RON SEXSMITH – Retriever

Die klebrige Wiederauferstehung der BEATLES…

Traurig sieht er aus, schüchtern und scheu, ja fast abwesend schaut der 1964 in Toronto geborene Kanadier RONALD ELDON SEXSMITH seit Jahren von seinen CD-Covern und Pressefotos. Unweigerlich verspürt man den Drang, ihm tröstende Worte zuzusprechen, ihn behutsam in den Arm zu nehmen und ihm ein Stück von seiner Unsicherheit und Weltschmerz verbreitenden Melancholie zu nehmen. Doch eigentlich gibt es keinen Grund zu klagen. Denn erstens erntete sein jüngstes Studiowerk Retriever bereits höchstes Lob von beispielsweise Spiegel und Rolling Stone. Zweitens bekennen sich u.a. PAUL McCARTNEY, ELVIS COSTELLO, BONO VOX, JOHN HIATT und CHRIS MARTIN als Fans seiner Musik. Und drittens ist RON SEXSMITH verliebt.

Doch die Welt ist ungerecht: ein ums andere Mal werden seine Alben kritikerseits als Meisterwerke angepriesen. Die allgemeine Öffentlichkeit nimmt davon kaum Notiz, denn im Zeitalter multimedialer Omnipräsenz der Stars und Sternchen im Popkarussel fand RON SEXSMITHs Gesicht weder Einzug in die einschlägigen Videoclip-Abspielkanäle (sehen wir mal vom Duett mit COLDPLAYs CHRIS MARTIN in ‚Gold In Them Hills‘ ab) noch in die Klatschspalten der Yellow Press. Und das wird wohl so schnell auch nicht passieren. Sein Name suggeriert jedenfalls keinen Jungen mit Pausbacken und Bubengesicht, der klingt nach Rock’n’Roll und mehr… Doch das Auge hört ja bekanntlich mit; und so wird SEXSMITH wohl seine Tage und Nächte auch weiterhin – nahezu unbemerkt – auf der Suche nach dem formvollendeten Popsong in seinem Studio verbringen.

Retriever also, das siebte Album des vielgerühmten und wenig gekauften SEXSMITHs ist nunmehr im Gegensatz zu seinen Vorgängern kein todtrauriges Balladenwerk geworden. So begleiten wir ihn schon zu Beginn mit „I’m a bit run down, but I’m okay“ (‚Hard Bargain‘) auf seinem emotionalen Hoch und begegnen einer nahezu fröhliche Platte. Dazu tönt es allerortens beatleesk ins Ohr, manchmal so sehr, dass man das Gefühl nicht los wird, PAUL McCARTNEY persönlich hätte in Sachen Arrangement und Sangeskunst (‚Imaginary Friend‘, ‚Dandelion Wine‘, ‚Hapiness‘, ‚How On Earth‘) mitgewirkt. Immer schön harmonisch, Grenzerfahrungen in Sachen Kitsch inklusive.
‚Tomorrow In Her Eyes‘ wiederum erinnert nicht nur entfernt an JOHN LENNONs genial utopisches ‚Imagine‘.
Kaum verwunderlich, dass SEXSMITH bekennender BEATLES-Fan ist. Einer der seiner „Überväter“ lud ihn sogar zu sich ein: „PAUL McCARTNEY zu treffen war etwas ganz Besonderes, weil ich nicht dachte, jemals einen Beatle zu treffen. Es war unwirklich, bei ihm zu Hause zu frühstücken. Mit ihm Gitarre zu spielen war wirklich aufregend“, erinnert sich SEXSMITH in einem Interview.

Ein bisschen zu viel Opulenz in seinen Liedern, eingebettet in warme Gitarren und perlende Klavierläufe (ED HARCOURT), sanfte Streicher und ein zurückhaltendes Schlagzeug machen Retriever zu einer klebrigen Angelegenheit. Mögen ihn die einen als „Meister des Sanftmütigen, als großen Sentimentalisten und Romantiker“ bezeichnen (Spiegel). Für mich fehlt die Intelligenz und gesangliche Spannweite eines ELVIS COSTELLO, die Kraft und Wut eines RYAN ADAMS, die Kargheit eines BONNIE ‚PRINCE‘ BILLY, die Unbeugsamkeit eines JOHNNY CASH und die liebenswürdige Experimentierfreudigkeit eines JEFF TWEEDY (WILCO).

RON SEXSMITH
Retriever
(V2 Records / Rough Trade)
veröffentlicht

http://www.ronsexsmith.com
http://www.v2music.de

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