immer Pommes und Disco.



Update: NACHLADER am Freitag, 22.03.13 live im Rahmen von ***6 Jahre Popmonitor*** im Rosi’s w/ MIKROBOY, KITTY SOLARIS + DJs/Party (Indie/Electro).

Eine gefühlte Ewigkeit ist es her, dass Daniel „Nachlader“ Baumann sein grandioses, gekonnt gitarrenlastige Tunes und clubbige Electro-Sounds verquickendes Debütalbum Bock Auf Aphorismen (2005) veröffentlichte, das mit ‚Arbeitsgeld‘ ganz nebenbei einen veritablen, mittlerweile längst zum modernen Klassiker kanonisierter Indie-Boheme avancierten Radiohit abwarf.

In der Zwischenzeit ignorierte Daniel trotzig die Krise der Musikindustrie, heuerte mit den Berliner Szene-Haudegen Shokkaboy und Marco Barotti kompetenteste Band-Verstärkung an und arbeitete über einen längeren Zeitraum am Bock Auf Aphorismen-Nachfolger Koma Baby Lebt, der schließlich im April dieses Jahres auf dem eigenen Label Boing Boing Records erschien und auf dem NACHLADER angesichts einer mit gewieft-hintergründigen Texten und gewohnt pointierten Slogans versehenen Melange aus smartem Indie und pulsierenden Electronics die Messlatte für anspruchsvollen Rock und Pop aus deutschen Landen wieder einmal ein ganzes Stück höher legen.

Kurz vor ihrem Auftritt im Rahmen von

Im Zuge der Veröffentlichung von Koma Baby Lebt gab es in den vergangenen Monaten einige Special-Nachlader-Gigs bzw „Events“, u.a. die nicht eben legalen Auftritte in Berliner Sparkassen bzw. Bankvorräumen, den Single-Release im Magnet, das reduzierte Set ohne Drummer in der Ankerklause (inkl. mit den Gästen gereichten Pommes), den Album-Release-Rave auf dem Flugplatz Johannisthal/Berlin-Adlershof. Wie würdest Du diese vergangenen Monate bilanzieren, wie wurden die unterschiedlichen Shows/Events angenommen und was waren deine persönlichen Highlights?

Ein besonderes Highlight waren auf jeden Fall die Auftritte in den Banken. Generell mag ich es sehr gerne, an ungewöhnlichen Orten zu spielen. Einfach irgendwo ein Notstromaggregat angeschlossen und losgelegt; das macht mir sehr viel Spaß! Und dem Publikum auch, wie man an den Reaktionen sehen konnte. Wir planen da auch schon den nächsten Event. Mal sehen, wo es uns noch überall hin verschlägt. Allerdings werden wir in nächster Zeit eher selten reguläre Club-Konzerte in Berlin spielen, damit sich das nicht völlig abnutzt. Ich mache dann lieber mal einen Unplugged-Gig oder trete mit der Videokünstlerin Anni Duese zusammen auf. Diese Shows sind von der Atmosphäre total anders als die Auftritte mit der Band.

Sind einige dieser Special-Events auch Ausdruck und unabdingbarer Teil einer allumfassenden Nachlader-„Philosophie“, sich im Rahmen der Möglichkeiten auch weiterhin die Freude an an einer Art von subversiv unterfütterter Freiheit im manchmal viel zu ernst genommenen Musikbiz zu bewahren?

Auf jeden Fall! Wenn Du als Musiker den Spaß an der Sache verlierst und das Ganze nur noch als Geschäft betrachtest, wird es schwer, die Leute für deine Musik zu begeistern. Allerdings könnte mir manchmal ein wenig mehr Geschäftstüchtigkeit auch nicht schaden…

Vor eingen Tagen habt Ihr gar auf den WM-Fanmeilen in Berlin und Hamburg gespielt, wie ist es dazu gekommen und wie war diese Erfahrung für Euch? Habt Ihr euch auf der riesigen Bühne und angesichts der Menschenmassen wohl- bzw. als große „Rockstars“ gefühlt oder kamt Ihr euch eher ein wenig verloren vor?

Da kann ich mich nur bei unserem neuen Booker Dirk bedanken! Als erste Amtshandlung hat er gleich mal diese Fanmeilen-Dinger eingetütet. Es war definitiv mal wieder eine neue Erfahrung, vor so unglaublich vielen Leuten zu stehen. Gerade die Berliner Fanmeile ist so absurd überdimensioniert, das ist echt der Wahnsinn! Aber man muss sich natürlich auch vor Augen halten, dass die Leute im Grunde nur da sind, weil sie ein Fussballspiel sehen wollen und dementsprechend relativ wenig auf die Bands im Rahmenprogramm eingehen. Da ergeht es dann sogar einem Mainstream-Riesen wie Bushido nicht anders als uns. Bei der Masse an Leuten haben wir aber hoffentlich trotzdem den einen oder anderen Fan dazu gewinnen können!



