2019 fand das DIY-Punk-Festival „Resist To Exist“ vom 2. bis 4. August nicht wie in den Vorjahren im nordwestlich von Berlin gelegenen Kremmen statt, sondern im Marzahner ORWO-Haus. Erst hatte die Kremmener Verwaltung Sicherheitszäune und Zeltplätze bemängelt, dann die CDU mit Hilfe der NPD eine Rettung der Veranstaltung durch Umwidmung verhindert. Binnen vier Tagen schafften es dennoch hunderte Aktivisten das Festival umzusiedeln.
Kurz vor der Brandenburger Landtagswahl also geradezu ein Symbol: Die AfD hat die SPD in die Knie gezwungen und die NPD ausgeschaltet. Die CDU hat aber nichts besseres zu tun, als einer ihr verhassten Subkultur zu schaden. Wie zum Hohn prangte „Brandenburger Tourismus stärken“ auf ihren Plakaten. Nun, den Punkfans machte es wenig aus. Sie campierten in Autos und Zelten rund um das ORWO, manche auch auf dem Gelände. Fast alle der rund 40 angemeldeten Acts traten auf und die Festivalleitung schickte einen offenen Brief und ein Video mit ihren Besuchern zur CDU.
Der Regen am Freitagnachmittag trübte nur etwas die Stimmung bei den kleineren Bands auf der Außenbühne. Das war abends bei WHAT WE FEEL wieder ganz vergessen. Da wurde gepogt, lauthals mitgegrölt und bunte Rauchschwaden stiegen in den dunklen Himmel. Die Moskauer Band spielte zudem ein eigens für das Festival komponiertes Ständchen.
Hatten Sie bereits auf ihrem MISTER X-Split-Album All Against All ihre Freunde von FEINE SAHNE FISCHFILET gecovert („Nothing To Lose“), gab Sänger GOGENATOR „Komplett Im Arsch“ auf dem Akkordeon zum Besten.
Nach dem Umbau sprangen die New Yorker Punk-Stars THE CASUALTIES auf die Bühne. Passend zu ihnen waren auch im Publikum in diesem Jahr wieder mehr Iros zu sehen. Die Casualties erzählten von der Zusammenarbeit mit CALL THE COPS, die bereits indoor gespielt hatten und erinnerten sich an schöne Abende in der Kreuzberger Kneipe „Trinkteufel“. Routiniert spielten sie ihr Set und forderten von den Zuhörern Circle Pits. Zum Schluss schickten sie gemeinsam mit dem Publikum noch Donald Trump zum Teufel („Borders“). Nach ihnen kämpften sich ATARI TEENAGE RIOT durch die Nacht.
Jeweils am Mittag fing das Programm am Samstag und Sonntag mit politischen Vorträgen an. Abwechselnd traten drinnen und draußen, dicht getaktet Bands auf. Die Street-Combo BOOT BOYS etwa aus Euskal Herria im Baskenland oder ONE STEP AHEAD aus dem sächsischen Limbach Oberfrohna.
Nach den allseits gefeierten FAHNENFLUCHT aus Rheinberg fand am Samstag im ORWO-Haus die kultigste Party statt. DIE SKEPTIKER sorgten mit weißem Haar und viel Inbrunst für ordentliche Hitze im überfüllten Saal. Die einstigen DDR-Punker aus Ostberlin zeigten sich agil wie eh und je, bevor draußen die Spaß-Ska-Runde OXO86 aus Bernau die Menge zum Singen brachte.
KAOS URBANO aus Madrid verzeichneten am Sonntag die vielleicht heftigste Pogo-Action. Sie spielten zwischen zwei Slots, in denen Politrapper BOYKOTTONE aus Wilhelmshaven und die Hamburger NEONSCHWARZ sich bemühten, daran zu erinnern, dass HipHop mal mehr Inhalt hatte als puren Konsum.
Während Normalos sich auf Festivals und Junggesellenabschieden auspowern, um den Rest des Jahres in Ruhe arbeiten zu können, haben Punk-Festivals eine andere Funktion: Wenn jeder Punker ein Funken in der eisigen sozialen Realität ist, dann sind ihre Musikfeste die Feuer, an denen sie sich neu entzünden können. Das Plastic Bomb-Magazin listet für diesen Sommer allein 18 davon in ganz Deutschland. Wer in Berlin noch nicht genug hat, der sei auf das „Venomous Mind Festival“ am 8. und 9. November wieder in der ORWO-Halle verwiesen.