:: A night out with a new ambassador of Blues ::
Dear Alex,
ich verdanke dieses Konzerterlebnis dem Hinweis Deines musikalischen Goldnäschens, also lass mich Dir und Berlin kurz von diesem Glücksmoment erzählen. Es geht um die Londoner Record-Release-Konzert-Party von aus London, eine lighte und sanftere Version von AMY WINEHOUSE: kräftige, mal klar-helle, mal bluesig-rauchige Vocals, begleitet von gekonntem Fingerpicking ihres Gitarristen und einem puristisch eingesetzten Schellenkranz. Die Cover-Interpretation von KOKO TAYLORs Soulhit ‘Voodoo Woman’ verrät sinnig, welcher Vibe den Raum hier zumindest in Ansätzen erfüllte.
Danach betrat HUEY MORGAN (FUN LOVIN’ CRIMINALS) aus New York City solo den Teppich, um ein kurzes Set von vier sehr traditionell-einfachen Songwriter-Balladen zu spielen. Seine Stimme klingt immer mehr so, als fresse sich der Krebs langsam seinen Weg durch die Lungen aber in Kombination mit dem Genre dankt es der Hörer in diesem Fall. Dabei gaben die Zwischenansagen, der hochgradig selbstironische Inhalt der Texte und die grinsende Gesangsmimik klar zu erkennen, dass hier keine neuen Bestmarken mehr gesetzt werden sollen. Würde man den Ansatz ernst nehmen, bliebe kein anderes Wort als “pathetic”. Weil HUEY trotz Bekanntheitsgrad aber so überaus sympathisch mit der Rolle als Entertainer-Zwischennummer auftritt und wahrscheinlich jede Menge Fans anwesend sind, ist es für das Publikum ein leichtes, die allzu flachen und inhaltsleeren Songs amüsiert hinzunehmen und jede 08/15-Silbe mit johlendem Applaus zu quittieren, als verberge sich dahinter jahrhundertealte Weisheit.
Und nun, Vorhang auf, mit dem Whisky-Glas von der Bar direkt hinters Mikrofon: STEVE SMYTH. An den Drums sitzt JOEL STEIN von den HOWLING BELLS, welcher bei einigen Nummern feinsinnig begleitet und dabei emotional viel mitgerissener wirkt als in seiner eigenen Band. Das Set beginnt mit ‘Barbiturate Cowboy and His Dark Horse’ und das trägt einen live in ungeahnte Höhen und Tiefen fern der Albumaufnahme – Himmel, Hölle, Erde? Wo genau kommt STEVE SMYTH her … intense, unglaublich intensiv! Ich kann den TOM WAITS und JEFF BUCKLEY-Vergleich nun nachvollziehen: es geht dabei nicht so sehr um die kreative Schaffenskraft dahinter, sondern um dieses völlige Aufgehen und Sich-Fallen-Lassen und Verschwinden im Akt des Singens. Die Verwandlung von Emotion in Gesangston. Auch wenn die Reife und Ruhe noch fehlen mögen, zu der entsprechenden Stimme zumindest wird STEVE sich langsam aber sicher noch hinrauchen und -trinken, wie man beobachten konnte.
Da mutet es auch nur für einen kurzen Moment komisch an, dass alle großen Gesten bedient werden, vom Gitarrensolo im Herumrutschen auf den Knien bis hin zum Augenverdrehen und die Gitarre dreschen. Zwischen den Songs wirkt STEVE SMYTH wie ein hyperaktives Kleinkind, das vor Nervosität nicht weiß, wohin mit sich selbst. Es ist zwar schwer zu sagen, ob daran der allzuschnell gelehrte Macallan, andere Drogen oder gar nur ein Überflug auf der eigenen Wirkungsmacht Schuld sind (worauf die Selbststilisierung seines Pressetextes vielleicht hinweisen mag) – aber ausnahmsweise: man darf sich in diesem Fall nicht davon stören lassen. Wer’s nicht mag, Augen zu aber bitte: Ohren auf. Zum LEADBELLY-Cover ‘Sylvie‘ fallen mir keine Worte mehr ein. A capella setzt STEVE an, und nach wenigen Tönen ist es bis in den hintersten Winkel des Kellers so muxmäuschenstill, dass jeder Atemstoß und jedes Kehlkopfzittern durch das Mikro ungefiltert unter die Haut fährt. Das wird man nur live nachvollziehen und erleben können. Überhaupt ist STEVE SMYTH jemand, den man wahrscheinlich auf Platte hören muss, um diese Nuancen und Facetten der Stimme zu erahnen. Es würde nicht verwundern, wenn der Glanz auf seinen Wangen nicht nur vom Schweiß der Hitze herrührt und ich bin sicher, auch im Publikum ist die ein oder andere Träne der Berührung vergossen worden.
Es geht weiter mit den rauheren Stücken seines Albums und ein, zwei Blues-Coverstücken. JUANITA STEIN von den HOWLING BELLS kommt dann für das schlichte und harmonische Duett ‘Stay Young’ auf die Bühne. Und zum letzten Song bittet STEVE SMYTH nochmals Musikerfreunde zu sich – und da spazieren doch tatsächlich die lokalen