NITZER EBB – Industrial Complex

Das erste neue Album nach 15 Jahren!



Wie schreibt man über einen Wegbereiter, eine Institution, ja fast schon eine Ikone der elektronischen Clubmusik im Europa der Neunziger? Ein Vorbild so vieler EBM-Jünger…
Vielleicht, indem man dort anfängt, wo alles zu Ende geglaubt schien – Big Hit. Erschienen 1995, war dem Album einstimmig die Krone des Versagens aufgesetzt worden. Tatsächlich kenne ich persönlich nicht viele Menschen, die dieses Album besitzen oder sogar auch noch mögen, letztlich fällt mir wirklich niemand ein, und ich selbst empfand es damals wie heute als einen zu großen Bruch in der stilistisch-musikalischen Entwicklung des Duos. Vielleicht war es auch nur der verzweifelte Versuch, etwas kommerzieller zu klingen, wer wird das jetzt noch nach 15 Jahren wissen (wollen). Fakt ist jedoch, dass sich nach diesem Album Douglas McCarthy und Bon Harris trennten, jeder von ihnen ging seinen eigenen, künstlerisch unterschiedlichen Weg und arbeitete an anderen Projekten. Die große Überraschung folgte 2006, als die Band ihre Reunion ankündigte und gleich mal eine Doppel-CD mit den Best-of-Stücken herausgab. Angekündigt wurde schon zu diesem Zeitpunkt neues Material, das am Ende eine kleine Ewigkeit brauchte um komplettiert zu werden. Letzten Endes ist es jetzt also erschienen, es zeigt sich nach 15 Jahren in einem unschuldigen weißen Gewand – was für eine Renaissance!

Den Anfang auf Industrial Complex macht ‚Promises‘, ein charakteristischer NITZER EBB Song, geradeaus, aggressiv und kraftvoll mit geradewegs ins Hörzentrum marschierendem Sequenzer und einem Refrain, der die Versprechen der Vergangenheit einfordert. Weiter geht es mit ‚Once You Say‘, hier gibt sich niemand Geringeres als Martin L. Gore die Ehre, die Backings zu singen. Nichtsdestotrotz ist der Titel eine Wucht, mit der Dynamik eines Orkans könnte er über die Tanzflächen toben. Track Nummer vier, ‚Going Away‘, zeigt sich überraschenderweise verträumt und sanft, gar ein wenig verzweifelt. McCarthys Gesang offenbart sich sehr emotional, entsprechend persönlich fallen auch die Lyrics aus. ‚Down On Your Knees‘ gehört wieder zu den tanzbareren Tracks auf dem Album, er drängt das Tanzbein, zum Rhythmus der Snares zu stampfen. Wieder ertönt McCarthys fordernder Gesang, der, als ob man von einer U-Bahn gejagt wird, eine fast bedrohliche innerliche Unruhe schafft. In ähnlicher Manier präsentiert sich ‚Kiss Kiss Bang Bang‘, tief und unerbittlich dröhnt der Sequenzer im Takt der ächzenden Drums, nunmehr werden die Lyrics klassischerweise von dem Slogan „Kiss Kiss Bang Bang“ dominiert, wovon sich vor allem die Fans der ersten Stunde angesprochen fühlen dürften.

Produktionstechnisch hat hier mal wieder Flood zugeschlagen (Depeche Mode’s Violator, NIN’s Broken, U2, The Killers, Editors u.v.m.), das neue Album klingt frisch, modern und doch ein wenig nach Old-School. NITZER EBB schaffen mit Industrial Complex einen leichtfüßigen Spagat zwischen Vergangenheit und Gegenwart und untermauern damit ihre Relevanz als prätentiöse Galionsfiguren im heutigen Electro-Dschungel-Dickicht.

NITZER EBB
Industrial Complex
(Major Records/ Alive)
VÖ: 22.01.2010

www.nitzer-ebb.com[/url]
www.myspace.com/nitzerebbmusic[/url]

Autor: [EMAIL=ivo.dimitrov@popmonitor.de?Subject=Kontakt von der Website]Ivo Dimitrov[/EMAIL]

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