NAKED LUNCH am 04.04.05 im Mudd Club

[B]Von ‚Our Wedding Day’s A Funeral‘ bis ‚The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore‘: Österreichs tragische Indie-Helden ließen die Fans dennoch nicht völlig deprimiert zurück… [/B]



Vor einem Jahr im Knaack erlaubten sich Österreichs bekannteste Indierocker den Luxus, ihr kurz zuvor erschienenes, nach Verlust von Plattenvertrag und Trennungsgerüchten nach fünfjähriger Pause schließlich doch noch veröffentlichtes Album [I]Songs For The Exhausted[/I] komplett von vorne bis hinten durchzuspielen und ungeachtet vehementer Fan-Forderungen nach einigen ‚Hits‘ ohne Zugabe schnell wieder zu verschwinden. Okay, war ja mal was anderes und durchaus legitim, einige ältere Songs hätte man natürlich dennoch gerne gehört.

Gut ein Jahr später nun also wieder ein Gig in Berlin, neuer Anlauf mit soeben veröffentlichter neuer EP [I]Stay[/I] im Gepäck, auf der neben dem bislang unveröffentlichten ‚Our Wedding Day’s A Funeral‘ und der Single ‚Stay‘ noch drei Songs des Albums in alternativen, vorwiegend akustisch gehaltenen bzw. sparsamer instrumentierten Live-Versionen (sowie die Videos zu ‚God‘ und ‚Stay‘) befinden, die in eben jenem ungewohnten musikalischen Gewand durchaus auch überzeugen und die ohnehin stets präsente tragisch-melancholische Note der Band teilweise gar noch stärker hervorkitzeln.

Den Support bestritt der in Berlin ansässige Österreicher FLORIAN HORWARTH, der zusammen mit zwei schwedischen Musikern an Drums und Gitarre („Mum and Dad“) die recht kruden Songs seines in Kürze erscheinenden Albums [I]We Are All Gold[/I] präsentierte.
„Er ist verrückt, aber im positiven Sinne“, meinte diesbezüglich den Auftritt irgendwie gut auf den Punkt bringend NAKED LUNCH-Sänger und Gitarrist OLIVER WELTER im Anschluss an dessen absolut unterhaltsamen und sympathischen Auftritt.

Gespannt wartete man also auf die österreichischen Indie-Melancholiker, die sich kurz vor Beginn der Tour von ihrem Schlagzeuger getrennt hatten, dessen Platz sehr kurzfristig, aber äußerst kompetent vom altbekannten Haudegen KERSTEN GINSBERG eingenommen wurde, der den scherzhaften Aufforderungen nach einem Drumsolo den Gig über allerdings nicht nachkommen sollte.
NAKED LUNCH sollten sich sich an diesem Abend nicht ganz so verbissen und humorlos zeigen wie vielleicht noch bei ihrem Gig vor einem Jahr, als sie doch ziemlich wortkarg und mit etwas aufgesetzter „Wir gegen die Welt“-Attitüde nicht jeden Besucher so richtig überzeugen konnten, auch wenn es musikalisch wenig auszusetzen gab.

Zunächst betrat OLIVER WELTER alleine mit Gitarre die Bühne, spielte zwei Akustiksongs (darunter das schaurig-schöne ‚Our Wedding Day’s A Funeral‘ von der neuen EP), bevor HERWIG ZAMERNIK (Bass), STEFAN DEISENBERGER (Keyboard) und eben KERSTEN GINSBERG hinzukamen. Überraschenderweise machte dann nicht der fulminante Album-Opener ‚God‘, sondern der wohl zweitstärkste Song von Songs For The Exhausted, ‚In Your Room‘, in nun also kompletter Bandbesetzung den Anfang, der gleich mal mit dem (vor allem für die frühere Bandphase) charakteristischen, am Ende ausgedehnten, kraftvoll-sehnsüchtigen Gitarrenpart einen perfekten Einstieg bot, um im Anschluss von dem übermächtigen ‚God‘ noch übertroffen zu werden, dessen schräger, My Bloody Valentine-reminiszenter Gitarren-/Keyboard-Noise auch diesmal wieder via Laptop orkanartig in den Club geblasen wurde. Immer wieder beeindruckend.

Wer nach diesen anfänglichen Variationen allerdings dachte, dass man diesmal vielleicht sogar in den Genuss älterer Stücke kommen könnte, sah sich relativ schnell getäuscht, als sich die Band dann doch wieder auf die Songs des aktuellen Albums beschränkte, die allerdings mit schöner Elektronik und oftmals heftigst verzerrter und lauter Gitarre (besonders imposant beim Refrain von ‚Solitude‘) live deutlich an Kraft gewannen.
So spielte sich die Band also erneut durch ihr neues Album, vereinzelte, aber bereits im Ansatz resignierende Rufe nach Songs vom 99er Album [I]Love Junkies [/I] wurden freundlich ignoriert und mit dem fast verzweifelt flüsternd ausklingenden ‚The Retainer‘ endete standesgemäß das reguläre Set.

Immerhin ließen sie sich aber diesmal noch für einige Zugaben von den gut 200 Besuchern (inkl. Ben Becker!) herausbitten, von denen ‚The Deal‘ (mit fast gospelartigem „Love Is All You Need“-Vocal-Fadeout und mit immensen Höhen kokettierender Stimme von OLIVER WELTER) sowie das trashig performte ‚The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore‘ von den Walker Brothers für einen fast schon optimistischen musikalischen Ausklang dieses überzeugenden und stellenweise gar humorigen Gigs sorgten.
Zwei, drei ältere Songs hätten allerdings auch nicht unbedingt geschadet, doch mit der eigenen Vergangenheit haben die Jungs aus Klagenfurt scheinbar endgültig abgeschlossen.

[B]CD-Kritik: [I] [/B]

www.nakedlunch.de
www.mikrokultur.de
www.konzertbuero-ginsberg.de
www.universal-music.de

Autor: [EMAIL=thomas.stern@b-i-b.de?Subject=Kontakt von der Website]Thomas Stern[/EMAIL]

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