Mit „BoingBoingRecords“ hast Du jetzt dein eigenes Label gegründet, wie ist diese Idee gereift, wie ist die Labelarbeit organisiert und strukturiert und gibt es bereits Pläne, was Veröffentlichungen anderer Acts betrifft?

Das Label zu gründen war eine sehr pragmatische Entscheidung. Zu dem Zeitpunkt gab es zwar schon Kontakt zu ein paar Labels, aber es war absehbar, dass sich die Verhandlungen zäh hinziehen würden. Und als dann noch klar war, dass die Initiative Musik uns finanziell unterstützt und wir dementsprechend professionelle Promo-Agenturen mit ins Boot holen können, lag es für mich auf der Hand, die Chance zu nutzen, unabhängig von jeglichen äußeren Einflüssen alles selbst entscheiden zu können. Der Gedanke, andere Bands auf dem Label veröffentlichen zu können, spielte auch eine Rolle. Allerdings war ich bislang als alleiniger „Labelchef“ so viel mit dem Nachlader-Album beschäftigt, dass ich bisher noch nicht die Zeit hatte, mich konkret damit zu beschäftigen.

Wie schwierig ist es angesichts deiner vielfältigen „Verpflichtungen“ (u.a. neben Deinem „Baby“ Nachlader, als Musiker in anderen Bands wie Paula oder Barotti Island, als DJ zusammen mit Shokkaboy, der Labelarbeit), alles unter einen Hut zu bekommen und zu koordinieren, und gibt es schon mal Phasen der Desillusionierung bzw. Phasen, in denen Dir alles über den Kopf zu wachsen droht und Dir eine gewisse – vielleicht auch finanzielle – Perspektive fehlt, was sich dann zum Teil auch in den Texten in Form eines augenzwinkernden, ironisch-entlarvenden Blicks auf eine hedonistisch gelebte Art von Berufsjugendlichkeit widerspiegelt?

Klar, diese Phasen gibt es! Zumal es ja nicht unbedingt leichter wird, von Musik leben zu können. Aber diese Phasen, in denen man am liebsten alles hinschmeißen würde, kennt auf der anderen Seite wahrscheinlich jeder Künstler. Solange ich solchen Gefühlen noch eine ironische Wendung geben und sie künstlerisch verarbeiten kann, ist alles gut!

Du hast bereits zahlreiche Stücke befreundeter Musiker sowie bekannter Acts wie IAMX oder Bloc Party geremixt, wie kam es ursprünglich dazu und stehen gegenwärtig bzw. in naher Zukunft weitere an? Aktuell hast Du bspw. auch bei einem Song der im Rock verhafteten Berliner Mädels von Shirley Holmes mitgemacht, eine auf den ersten Blick eher ungewöhnliche Kollaboration, wie ist dieser Kontakt entstanden?

Ich mache sehr gerne Remixe! Allerdings suche ich nicht wirklich danach. Meistens ergibt sich das eher zufällig. Die letzten beiden für „Mein Mio“ und „Ken“ sind jetzt allerdings auch schon wieder ein paar Monate her. Also, fragt mich ruhig! Mit „Shirley Holmes“ bin ich darüber in Kontakt gekommen, dass wir Proberaum-Nachbarn waren, sogar bei zwei Proberäumen hintereinander. Und dann haben sie mich einfach mal gefragt, ob ich nicht ein paar Synths für einen Ihrer Songs einspielen kann. Ich mag die Band sehr gerne und bin ja auch nie ein eingefleischter Elektro-Purist gewesen.

Am 23.07. spielt Ihr zusammen mit Jeans Team im Rahmen von Popmonitor live im Rosi’s. Kennt Ihr die Jungs vom Team bzw. seid Ihr schon mal irgendwo mit ihnen zusammen aufgetreten? Haben sie Dich als Musiker vielleicht sogar beeinflusst oder inspiriert? Was können die Besucher von Eurem Auftritt im Rosi’s erwarten?

Es ist mir eine Freude und Ehre zugleich, mit dem Jeans Team zu spielen! Bisher haben wir uns nämlich noch nicht persönlich kennengelernt. Seit ‚Keine Melodien‘ hab ich die Band aber immer aufmerksam verfolgt und bin auf jeden Fall auch immer wieder von den Jungs inspiriert worden. Großartige Band mit zeitlosen Sounds und teilweise genialen Texten! Wir werden mit Nachlader im Rosi`s als Duo mit clubbigen Beats auftreten und die Hütte trotz hoffentlich nicht ganz so heißen Außentemperaturen zum Kochen bringen! Und danach freue ich mich aufs Jeans Team.

Vielen Dank für das Interview, weiterhin alles Gute und bis Freitag!

Das Album:

NACHLADER
Koma Baby Lebt
(Boing Boing Records / Rough Trade)
VÖ: 30.04.2010

NACHLADER am Freitag, 23.07.10 live im Rosi’s (w/ Jeans Team)

www.myspace.com/nachlader
www.nachlader.de

Autor: [EMAIL=thomas.stern@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Thomas Stern[/EMAIL]

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