Große Erwartungen. (Über-)erfüllt.
1991 veröffentlichten Massive Attack ihr Debutalbum Blue Lines. Der zum Teil weibliche Gesang auf den dem HipHop, Funk und Soul entliehenen Beats in dem so typisch getragenen Tempo machten diesen Longplayer zum Entwurf einer neuen Musikrichtung, die zunächst – entsprechend ihrer Herkunft – als Bristol Sound bezeichnet wurde. Drei Jahre später, als PORTISHEAD mit Dummy die (Musik-)Welt verbesserten, tauchte in der Zeitschrift Mixmag erstmals der nebulöse Begriff TripHop auf, der sich fortan als Stilbezeichnung etablierte. PORTISHEAD gelten seither quasi als Inbegriff dieses Genres, dessen Namen die Band (wie auch viele andere ihrer Kollegen) übrigens stets ablehnten. Unabhängig davon gelang den damals gerade einmal Anfang 20 Jahre alten Musikern Phänomenales: Trotz einer rigorosen Presseverweigerung wurde Dummy weltweit ein Riesenerfolg und hat noch heute bei Liebhabern ganz unterschiedlicher Musikrichtungen ein Platz im Regal sicher.
Erst 1997 veröffentlichten PORTISHEAD ihr gleichnamiges, zweites Album, das sich kommerziell sogar noch erfolgreicher gestaltete und ebenso als Meilenstein der neunziger Jahre gilt. Im Folgejahr erschien das Livealbum Roseland NYC Live; 2002 veröffentlichte Sängerin BETH GIBBONS mit Paul Webb aka Rustin Man das grandiose Album Out Of Season – auf neue Musik von PORTISHEAD wartete man jedoch vergebens. Elf Jahre nach ihrem letzten Studiowerk veröffentlicht die Band – noch immer in Originalbesetzung (BETH GIBBONS, GEOFF BARROW, ADRIAN UTLEY) – den dritten offiziellen Longplayer in ihrer 17-jährigen Bandgeschichte. Es trägt den schlüssigen Titel Third und ist ein Comeback, das man so erwartet hat: ein weiterer Meilenstein, ein Meisterwerk, ein Ereignis und vermutlich der krönende Abschluss, falls PORTISHEAD kein weiteres Album produzieren werden.
Third oszilliert zwischen zwei Extrempunkten: Auf ‚Deep Water‘ – eine klassische Folkballade mit Ukulele – folgt direkt ‚Machine Gun‘, ein metallisches, aufreibendes Industrial-Monstrum. Beide Songs – wären sie nicht unmittelbar hintereinander platziert – machen so etwas wie eine Klammer um Third. Dazwischen passiert alles, was denkbar ist. Zunächst der wohl unverbesserlichste Eröffnungstrack der Musikgeschichte: ‚Silence‘ beginnt mit treibendem Rhythmus, es rumort, es dröhnt, es quietscht, Streicher leiten in BETH GIBBONs unnachahmlich zerbrechlich-durchdringenden Gesang über, bevor ‚Silence‘ exakt nach fünf Minuten jäh und ohne Vorwarnung einfach abbricht. Es folgt das brillante ‚Hunter‘, mit einem sägenden Gitarrenanschlag allererster Güte zwischen hinreißenden Akustikparts. ‚The Rip‘ startet zunächst getragen mit zurückhaltendem Gitarrenpicking, BETH GIBBONS singt hierbei mit nahezu fester Stimme, bis mittels treibender Synthesizersounds aus dem Folksong ein elektronischer Killer-Track von erhabener Schönheit wird. ‚Plastic‘ und ‚We Carry On‘ machen erneut die Referenzpunkte in Sachen Industrial deutlich. Hypnotisch-dräuend rumpelt der Beat voran, zurück bleibt Verstörung und Ergriffenheit ob GIBBONS‘ fragilen Gesangs zwischen pumpenden Hubschrauberblättern und harschen Sounds. ‚Small‘ und ‚Threads‘ changieren wiederum raffiniert zwischen Psychedelic und Krautrock.
Die Begriffe „Techno“, „Industrial“ und „Hardcore“ machten nach dem „All Tomorrow’s Parties“-Musikfestival in Minehead/England die Runde, als PORTISHEAD dort im Dezember 2007 erste Stücke von Third live präsentierten und ein zugleich verstörtes und beigeistertes Publikum zurück ließen. Richtig ist: Third ist wesentlich härter und experimenteller als seine Vorgänger und lässt erahnen, wie hungrig GIBBONS, BARROW und UTLEY offensichtlich noch immer sind, die Musikwelt zu revolutionieren. Insofern sind Spekulationen über ein Ende der Band hoffentlich hinfällig und das Warten auf *Fourth* dauert nicht wieder eine halbe Ewigkeit.
PORTISHEAD
Third
(Island / Universal)
VÖ: 25.04.2008
www.portishead.co.uk
www.portishead.de
www.myspace.com/portisheadalbum3